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16.01.2017 | Energiewende | Interview | Online-Artikel

"Die energetische Gebäudesanierung beschleunigen"

verfasst von: Günter Knackfuß

3 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Prof. Dr. Rainer Grießhammer

ist im Rahmen des BMBF-geförderten Programms "Umwelt- und Gesellschaftsverträgliche Transformation des Energiesystems“ Gesamtkoordinator von 33 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.

Professor Rainer Grießhammer gibt im Gespräch einen Überblick über Ergebnisse aus 33 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur umwelt- und gesellschaftsverträglichen Transformation des Energiesystems.

Springer Professional: Als Gesamtkoordinator der 33 Verbundprojekte der BMBF-Fördermaßnahme "Umwelt- und gesellschaftsverträgliche Transformation des Energiesystems" mussten sie den Überblick behalten. Welche Kernthemen haben die Forschungsprojekte dominiert?

Prof. Rainer Grießhammer: Durch die Ausschreibung des Programms waren das der Gebäudebereich und die Stromversorgung. Mobilitätsthemen wurden nicht gefördert. Die meisten Projekte untersuchten Möglichkeiten der dezentralen Stromversorgung, sowie Akzeptanz- und die Partizipationsaspekte bei der Energiewende. 

Ein Schwerpunkt war auch das zentral-dezentrale Mischsystem im Strombereich. Zu welchen Erkenntnissen sind sie gekommen?

Durch die geplante Elektromobilität und partiell durch den Einsatz erneuerbarer Energie (EE) bei der Wärmeversorgung wird erheblich mehr erneuerbarer Strom benötigt als bisher geplant. Gleichzeitig stoßen der Bau neuer Windkraftanlagen und der Netzausbau schon seit einigen Jahren vielerorts auf Widerstand. Für das Stromsystem sind bei den vier Dimensionen Erzeugungstechnologien, Erzeugungsstandorte, Flexibilitätsoptionen, Systemsteuerung jeweils eher dezentrale oder eher zentrale Optionen und Mischformen denkbar. Es gibt allerdings kein konsistentes Szenario, das breit akzeptiert ist. Die unterschiedlichen Optionen sollten deshalb vor Erstellung eines neuen Netzentwicklungsplans diskutiert werden. 

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Aspekte der Dezentralität

Eine dezentrale Energieversorgung ist zunächst unabhängig von der Wahl des Energieträgers. Vielmehr spielen Aspekte der verbrauchernahen, in der Fläche verteilten Bereitstellung von Energie – namentlich Elektrizität, Wärme und Kraftstoffe – die maßgebliche Rolle.


Kann man das am praktischen Beispiel veranschaulichen?

In einem Projekt wurden erstmals mögliche Alternativen zum Netzausbau modelliert, die von Umweltorganisationen vorgeschlagen oder erwogen werden. Dabei zeigte sich, dass der Netzausbau tatsächlich partiell ersetzbar ist. Das erfordert dann aber alternative Maßnahmen, beispielsweise einen zusätzlichen Ausbau der Windkraft oder Gaskraftwerksneubau, und damit Maßnahmen, die ihrerseits wieder umstritten sind.

Zur Energiewende gehört auch eine Wärmewende. Zu welchen Ergebnissen sind die Forscher beim Stichwort Sektorkopplung gekommen?

Die energetische Gebäudesanierung muss erheblich beschleunigt werden und es müssen dabei auch mehr erneuerbare Energien und auch Ökostrom z.B. für Wärmepumpen eingesetzt werden. Die Forschungsprojekte zeigen, dass es sehr unterschiedliche und nicht nur finanzielle Gründe für die Zurückhaltung der Hausbesitzer gibt. Empfohlen wird eine noch gezieltere Förderung und ausgefeilte Beratung, jeweils zugeschnitten auf die unterschiedlichen Eigentümergruppen, Gebäudetypen und Quartiere. Zusätzlich sind schärfere Sanierungspflichten für bestehende Gebäude erforderlich. Diese sollten so ausgestaltet sein, dass jeder Hauseigentümer weiß, welchen energetischen Standard sein Gebäude in 2050 erreichen muss. Derartige Verpflichtungen sind jedoch politisch schwer durchsetzbar und werden wohl nur mit deutlich höherer finanzieller Förderung realistisch.

Ein Team vom difu hat einen 'Leitfaden Kommunales Transformations-management' entwickelt. Wo liegen derzeit die zentralen Hemmnisse?

Zuerst einmal gibt es einen Bruch zwischen den Klimaschutzzielen der Bundesregierung und deren tatsächlicher Umsetzung auf lokaler Ebene. Für die Gebäudemodernisierung und den Umbau der Wärmeversorgung gibt es kaum strategische Konzepte, eine zu geringe Nutzung erneuerbarer Energien, und zu wenig Kooperation zwischen Kommune, Wohnungswirtschaft und Energieversorgern.

Eine zentrale Frage bleibt: Wie können die Ergebnisse aller 33 Projekte jetzt transformiert werden?

Für die Praxis gibt es direkt umsetzbare Empfehlungen und Leitfäden, wie etwa zur Stromsparberatung durch Energieversorger, zu Geschäftsmodellen für Stadtwerke, zur Bildung von Energiegenossenschaften oder zur erfolgreicheren Durchführung von Planungen mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Für die Kommunen wichtige Hinweise, z.B. dass die übliche Quersubventionierung des ÖPNV aus der Energieversorgung künftig kaum noch möglich sein wird. Für die Bundespolitik sind es Vorschläge zu Gesetzesänderungen, z.B. zur Modernisierungsumlage bei der Gebäudesanierung. Aber auch neue Herausforderungen wurden deutlich gemacht, wie etwa der sehr hohe zusätzliche Strombedarf durch Elektromobilität.
Informationen zum Forschungsprogramm und den 33 Einzelprojekten: www.transformation-des-energiesystems.de

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