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22.01.2025 | Energiewende | Im Fokus | Online-Artikel

"Gemeinsames Lernen und Entwickeln bei H2-Projekten notwendig"

verfasst von: Frank Urbansky

6 Min. Lesedauer

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Wasserstoffprojekte sprießen landauf, landab aus dem Boden. Doch Erfahrungswerte gibt es kaum. Tobias Moldenhauer, Leiter Wasserstoff bei EWE, erklärt im Interview, wie ein großer Energieversorger solche Projekte ganz konkret umsetzt.

springerprofessional.de: Kann EWE für das Wasserstoffgeschäft seine Erfahrungen aus dem Erdgasmarkt nutzen?

Tobias Moldenhauer: Es gibt tatsächlich viele Analogien zum klassischen Erdgasgeschäft. Allerdings ist Wasserstoff doch ein breiteres Feld. Die Herausforderungen beginnen schon bei der Strombeschaffung für die Wasserstofferzeugung und reichen bis hin zu ganz neuen Vermarktungs- und Vertriebskanälen, die sich nicht einfach eins zu eins vom Erdgas- oder Stromgeschäft übernehmen lassen.

Wie lösen Sie das innerhalb des EWE-Konzerns organisatorisch?

Derzeit sind im Technik-Ressort, das vom Technikvorstand geleitet wird, noch sämtliche Wasserstoffaktivitäten gebündelt. Zum Jahresbeginn wird dies jedoch beim Vorstandsvorsitzenden angesiedelt. Wir unterscheiden dabei stets entlang der Wertschöpfungskette, was in der Energiewirtschaft auch aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Entflechtung notwendig ist. Innerhalb des Technik-Ressorts haben wir das Geschäftsfeld Großspeicher und Wasserstoff und damit einen speziellen Bereich für Wasserstoff. Dazu gehört die EWE Hydrogen GmbH, die die Erzeugungs- und Vermarktungsaktivitäten abdeckt, die Speicheraktivitäten wiederum liegen bei der EWE Gasspeicher GmbH.

Unabhängig vom Wasserstoffbereich haben wir außerdem die üblichen Transportaktivitäten. Die Gastransport Nord GmbH ist unser Gastransportunternehmen und Ferngasnetzbetreiber, und die EWE Netz GmbH fungiert als Verteilnetzbetreiber sowohl im Strom- als auch im Gasbereich. Zukünftig spricht man hier vom Wasserstoff-Regionalnetz, welches nach den Kernnetzen angesiedelt ist. All diese Aktivitäten sind derzeit im Technik-Ressort gebündelt, während das Wasserstoffteam die Verantwortung für alle Wasserstoffaktivitäten außerhalb des Transports trägt. Genau diese Aufgaben leite ich im Unternehmen.

Alle Projekte sind in gewisser Weise Neuland: Wie kommt man an geeignete Dienstleister, die das Thema beherrschen?

Bei Projekten wie der Nutzung von alten Gaskavernen zur H2-Speicherung stellen wir fest, dass viele Anlagen in dieser Form schlichtweg noch nicht existieren – erst recht nicht mit üblichen Gewährleistungs- oder Absicherungsmöglichkeiten. Hier ist es wirklich sinnvoll, Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchzuführen, um die Branche näher an das Thema heranzuführen und sich mit den Anforderungen auseinanderzusetzen, bevor der klassische Markt dann richtig entsteht.

Im Bereich des klassischen Engineerings und anderen technischen Bereichen ist in den letzten vier Jahren ein enormer Wissenszuwachs entstanden. Heutzutage haben fast alle Einheiten, die sich früher mit Erdgas befasst haben, auch eigene Wasserstoff-Bereiche. Wir können dabei auf unsere gewachsenen Netzwerke zurückgreifen: Vom Kraftwerksbau über den Erdgasspeicherbau bis hin zum Leitungsbau hatten wir immer wieder Kontakt zu den passenden Anbietern, und vieles läuft über strukturierte Ausschreibungsprozesse.

Gleichzeitig muss man sagen: Wasserstoff ist nicht komplett neu. In der Chemieindustrie wird Wasserstoff seit über 40 Jahren genutzt, es gibt also bereits klare Regelwerke. Es bestehen viele Parallelen zu den klassischen Erdgasspeichern oder Kraftwerken, da wir bei der Wasserstoffinfrastruktur ähnliche Komponenten verwenden – Gasaufbereitung, Trocknungseinheit, Verdichter und so weiter.

Natürlich ist es aber dennoch eine neue Herausforderung. Ein 300-Megawatt-Elektrolyseur wurde bisher noch nicht in Deutschland oder Europa gebaut. Und auch die klassischen Zulieferer sammeln hier neue Erfahrungen. Deswegen ist es so wichtig, dass diese Projekte jetzt umgesetzt werden. Die politischen Ziele sind das eine, aber sie in der Praxis mit dem notwendigen Know-how zu erreichen, ist nochmal eine andere Sache. Kurz gesagt: Wir haben sowohl durch Ausschreibungen als auch über unsere bestehenden Netzwerke die passenden Partner gewonnen und lernen dabei alle gemeinsam – sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite.

Wie ist die Kommunikation zu diesen Projekten aufgestellt?

Grundsätzlich kann EWE auf eine umfangreiche Erfahrung zurückgreifen. Wir haben bereits Erdgasspeicher-Standorte aufgebaut und uns dabei auch mit Themen auseinandergesetzt, die wir der Öffentlichkeit erklären mussten. Gerade in der Anfangsphase von Wasserstoffprojekten ist es entscheidend, die Menschen und Behörden frühzeitig mitzunehmen.

Wir haben ein umfangreiches Stakeholder-Management und eine enge Schnittstelle zur Konzernstruktur, insbesondere zu den Zentralfunktionen wie Konzernkommunikation und Pressearbeit. Das ist ein großer Vorteil, weil wir bereits Erfahrungen mit Großprojekten im Bereich Erdgas und Strom gesammelt haben. Natürlich ist Wasserstoff noch erklärungsbedürftiger als etablierte Energieträger, die wir seit Jahrzehnten kennen und nutzen. Deshalb setzen wir bei solchen Projekten auf maximale Transparenz.

Das betrifft auch die Bevölkerung…

Ja. Wir sind von Anfang an offen in die Öffentlichkeit gegangen, da solche Großprojekte – auch wenn Wasserstoff ein positiveres Image hat – nicht immer nur auf Zustimmung stoßen. Daher legen wir großen Wert auf transparente Kommunikation und haben kürzlich beispielsweise eine Veranstaltung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Standort Emden abgehalten. Das war eine Baufeldbesichtigung, bei der viele Gäste aus Politik und Wirtschaft anwesend waren.

Ein weiterer Punkt ist, dass Genehmigungsprozesse teilweise verpflichtende Informationsmaßnahmen enthalten. Doch wir machen in der Regel mehr, als nötig ist und bieten frühzeitig Bürgerinformationsveranstaltungen an unseren Standorten an, um den Dialog zu eröffnen. Da EWE als kommunaler Energieversorger in der Region stark verankert ist und viele Anteile auf die Kommunen entfallen, ist die Schnittstelle zu den einzelnen Kommunen besonders wichtig.

Wasserstoffprojekte der EWE

Der Elektrolyseur Huntorf ist das älteste H2-Projekt der EWE, bei dem eine kleine PV-Anlage an einen kompakten Elektrolyseur im Containerformat angeschlossen ist. Der erzeugte Wasserstoff wird oberirdisch in Flaschenbündeln gespeichert und dann über eine Betriebstankstelle für die EWE-Betriebsflotte genutzt. Damit wird gezeigt, wie die Wasserstofftechnologie im kleinen Rahmen funktioniert und was in größerem Maßstab möglich sein könnte.

Ein weiteres Projekt in dieser Phase ist HyCAVmobil, das am Erdgasstandort in Rüdersdorf liegt. Hier wird getestet, ob Wasserstoff sicher in Kavernen gespeichert werden kann. Es geht dabei auch darum, die Wasserstoffqualität nach der Speicherung zu prüfen und zu sehen, welche Aufbereitung für Mobilitätsanwendungen notwendig ist. Dieses Projekt ist als F&E-Projekt (Forschung und Entwicklung) abgeschlossen. Derzeit prüft EWE, ob die Kaverne für weitere Forschungsfragen zur Verfügung stehen soll. Eine kommerzielle Nutzung erfolgt vorerst nicht.

Eine kommerzielle Wasserstoffspeicherung erfolgt mit dem Clean Hydrogen Coastline (CHC)-Vorhaben CHC Speicher Huntorf. Dort wird eine vorhandene Erdgaskaverne auf Wasserstoff umgerüstet und entsprechende Obertagetechnik aufgebaut.

Mit dem Projekt HyBit realisiert EWE die erste kommerzielle Anlage. Es handelt sich um eine 10-Megawatt-Elektrolyseanlage auf einem Stahlwerksgelände in Bremen, die vor allem die Stahlindustrie mit Wasserstoff versorgen wird. Von den zehn Megawatt gehen acht direkt in die Stahlproduktion. Zwei Megawatt werden über eine Trailer-Abfüllstation an weitere Kunden geliefert. Die Anlage besteht aus zwei 5-Megawatt-Modulen, von denen das erste bereits geliefert wurde; das zweite folgt in den nächsten Wochen. Der Regelbetrieb soll 2025 starten.

Das größte EWE-Projekt ist CHC Elektrolyse Ostfriesland, also der Elektrolyseur, der in Emden entsteht. Diese Anlage wird mit einer Leistung von bis zu 320 Megawatt arbeiten und ist auf einem fast zehn Hektar großen industriellen Standort geplant. Es ist eines der größten Wasserstoffprojekte in Deutschland und sogar Europa. Die Bauphase begann im Oktober 2024, Fertigstellung und Inbetriebnahme sind für 2027 geplant. Der Standort wurde in Zusammenarbeit mit dem Stromnetzbetreiber TenneT ausgewählt, da er optimal für die Nutzung überschüssiger erneuerbarer Energie geeignet ist.

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