Innerhalb des Forschungsprojekts DynaGridCenter wurde ein Autopilot für Übertragungsnetze entwickelt. In der neuen Leitwarte an der TU Ilmenau wird das selbstlernende und selbstregelnde System erprobt.
In der Leitwarte an der TU Ilmenau werden Netzbelastungen der Zukunft simuliert.
Frank Urbansky
Ohne Leitwarten ist kein Netzbetrieb möglich. "Die Netzleitwarte visualisiert alle relevanten Vorgänge im Verteilnetz und ist fähig, Analysen zu bestimmten Betriebsszenarien (z. B. Störbetrieb) auch während des Betriebs durchzuführen", beschreibt Springer Vieweg-Autor Maximilian Irlbeck auf Seite 140 seines Buchkapitel Digitalisierung und Energie 4.0 – Wie schaffen wir die digitale Energiewende? deren wichtigste Funktionen.
In Zeiten der Energiewende haben die Leitwarten vielfältige Aufgaben zu meistern. Eine der wichtigsten: die Einspeisung fluktuierend erzeugter erneuerbarer Energien durch eine Vielzahl sehr kleiner Anbieter. Oder: die bevorstehende Abschaltung der Atomkraftwerke sowie etlicher Kohlemeiler mit ihrer kontinuierlichen Einspeisung. Das birgt immer die Gefahr von zu viel oder zu wenig Strom im Netz. Beides ist gefährlich.
Simulationen in Echtzeit
Wie nicht nur dieses Problem auf der Ebene der Übertragungsnetze in Zukunft zu lösen ist, untersucht das Forschungsprojekt DynaGridCenter. Es startete vor drei Jahren und wurde Ende September mit der Eröffnung einer Simulationsleitwarte an der TU Ilmenau abgeschlossen. Projektpartner war Siemens. Die vier deutschen Überragungsnetzbetreiber sind ebenfalls Partner. Insgesamt flossen 7,2 Millionen Euro in das Projekt, davon kamen fünf Millionen vom Bundeswirtschaftsministerium.
Die nötigen Simulationsdaten liefert die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Alle Daten werden in Echtzeit ausgewertet und so aufbereitet, dass sie von einem einzelnen Mitarbeiter erfasst und bewertet werden können.
Nach Auskunft von Siemens ging es darum, einen Autopiloten für die Übertragungsnetze zu entwickeln. Dieser soll selbstlernend und selbstregelnd sein und für einen stabilen Netzbetrieb sorgen. Dennoch arbeitet das System dynamisch, daher auch der Name. Denn sich ständig ändernde Lasten und Ströme müssen automatisch erkannt und ebenso automatisch, aber eben dynamisch, verschoben werden. Diese Herangehensweise an die Steuerung der Übertagungsnetze ist vollkommen neu.
Weniger Redispatch-Kosten?
Falls das System tatsächlich in der Realität so funktioniert, könnte das auch wirtschaftliche Vorteile haben. Denn die Redispatch-Kosten, also die manuellen Eingriffe, um die Netze auf allen Ebenen stabil zu halten, könnten dann weitgehen automatisch und präziser erfolgen. Ein bereits gestartetes Folgeprojekt, InnoSys2030, soll die dynamische Leitwarte in die Praxis überführen.
Dann wäre auch möglich, was bisherige Leitwarten schon können, nur auf einem viel höheren Niveau – und weitgehend automatisiert. "Bei nicht besetzten oder nur zeitweise besetzten Leitwarten sind Alarmsysteme mit Störungsmanagementfunktionen integriert. Im Falle einer in das Netzleitsystem einlaufenden Störungsmeldung wird das diensthabende Personal […] über den Anlagenzustand informiert", beschreibt diese wichtige Funktion Springer Vieweg-Autor Adolf J. Schwab in seinem Buchkapitel Netzleittechnik auf Seite 766.