Bis 2050 soll die Energieversorgung in Deutschland komplett auf erneuerbare Energien umgestellt sein. Der damit einhergehende tiefgreifende Wandel des Wirtschafts- und Energiesystems wird nicht ohne Auswirkungen auf Mensch, Natur und Landschaft bleiben. Gleichzeitig kann eine wirklich nachhaltige Energiewende nur im Einklang mit der Natur gelingen.
Das deutsche Genehmigungsrecht stellt heute schon sicher, dass Schutzgebiete und besonders geschützte Arten beim Ausbau von Anlagen zur Energiegewinnung berücksichtigt werden. Daneben setzt die Bundesregierung erhebliche Mittel ein zur Erforschung der unterschiedlichen Auswirkungen der erneuerbaren Energien auf die Natur sowie zur Erarbeitung von Lösungswegen bei möglichen Konflikten.
Drei Szenarien zur naturverträglichen Energiewende
Einen Orientierungsrahmen und Handlungsoptionen für das potenzielle Konfliktfeld Naturschutz und Energiewende liefert eine durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) geförderte Studie mit dem Titel "Naturverträgliche Energieversorgung aus 100 % erneuerbaren Energien 2050". Das interdisziplinäre Forschungsteam unter der Leitung der Leibniz Universität Hannover sollte untersuchen, ob und wie die Ziele der Energiewende mit denen des Natur- und Landschaftsschutzes verbunden werden könnten. Einbezogen war dabei auch der Schutz der Menschen vor Lärmbelastungen und vor Beeinträchtigungen der Erholungsqualität der Landschaft. Die wichtigsten Ergebnisse der in drei Szenarien dargestellten mensch- und naturverträglichen Energieerzeugung im Jahr 2050 zeigen:
- Das landschafts- und naturschonend aktivierbare Stromerzeugungspotenzial in Deutschland reicht in allen drei Szenarien aus, um einen geschätzten Jahresbedarf 2050 von circa 818 Terawattstunden vollständig mit erneuerbaren Energien zu decken.
- Dies ist bereits mit der heute vorhandenen und absehbaren Anlagentechnik möglich, allerdings unter der Bedingung einer sehr ambitionierten Bedarfsentwicklung.
- Die zur Bedarfsdeckung in den Szenarien genutzte Fläche für Windenergieanlagen im Außenbereich umfasst 2050 lediglich circa 0,5 Prozent der deutschen Landfläche.
- Von der Energieerzeugung ausgeschlossen werden rund 355.000 Quadratkilometer. Davon können rund 84 Prozent aufgrund von bereits heute gültigen Kriterien zum Lärmschutz oder wegen Sicherheitsvorschriften nicht genutzt werden.
- Neben dem Ausbau des Übertragungsnetzes muss vor allem auf der Verteilnetzebene ein Ausbau von Netzstationen und Leitungen erfolgen.
- Zur Aufnahme der hohen Einspeisung von Photovoltaikstrom im Sommer und zur Deckung von Nachfragespitzen von Wärmepumpen und E-Mobilität im Winter liegt der Umfang des notwendigen Leitungsausbaus bei etwa 10 bis 20 Prozent.
- Ein intelligenter Netzbetrieb und Batteriespeicher können den konventionellen Netzbaubau deutlich reduzieren.
Technisches Innovationsniveau macht den Unterschied
Trotz der mit Zukunftsprognosen immer verbundenen Unsicherheiten verdeutlichen die drei Szenarien die vorhandenen Möglichkeiten und zeigen Ansätze für strategische Handlungsoptionen. Die Szenarien unterscheiden sich dabei in Bezug auf die Anlagentechnik, die Anlagentypen und die Abstände zu Siedlungen. Zu den zentralen Annahmen zählt in allen drei Zukunftsbildern der Einsatz von Photovoltaik im Siedlungsbereich auf allen sinnvoll nutzbaren Dächern sowie anteilig an Fassaden und auf Verkehrsflächen. Der Außenbereich wird hingegen ausschließlich zur Windkrafterzeugung genutzt. Lokale und über die Anlagentechnik hinausgehende Energieinnovationen wurden in der Untersuchung noch nicht berücksichtigt. Deren ebenfalls wichtige Rolle für die Energiewende zeigen die Springer-Autoren Kathrin Alle, Ulrike Fettke, Gerhard Fuchs und Nele Hinderer im Buchkapitel "Lokale Innovationsimpulse und die Transformation des deutschen Energiesystems".