Mit der Kraft von Meereswellen Strom erzeugen – seit kurzem geschieht dies in der Nordsee vor der belgischen Küste. Verläuft der Testbetrieb des Prototypen erfolgreich, soll anschließend ein Wellenkraftwerk gebaut werden.
Seit September 2019 läuft die Versuchsanlage in der belgischen Nordsee.
VIVES DroneLab
Die Idee eines Wellenkraftwerks treibt Jan Peckolt schon seit seiner Diplomarbeit um, wie er sagt. 2012 gründete er das Start-Up Nemos, um die Technologie zu vermarkten. Im September ging jetzt die erste Nemos-Anlage, ein Prototyp, unter anderem gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen (UDE) entwickelt, vor der belgischen Küste in Betrieb. Die Anlage funktioniert nach UDE-Angaben so: Vergleichbar mit Offshore-Windparks werden 40 Meter lange Schwimmkörper im offenen Meer installiert. Sie richten sich zum Seegang aus und wandeln bis zu 70 Prozent der Wellenenergie in mechanische Energie um, mit der wiederum ein Generator Strom erzeugt.
Diese Entwicklung trug Peckolt mehrere Preise ein; er patentierte die Steuerung, und er konnte mit seiner Firma dank Fördermitteln des Bundeswirtschaftsministeriums gemeinsam mit Universitätswissenschaftlern vorantreiben. Aufwändige Modellversuche und Analysen fanden im Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST) und an mehreren Lehrstühlen der UDE statt. "Die Geotechnik beispielsweise war für das Gründungsdesign der Anlage und die Konzeptionierung des Installationsvorgangs unverzichtbar", berichtet Peckolt. Es "wurden von den Forschern zahlreiche Simulationen und Tests unter kontrollierten Laborbedingungen sowie in natürlichem Gewässer durchgeführt."
Von den drei Meereswellenarten, seismische Wellen, Brandungswellen und Windwellen lassen sich nur die letzteren technisch nutzen. Windwellen entstehen durch Einwirkung der Luftströmung. (…) Wenn die gesamte Küstenlänge der deutschen Nordsee von etwa 150 km auf einer Breite von 64 m durch ein Wellenkraftwerk belegt wäre, ergäbe sich bei 50 % Gesamtwirkungsgrad eine Leistung von 1100 MWel." Richard Zahoransky, "Energietechnik", Seite 357.
Wesentliche Komponenten des Nemos-Wellenkraftwerks konnten in den Labors des Fachgebiets für Energiespeicherung und -transport an einem 40 Tonnen schweren Prüfstand erprobt und optimiert werden. Der Lehrstuhl für Mechatronik sowie das Institut für Schiffstechnik, Meerestechnik und Transportsysteme unterstützten die Entwicklung mit ihrem Know-how. Zum Erfolg des Projekts trugen auch die Unternehmen Lioris und Schaeffler Technologies mit der Entwicklung wichtiger Komponenten bei. So konnten die Bauteile für den Seewassereinsatz unter härtesten Bedingungen qualifiziert werden. Bewährt sich der Anlagenprototyp, sollen erste kommerzielle Wellenkraftwerke entstehen, die jeweils Strom für 700 bis 800 Haushalte liefern könnten.