Gründer entfalten mit ihren Innovationen größere gesellschaftliche Wirkung, als sie es in der Konzern-Welt könnten. Bei den Gründungsaktivitäten hierzulande gibt es aber Luft nach oben. Wie wir für mehr Unternehmertum und Entrepreneurial Economics in Deutschland sorgen können.
Philipp Herkelmann ist General Manager des Talent Investors Entrepreneur First.
Philipp Herkelmann/Entrepreneur First
Die USA prägte in den vergangenen Jahrzehnten den Begriff 'Entrepreneurial Economics'. Der dortige wirtschaftliche Erfolg beruht nach subjektivem Empfinden auf konstantem, kreativem und innovativem Unternehmertum. Jahr für Jahr macht sich eine neue Gründer-Generation ans Werk, stellt den Status Quo in Frage, entwickelt neue, disruptive Produkte. Der Markt befindet sich in einem steten Wandel. Innovationen sind für die Unternehmen Grundvoraussetzungen, um zu bestehen und nicht den Anschluss zu verlieren.
Niemals still stehen, immer in Bewegung bleiben und Bestehendes verbessern gehört zur DNA von Gründern. Das ist keine Phrasendrescherei. Gründer erkennen Defizite, Ineffizienzen und Potenziale am Markt; sie entwickeln neue Lösungen. Sie begeistern Außenstehende von ihrem Produkt und setzen dieses auch gegen Widerstände durch. Schließlich handelt es sich hier um ihre eigene Idee. Ihren Erfolg wollen sie sicherstellen. Und so bieten etwa in Deutschland 16 Prozent der neu gegründeten Start-ups nicht nur innovative Produkte, sondern absolute Marktneuheiten, so der KfW-Gründungsmonitor.
Gründer sind gesellschaftliche Kraftpakete
Dieses kreative Unternehmertum müssen wir in Deutschland fördern. Gründer haben einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einfluss, der nicht vergleichbar mit dem Impact eines Mitarbeiters in einer Konzernstruktur ist. Im State of European Tech des Wagniskapitalgebers Atomico betonen 78 Prozent der Risikokapitalgeber, zwei Drittel der Akademiker und Journalisten sowie knapp jeder zweite Politiker, dass europäische Entrepreneure in den nächsten Jahren mehr zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen als die Politik.
Denn Start-ups erkennen und widmen sich diesen Veränderungen – und dort sind die Business-Opportunitäten entsprechend hoch. Sie begreifen diese Umwälzungen, ganz gleich, ob eine neue Technologie oder ein gesellschaftlicher Trend, als Gelegenheit, eine eigene Nische zu prägen. Vor allem, da Konzerne klassische Zukunftsthemen in der Vergangenheit oft brach liegen ließen. Das macht sich wirtschaftlich bemerkbar. Gemäß Start-up-Genom ist die globale Start-up-Wirtschaft inzwischen drei Billionen US-Dollar wert. Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung der acht größten Automobilhersteller dieser Welt beträgt insgesamt knapp 655 Milliarden US-Dollar, so das Center Automotive Management.
Wir müssen Gründen einfacher machen
Doch die Hürden in Deutschland – gerade für junge, ambitionierte, aber unerfahrene Gründer-Talente – sind hoch. Denn für den Aufbau eines eigenen Start-ups brauchen Entrepreneure Netzwerke, tiefgreifende unternehmerische Expertise und Kapital. Laut der staatlichen Förderbank KfW kostet eine Neugründung schnell mehr als 36.000 Euro. Im Anschluss sind die Start-ups oft auf externes Wachstumskapital angewiesen. Zudem brauchen viele einen Mitgründer, der die eigenen Fähigkeiten ergänzt. Schließlich vereinen nur absolute Ausnahmefälle sämtliche technische und unternehmerische Expertise in einer Person – und können sie auch noch zeitgleich umsetzen, auch, wenn es darum geht Zugang zu Kapital und Mitgründern zu bekommen.
Perspektiven fördern Gründertum
Gründertum in Deutschland hakt nicht an Ideenarmut, sondern an der Perspektive, an einer realistischen Erfolgsaussicht. Diese müssen wir Gründertalenten bieten und Safe Spaces sowie Programme aufbauen, in denen Entrepreneure Mitgründer finden, Netzwerke aufbauen, Produkte entwickeln und skalieren können und Frühphasenkapital erhalten – und schlussendlich ein Unternehmen aufbauen.
Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland bereits Inkubatoren und Innovation Hubs, die in frühen Gründungsphasen unterstützen. Doch sind diese sind nicht zahlreich genug und setzen zu spät an. Gewöhnliche Förderprogramme setzen Ideen, Teams oder Prototypen, also erste handfeste Ergebnisse voraus. Die teilnehmenden Gründer haben sich also schon bewusst zum Aufbau des eigenen Unternehmens entschlossen, den vorherigen Job gekündigt und angefangen an der Umsetzung zu arbeiten. Doch die breite Masse, die vielleicht mit der Idee spielt, etwas eigenes aufzubauen, aber noch die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt, motivieren wir so nicht, in die Vollen zu gehen und das Wagnis Gründertum im Sinne einer Entrepreneurial Economic einzugehen.
Talent-Investoren gesucht
Um nun die Innovatoren von morgen zu ermutigen und die Mutigen zu unterstützen, müssen wir also ideale Startbedingungen schaffen – die Zweifel am Projekt Gründung nehmen. Wir müssen den angehenden Gründern bereits vorm Sprung ins kalte Wasser helfen und nicht erst, wenn diese schon mit den Armen rudern. Vor der Idee, vor dem Teambuilding, vor der Skalierung. Entscheidend sind unternehmerisches oder technisches Talent; und nicht Netzwerke, Vitamin B und ein Kapitalvorsprung.
Schaffen wir es am Anfang des Weges, den Gründern Know-how für die Start-up-Welt und Mitgründer zu vermitteln, finanzielle Stabilität ausreichend zu gewährleisten und ihre unternehmerischen und technischen Talente in wahre Innovationen zu übersetzen, dann schaffen wir frühzeitig Perspektiven und realistische Erfolgschancen.
Und dann überzeugen wir junge Talente, den Schritt als Gründer zu wagen. Das dürfen wir nicht als Rundum-Sorglos-Pakete für angehende Unternehmer missverstehen, sondern dass Innovationen eine faire Chance am Markt erhalten. So fördern wir schlussendlich Unternehmertum in Deutschland und engen Innovationen, Gründergeist und Ideenreichtum nicht länger im starren Korsett der Konzern-Karriere ein.