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2025 | Buch

Energiewende nach der Zeitenwende

Energiepolitik in Zeiten der Polykrise

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Über dieses Buch

Der Überfall Russlands auf die Ukraine bedeutet eine Zeitenwende auch für die Energiepolitik. Die Abhängigkeit der Europäischen Union und Deutschlands von der fossilen Grundversorgung insbesondere mit Gas, aber auch mit Öl aus Russland wurde deutlich. Vor diesem Hintergrund behandelt dieser Band die folgenden vier Themen: Neue energiepolitische Governance, Allianzen, Policy-Strategien und Pfadabhängigkeiten zwischen fossilem und erneuerbarem Energieregime; Energiewirtschaftliche und energietechnische Probleme und Lösungen für eine beschleunigte Dekarbonisierung des Energiesektors; das Verhältnis zwischen zentraler und dezentraler Energiewende und die Rolle von Regulierung und Partizipation; Strategien der Kompensation und Beteiligungsmöglichkeiten von „Verlierern der Dekarbonisierung“ und von sozial besonders vulnerablen Teilen der Gesellschaft. Neben theoretisch-konzeptionellen und empirisch-vergleichenden Beiträgen werden internationale, supranationale, regionale und auch lokaleFallbeispiele im Band behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Energiewende nach der Zeitenwende: Energiepolitik in Zeiten der Polykrise
Eine Einführung in die Thematik und ein kurzer Überblick
Zusammenfassung
Die Energiewende steht angesichts der globalen Polykrise – verstärkter Klimawandel, geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheit – vor neuen Herausforderungen. Dieser Sammelband analysiert zentrale Handlungsfelder der deutschen Energiepolitik und macht deutlich, dass eine erfolgreiche Energiewende nur durch die Kombination technologischer Innovation, sozialer Gerechtigkeit und partizipativer Prozesse gelingen kann. Neben der Notwendigkeit eines raschen Ausbaus erneuerbarer Energien sowie einer Wärme- und Mobilitätswende rücken die sozialen Aspekte zunehmend in den Fokus: Einkommensschwache Haushalte dürfen nicht überproportional belastet werden, partizipative Formate müssen die Akzeptanz stärken. Der Band zeigt auf, dass die Energiewende ein gesamtgesellschaftliches Transformationsprojekt ist, das eine inklusive Governance und langfristige Resilienzstrategien erfordert. Gegenwärtige Tendenzen einer demokratischen Regression zeigen: Nur durch einen ganzheitlichen, gesellschaftlich breit getragenen Ansatz in Energiepolitik, Planung und Umsetzung lassen sich ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele stärker harmonisieren und Lösungen finden, die stärker einer Energiegerechtigkeit und -demokratie dienen.
Jörg Radtke, Weert Canzler

Neue Herausforderungen für die Energiepolitik

Frontmatter
Ambivalenzsteigerung und Konfliktverschärfung. Die Folgen des Ukraine-Kriegs für die deutsche Energiewende
Zusammenfassung
Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine und den damit verknüpften wechselseitigen Sanktionen zwischen dem Westen und Russland ist die Energie- und Klimapolitik in eine neue, kritische Phase eingetreten, die durch zusätzliche Ambivalenzen und Konfliktpotenziale gekennzeichnet ist. Der Beitrag geht der Frage nach, wie diese Konflikte möglichst produktiv und im Sinne des Klimaschutzes bearbeitet werden können.
Fritz Reusswig, Wiebke Lass
Energiewende 3.0
Transformative Industrie- und Energiepolitik in der kritischen dritten Phase der Energiewende
Zusammenfassung
Die Energiewende befindet sich in einer kritischen dritten Phase. In technisch-ökonomischer Hinsicht steht die grundsätzliche Dekarbonisierung der Energieversorgung wie der wirtschaftlichen Produktionsmethoden an. Dieser Umbau findet unter dem Eindruck multipler geopolitischer Krisen und eines Wettbewerbs der industriepolitischen Programme in den USA, China und anderen Handelspartnern Europas statt. Der Beitrag argumentiert, dass eine stärker missionsorientierte Industrie- und Energiepolitik, verbunden mit gesellschaftlicher Beteiligung am Entscheidungsprozess, positive Impulse für die wirtschafts- und sozialverträgliche Dekarbonisierung und zugleich eine höhere gesellschaftliche Resilienz gegenüber künftigen Krisen setzen kann.
Barbara Praetorius
Die Energiewende und die soziale Frage
Zusammenfassung
Die Energiewende ist eine Voraussetzung dafür, dass die Klimakrise überwunden werden kann. Nur mit einer umfassenden und in kurzer Zeit tatsächlich realisierten Dekarbonisierung der Energiegewinnung können die im Pariser Abkommen festgelegten Klimaziele erreicht und die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß begrenzt werden. Diese Transformation des Energiesektors ist jedoch nicht nur eine technische Herausforderung, sie hat zugleich weitreichende soziale, wirtschaftliche und politische Implikationen. Diese verschärfen sich in der Polykrise: Steigende Kosten, eine schleppende Implementation technologischer Innovationen vor allem im Verkehr und in der Wärmegewinnung und die Gefährdung der Energiesicherheit angesichts geopolitischer Krisen erschweren eine gerechte Verteilung der Lasten und Vorteile der Energiewende. Die Energiewende ist mehr denn je eine soziale Frage. Die Möglichkeiten und Grenzen von Kompensationsmechanismen wie dem Klimageld sowie die Perspektiven für eine „Just Transition“ stehen daher im Mittelpunkt des Beitrages. Impliziter roter Faden der Analyse ist ein Konzept von Gerechtigkeit, das neben der globalen und intergenerationalen Lastenverteilung auch die sozialen Verteilungswirkungen sowie die Beteiligung und die Anerkennung der Lebensleistung der Betroffenen umfasst. Damit verbunden ist letztlich ein neues Verständnis von Wohlstand und Entwicklung, das auf die Lebensqualität, die soziale Gerechtigkeit und den Erhalt der natürlichen Umwelt gleichermaßen zielt.
Weert Canzler, Jörg Radtke

Akteure und ihre Strategien

Frontmatter
Energiepolitik für eine Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft: Herausforderungen und Chancen
Zusammenfassung
Die Energiewende ist zentral für die ökologische Transformation, birgt jedoch zahlreiche Zielkonflikte. Der Beitrag analysiert vier zentrale Spannungsfelder zukunftsgerichteter Energiepolitik: Die Sicherung industrieller Wettbewerbsfähigkeit, die Reduktion von Importabhängigkeiten, die gesellschaftliche Akzeptanz sowie die Rolle der öffentlichen Finanzen in der Transformation. Wirtschaftlicher Erfolg, Versorgungssicherheit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit können nur durch integrierte, vorausschauende Energiepolitik gelingen. Eine konsequente politische Steuerung ist erforderlich, um Synergien zu nutzen, Zielkonflikte auszutarieren und die Energiewende als Weg zu einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft erfolgreich zu gestalten.
Sara Hagemann
Ein Energie-Existenzminimum als Baustein einer sozialverträglichen Energiewende
Zusammenfassung
Im Koalitionsvertrag 2021–2025 wurde ein sozialer Kompensationsmechanismus in Aussicht gestellt, um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren (Koalitionsvertrag, S. 49). Allerdings kommen die Überlegungen der Bundesregierung für ein Klimageld nicht so recht voran. Mittelfristig muss jedoch ein Weg gefunden werden, einkommensschwache Haushalte bei den Energiekosten gezielt zu unterstützen.
Anne Lenze
Resilienz durch Autarkie
Das Konzept einer regionalen, teilautarken und regenerativen Stromversorgung als Beitrag zu einer höheren Resilienz der Europäischen Union
Zusammenfassung
Die Europäische Union (EU) strebt Klimaneutralität bis 2050 an. Doch selbst nach der russischen Annexion der Krim 2014 und dem Russisch-Ukrainischen Krieg ab 2022 verfolgen die EU-Staaten sehr unterschiedliche Energiepolitiken und sind weiterhin auf Energieimporte angewiesen – auch aus autoritären Staaten der »Strategischen Ellipse«. Dieser Beitrag schlägt »teilautark-regenerative Energieregionen« vor, um die Verwundbarkeiten des fossil-nuklearen Energiesystems gegenüber militärischen und terroristischen Bedrohungen, Unfällen und Naturkatastrophen zu verringern, den Einfluss von Exporteuren zu begrenzen und die Versorgungssicherheit zu stärken. Zahlreiche Herausforderungen und geopolitische Verflechtungen erschweren den Übergang in eine post-fossile, post-nukleare Ordnung.
Heiko Brendel
Soziale Energiewende
Lösungen zu einer sozialen Umsetzung der Energiewende
Abstract
Die Energiewende für eine effiziente Nutzung erneuerbarer Energien zugunsten des Klimaschutzes und für mehr Energiesouveränität ist eine große Transformation die sämtliche Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft umfasst. Nicht nur die Energieträger sondern auch die Träger des Energiesystems müssen verändert werden. Aus Konsumenten werden Produzenten. Energieerzeugung findet dezentral im Land, in den Kommunen statt. Bei diesen Veränderungen sind besonders Haushalte sowie Hauseigentümer mit geringem Einkommen nicht in der Lage, den Anforderungen gerecht zu werden. Bei der energetischen Sanierung gilt es die Grenzen der Belastbarkeit der Mieter mit Anreizen für Vermieter zu vereinen. Da der Energieverbrauch deutlich gemindert werden muss, könnten progressive Tarif ökologische und soziale Ziele verbinden. Ein Klimageld für alle müsste den Rahmen einer ökologisch-sozialen Politik darstellen.
Werner Neumann
Energie ist wertvoll – Den richtigen Fokus setzen beim Einsatz von Energie
Zusammenfassung
Die Energiewende erfordert in Zeiten multipler Krisen eine klare Fokussierung auf den sinnvollen, effizienten und gerechten Einsatz von Energie. Energie ist ein kostbares Gut, dessen Verfügbarkeit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit gesichert werden müssen. Eine marktwirtschaftlich organisierte Energiewende mit festen Regeln, fairen Preissignalen und sozialem Ausgleich, etwa durch einen gesicherten Grundbedarf an Energie für alle, kann diesen Herausforderungen gerecht werden. Auch Infrastruktur, Gebäudesektor und Konsumverhalten stehen im Fokus: Umbau statt Neubau, Anreize zur Flächenreduktion und ein bewussterer Umgang mit Ressourcen sind zentrale Stellschrauben einer Zukunftsgestaltung der Energiewende. Transparenz über Energieverbräuche und die Förderung eines achtsamen, sparsamen Lebensstils sind ebenso entscheidend wie die Stärkung der Eigenverantwortung von Verbraucherinnen und Verbrauchern durch digitale, marktbasierte Modelle. Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Innovation, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Effizienz zusammengedacht werden müssen - für einen nachhaltigen, zukunftsfähigen Wohlstand.
Gerd Schreiner

Zukunftsfragen der Energiewende und der Energiewende-Forschung

Frontmatter
Neustart der Digitalisierung der Energiewende?
Die Akzeptanz gesetzlicher Initiativen zu mehr Digitalisierung auf dem Energiemarkt
Zusammenfassung
Um die Energiewende zu schaffen, ist nicht nur die Umstellung auf eine post-fossile Stromproduktion notwendig, sondern auch die Digitalisierung der Netze und ihrer individuellen Anschlusspunkte. Nur so können (regionale) Hoch- und Niedriglastzeiten zuverlässig berechnet und ausgeglichen werden. Flexible Stromtarife, das intelligente Laden (Smart Charging) und auch das bidirektionale Laden von Elektroautos, also das Zurückladen von aktuell nicht benötigtem Strom in das Netz, setzen digitale Anschlusspunkte voraus, wenn die Netzspannung auf gleichem Niveau gehalten und die Prosumer von Energie, zum Beispiel jene mit einem Balkonkraftwerk, für ihre Einspeisung auch monetär entschädigt werden sollen.
Martin Gegner
Energiewende unter Druck? Zur Umsetzbarkeit der Stromwende zwischen regionalen Erzeugungspotenzialen und gesellschaftlicher Trägerschaft
Zusammenfassung
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) ist zentral für die Klimaneutralität Deutschlands und hat mit dem Ukraine-Krieg auch für die Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen an weiterer Bedeutung erlangt. Mit den energiepolitischen Gesetzesänderungen im Rahmen des sogenannten Osterpakets wurde 2022 eine umfassende Reform vom Deutschen Bundestag verabschiedet, die den Ausbau erneuerbarer Energien massiv beschleunigen sollte. Das Kapitel beleuchtet die zentralen Perspektiven, die für deren weiteren Ausbau relevant sind: die Potenziale und Möglichkeiten der räumlichen Steuerung des Zubaus, die Auswirkungen auf das Übertragungsnetz sowie Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz. Basierend auf den Ergebnissen eines Bürgerdeliberationsprozesses im Projekt Ariadne sowie bundesweiten Befragungsstudien des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers werden technologiespezifische Bewertungen vorgenommen und regionale Umsetzungsstrategien analysiert. Die Analyse zeigt, dass die Mehrheit der Gesellschaft den EE-Ausbau unterstützt, trotz des damit einhergehenden zusätzlichen Flächenbedarfs. Besondere Herausforderungen bestehen bei der Erschließung von PV-Dachanlagen-Potenzialen, die zusätzliche Maßnahmen wie Anreize für Mieterstrom oder die Vereinbarkeit von energetischer Sanierung und Solarnutzung erfordern. Das Kapitel betont die Notwendigkeit eines umfassenden, partizipativen Ansatzes zur Erreichung der Ausbauziele und zur Sicherstellung der gesellschaftlichen Unterstützung der Energiewende.
Norman Gerhardt, Katja Treichel-Grass, Ingo Wolf, Arwen Colell
Was bedeutet die Polykrise für die partizipative Energiewende in Deutschland? Eine Bilanz und Ausblick in eine ungewisse Zukunft
Zusammenfassung
Dieser Beitrag unternimmt einen Streifzug durch die Partizipationslandschaft der Energiewende in Deutschland und reflektiert Erfahrungen in den Bereichen der Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung. Forschungserkenntnisse zu Akzeptanz und Konflikten, klassischer Öffentlichkeitsbeteiligung, finanzieller Beteiligung und Online-Beteiligung werden zusammengeführt. Zwar wurden durch die Einführung neuer Technologien vielfältige Formen der Beteiligung geschaffen, doch leidet die Partizipation insgesamt unter einem Ungleichheits-Bias. Es wird zukünftig daher noch stärker darauf ankommen, tatsächliche Beeinflussung von Entscheidungsprozessen und Teilhabe an Benefits zu ermöglichen sowie Fairness, Transparenz und eine produktive Streitkultur zu etablieren, um mehr Energiedemokratie und -gerechtigkeit herzustellen.
Jörg Radtke
Die Energiewende aus sozial-ökologischer und partizipativer Perspektive: Anforderungen an eine inklusive Governance
Zusammenfassung
.Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Energietechnologie, Politikgestaltung und öffentlicher Akzeptanz zu untersuchen, ist ein partizipativer Ansatz im Rahmen einer umfassenderen sozial-ökologischen Perspektive angemessen. Dieser Ansatz stützt sich auf drei Anforderungen: (1) Integration von System-, Orientierungs- und Transformationswissen als Voraussetzung für die Schaffung eines gemeinsamen Problemverständnisses (2) die Erkundung eines Lösungsraums zur sach- und wertgerechten Behandlung des Problems mit Hilfe einer Kombination von Expertenwissen und deliberativer Entscheidungsfindung und (3) Anschlussfähigkeit der deliberativ gefundenen Lösungen an das jeweils dafür legitimierte politische Gremium wie Parlamente oder Ministerien. Wichtig dabei ist eine systematische Einbeziehung von Stakeholdern und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in die Formate zur Politikgestaltung und zur Umsetzung einer effektiven und fairen Transformationspraxis.
Ortwin Renn
Metadaten
Titel
Energiewende nach der Zeitenwende
herausgegeben von
Jörg Radtke
Weert Canzler
Copyright-Jahr
2025
Electronic ISBN
978-3-658-48017-2
Print ISBN
978-3-658-48016-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-48017-2