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12.05.2022 | Energiewende | Gastbeitrag | Online-Artikel

Der neue Ressourcenpass begründet Paradigmenwechsel

verfasst von: Nina Jarass Cohen

3:30 Min. Lesedauer

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Nach dem holprigen Stopp der KfW-Förderung für Energieeffizienzhäuser im Januar dieses Jahres plant die Bundesregierung nun, den Maßstab für künftige Förderprogramme durch die Entwicklung eines Siegels für nachhaltige Gebäude auf eine neue Grundlage zu stellen. 

Der neue Energiepass, auch Ressourcenpass genannt, soll sich Presseberichten zufolge – anders als der bisherige Energieausweis – nicht in der Bewertung der gegenwärtigen Energieeffizienz und den anfallenden Energiekosten eines Gebäudes erschöpfen, sondern die tatsächliche CO2-Bilanz eines Gebäudes als Qualitätsstandard etablieren. Damit verfolgt die Ampelkoalition die Umsetzung eines der Leitthemen ihres Koalitionsvertrages, namentlich das Vorantreiben des Klimaschutzes im Gebäudebereich.

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Bestehende Bauwerke sind Rohstoffquellen

Die dahinterstehende Idee ist freilich nicht neu: Bestehende Bauwerke als Rohstoffquelle zu begreifen und zu nutzen, wird seit Jahren unter den Begriffen des Urban Mining und Baustoffrecycling  diskutiert und seit Jahrhunderten praktiziert. Aktuell spielt die Bewertung von Materialkreisläufen bereits bei der LEED-Zertifizierung eine gewisse Rolle. 

Die Bundesregierung will die Kreislaufwirtschaft nun aber zum flächendeckenden Prinzip für Gebäude erheben. Durch die Verlängerung des Lebenszyklus verbauter Produkte soll der aktuellen Preisexplosion von Baustoffen sowie der Begrenztheit verfügbarer Ressourcen begegnet werden. Die Verwendung von Baustoffen mit niedriger CO2-Effizienz soll sich zukünftig wertsteigernd auswirken und damit Einfluss auf den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie haben. 

Erstellung des Ressourcenpasses erfordert Mehraufwand

Der neue Ressourcenpass ist indes mit einem nicht unerheblichen Mehraufwand verbunden. Schon in der Planungsphase muss bei der Erstellung des "Katasters verbauter Rohstoffe" die Ressourcenrückgewinnung mitgedacht werden: Ist ein vollständiger Rückbau des Gebäudes in der Nachnutzungsphase möglich? Können die Produkte nach sortenreiner Trennung einer Wiederverwertung zugeführt werden? 

Oftmals dürfte die Recyclingfähigkeit von Bauprodukten im Widerspruch stehen zu den Zielvorgaben für energieeffizientes Bauen. Dies zeigt sich am Beispiel des Wärmedämmverbundsystems: Der feste Verbund zwischen Dämmstoff und Baustoff kann bei einem Rückbau nur schwer oder gar nicht gelöst werden. Der Schadstoffgehalt energieeffizienter Baustoffe kann einer positiven Nachhaltigkeitsbilanz entgegenstehen. Die Bundesregierung wird beantworten müssen, wie sie das Spannungsfeld zwischen CO2-Effizienz und Energieeffizienz zu lösen gedenkt. 

Gesetzgebungskompetenz noch nicht klar

Noch ungeklärt ist derzeit, ob der Bund überhaupt die Kompetenz hat, Regelungen zu Bauprodukten zu treffen. Unter die Kompetenz für Energiewirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz) passt der neue Ressourcenpass zumindest nicht auf den ersten Blick. Die gesetzliche Regelung von Fragen betreffend Gebäudesubstanz und Bauprodukte sind herkömmlicherweise Teil des Bauordnungsrechts und liegen damit eigentlich im Aufgabenbereich der Länder.

Dennoch könnte der Ressourcenpass aus Sicht der Wirtschaft genau zur rechten Zeit kommen: Das Thema ESG (Environmental, Social and Governance) ist in aller Munde. Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos war es der zentrale Diskussionspunkt. Immer mehr Immobilienunternehmen adaptieren verbindliche Nachhaltigkeitsziele, und Investitionsmanager legen eigens ESG-Fonds auf. 

Nachhaltigkeitssiegel als Grundlage für ESG-Standard

Angesichts der Tatsache, dass Gebäude einerseits 36 Prozent der CO2-Emissionen in der EU verursachen und gerade in den Ballungszentren die Nachfrage an Wohnraum und korrespondierender Flächen nicht nachlässt, wird ESG so schnell nicht an Brisanz verlieren. Ein verbindliches, bundesweites Nachhaltigkeitssiegel und letztendlich auch die Entwicklung eines flächendeckenden Katasters verbauter Rohstoffe ermöglicht eine transparente Anwendung von ESG-Standards. 

Die zentralen Punkte im Überblick: 

  • Im neuen Ressourcenpass sind alle verbauten Materialien und Produkte zu erfassen. 
  • Es empfiehlt sich, Baumethoden zu wählen, bei welchen die verwendeten Baustoffe später getrennt und wiederverwertet werden können. Innovative Baustoffe werden an Bedeutung gewinnen.
  • Die gebundenen Rohstoffe bilden angesichts der steigenden Rohstoffpreise gebundenes Kapital und eine mittel- bis langfristige Wertanlage. 
  • Das Wissen über den Rohstoff-Restwert eines Gebäudes kann bei der Bewertung der Immobilie berücksichtigt werden. Die Frage, ob Gebäude über den neuen Ressourcenpass verfügen, ist für Gebäudeeigentümer, Immobilienankäufer und Portfolio-Manager gleichermaßen relevant. 

Ob der neue Ressourcenpass das verlorene Vertrauen vieler Immobilienunternehmer und privater Bauherren in die KfW-Förderung zurückgewinnen kann, bleibt abzuwarten. Für einen bewussteren Umgang mit Ressourcen in der Bauwirtschaft kann sich der neue Pass aber jedenfalls als ein Schritt in die richtige Richtung erweisen.
 

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