Professor Dr. Ulrich S. Schubert ist Lehrstuhlinhaber für Organische und Makromolekulare Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Dekan der Fakultät für Chemie und Geowissenschaften sowie amtierender Direktor des Zentrums für Energie und Umweltchemie (CEEC Jena).
Anne Günther/FSU
Springer Professional: Die Energiewende kann langfristig nur im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Energiespeichertechnologien gelingen. Wie hoch schätzen Sie den Bedarf an Stromspeichern hierzulande ein?
Ulrich S. Schubert: Für Deutschland wird auf Grundlage aktueller Studien ein Bedarf von ungefähr 50 Terrawattstunden geschätzt.
Nun plant EWE Mitte des nächsten Jahrzehnts die größte Batterie der Welt als Stromspeicher in Salzkavernen zu bauen. Was hat es mit diesem Projekt auf sich und welches Zukunftspotenzial bietet es?
Es ist geplant, in Norddeutschland Salzkavernen als Elektrolyttanks für Redox-Flow-Batterien zu verwenden. Das bedeutet, dass der Elektrolyt zur Lagerung unter die Erde in die Kavernen und zum Laden und Entladen der Batterie in die Elektrodenstacks an der Oberfläche gepumpt wird. Da die Kapazität einer Redox-Flow-Batterie direkt von der zur Verfügung stehenden Größe der Tanks abhängt, ergeben sich dadurch enorme Stromspeicherpotenziale. Diese sollen für den Lastausgleich insbesondere von küstennahen und Offshore-Windkraftwerken eingesetzt werden.
Eine zentrale Komponente der Redox-Flow-Batterie sind organische Polymere, an deren Entwicklung das Center for Energy and Environmental Chemistry Jena beteiligt ist. Welche Rolle spielen die Polymere bei dieser Speichertechnologie und wie weit ist die Forschung?
Die Polymere übernehmen in diesen Redox-Flow-Batterien die Rolle des Aktivmaterials. Das heißt, die Polymermoleküle nehmen während der Lade- und Entladeprozesse Ladungen auf beziehungsweise geben diese ab und sind damit entscheidend für die Speicherfähigkeit der Batterie. Der Vorteil der Polymere gegenüber kleineren Molekülen besteht zum einen darin, dass zum Trennen der beiden Elektrodenräume im Zellstapel Größenausschlussmembranen verwendet werden können, die kostengünstiger als die bisher zu verwendende Ionenaustauschmembranen sind und, bei entsprechender Polymerkettenlänge, eine überlegeneres Trennungsvermögen aufweisen. Speziell hinsichtlich des Kavernenprojektes, bei dem mit Salz gesättigte Lösungen die Grundlage des Elektrolyten bilden, ermöglichen die Polymere außerdem höhere Konzentrationen an aktiven Einheiten im Elektrolyten als vergleichbare kleine Moleküle. Die in unserem Institut entwickelten Polymere zeichnen sich durch hohe (elektro-)chemische Stabilität und einen leichten synthetischen Zugang aus. Weiteres Verbesserungspotenzial liegt vor allem im Bereich der möglichen Lade- bzw. Entladegeschwindigkeiten und der Umweltverträglichkeit vor allem des Anolytmaterials.
Welche Vorteile bietet die Redox-Flow-Batterie im Vergleich zu anderen Speichertechnologien? Wie bewerten Sie diese im Vergleich zur Nutzung von Wasserstoff oder Biomethan?
Ein großer Vorteil der Redox-Flow-Batterie ist die unabhängige Skalierbarkeit von Kapazität und Leistung. Das bedeutet, dass die Menge speicherbaren Stromes und die maximale elektrische Leistung beim Laden und Entladen für mein System unabhängig voneinander, durch die Größe der Tanks bzw. durch die Größe meines Elektrodenstacks, festgelegt werden können. Dadurch kann die Batterie viel besser an die entsprechenden Gegebenheiten und Anforderungen angepasst werden. Ein weiterer Vorteil ist die sehr geringe Selbstentladung und die erhöhte Sicherheit durch die vollständige physische Trennung der Aktivmaterialien zwischen den Lade- und Entladevorgängen. Die Nachteile liegen vor allem in der erforderlichen Peripherie, wie Pumpen, Leitungssysteme und so weiter, die zusätzlichen Platz-, aber auch Energiebedarf mit sich bringen. Außerdem ist die Redox-Flow-Batterie beispielsweise der Lithiumionentechnologie hinsichtlich Energiedichte und Ladegeschwindigkeit unterlegen. Aus diesen Gründen konzentriert man sich auf Anwendungen im großen Maßstab, von privaten Akkus für Einfamilienhäuser, über Industrieanlagen bis zu den bereits erwähnten Speichern für komplette Offshore-Windparks.
Gegenüber der Nutzung von Wasserstoff oder Methan, die ja technologisch ähnlich angesiedelt sind, ist die Redox-Flow-Batterie vor allem aufgrund ihrer überlegenen Lade- bzw. Entladeeffizienz sowie der, vor allem im Vergleich zum Wasserstoff, wesentlich unproblematischeren Speicherung im Vorteil.
Wie leistungsfähig wird die Redox-Flow-Batterie im beschriebenen Projekt sein? Welche Strommengen sind damit speicherbar?
Die erste Pilotanlage im Kavernenprojekt soll mit einer Leistung von circa 120 Megawatt und einer Kapazität von circa 700 Megawattstunden aufwarten.