Fast jeder zweite junge Deutsche kann sich vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen und steht damit für eine Generation, die mit Innovationskraft und dem Wunsch, die Welt zu verbessern, in die Wirtschaft strebt. Doch nur die wenigsten wagen den Schritt.
Es sind vor allem die Gründenden der beiden jüngsten Generationen auf dem Arbeitsmarkt, die getrieben sind von ökologischem Interesse und sozialer Verantwortung. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass sich im Land die Gründungsaktivität verschiebt vom verarbeitenden Gewerbe hin zu technologischen Dienstleistungen und nachhaltigen Geschäftsmodellen. Weniger produzieren und nachhaltig die Welt verbessern, scheint das Anliegen zu sein. An Motivation mangelt es potenziellen Nachwuchs-Entrepreneuren nicht, wohl aber an Selbstvertrauen in ihre unternehmerischen Fähigkeiten und dem notwendigen Know-how. Auch die Angst vor dem mit einer Gründung verbundenen Stress bremst hehre Ambitionen aus, wie aktuelle Studien belegen.
Vielen wollen gründen, wenige beißen sich durch
Sie sind jung, motiviert und willens, nach Schule oder Studium in der Wirtschaft durchzustarten. Die Studie "Gründungsbereitschaft junger Menschen in Deutschland" der Bertelsmann Stiftung zeichnet das Bild einer Generation, die bereit ist, sich ins Unternehmertum zu stürzen. Der repräsentativen Befragung von rund 1.700 jungen Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren zufolge, können sich 40 Prozent durchaus vorstellen, ein Unternehmen zu führen, elf Prozent planen das sogar schon fest ein, die übrigen 29 Prozent sind sich noch nicht ganz sicher.
Am Ende, das belegt der aktuelle Global Entrepreneurship Monitor (GEM) 2023/24 vom RKW Kompetenzzentrum, beziffern sich die Neugründungen in der jüngsten Altersgruppe aber nur exakt auf die von der Bertelsmann Stiftung erhobenen elf Prozent, die das fest einplanen - kein Prozent mehr. Wo sind diejenigen geblieben, die mit dem Gedanken spielten? Dabei liegt gerade bei den Jüngsten viel ungenutztes Potenzial brach.
Denn die Jugend will sich selbstständig machen. In den vergangenen sieben Jahren haben sich laut GEM die Gründungen unter den 14- bis 25-Jährigen Gruppe bereits um mehr als verdreifacht (3,2 Prozent in 2017). Dass junges Unternehmertum gelingen kann, machen ihnen auch die Altersgenossen in den insgesamt gründungsstarken Ländern USA und Niederlande vor - die Gründungsaktivitäten der unter 25-Jährigen belaufen sich dort auf 25 Prozent.
Unternehmensgründung ist eine Frage von Alter, Geschlecht und Familie
Die aktivsten Gründer finden sich dem GEM zufolge unter den 25- bis 34-Jährigen (13,3 Prozent). Danach geht es bergab: Mit zunehmendem Alter versinkt die Gründungsbereitschaft im niedrigen einstelligen Bereich. Letztlich sind nur noch drei Prozent der Befragten zwischen dem 55. Lebensjahr und dem Ruhestand bereit, sich an das Abenteuer Unternehmertum zu wagen. Ein weiteres Problem ist der sich nicht schließen wollende Gender Gap. Nach wie vor gründen vornehmlich Männer und halten sich Frauen zurück: Die Gründungsquote bei den Frauen betrug im vergangenen Jahr 5,9 Prozent und bei den Männern 9,3 Prozent.
Junge Gründung ist weiterhin stark von Vorbildern abhängig. Knapp die Hälfte aller jungen Menschen kennt mindestens eine Gründungsperson persönlich, jede zweite Gründer stammt aus einer Unternehmensfamilie. Dem IAB-ZEW Gründungspanel zufolge verschiebt sich das Gründungsgeschehen junger Unternehmen kontinuierlich von Innovationsprojekten, aus denen Markteinführungen hervorgehen, in Richtung Dienstleistungssektor. Am stärksten trifft dieser Trend das verarbeitende Gewerbe.
Gründung: Jedes Versprechen hat seine Kehrseite
Zurück zur Jugend, warum setzen nur die wenigsten ihre Pläne in die Tat um? Unternehmertum verspricht schließlich Selbstverwirklichung, die Gelegenheit eigene Ideen und Visionen in Geschäftsmodelle oder Innovationen zu integrieren, die sich positiv auf die Gesellschaft auswirken. Unternehmertum eröffnet Chancen auf soziale und ökologische Verantwortungsübernahme. Auf der Belohnungsliste stehen Autonomie, Einfluss, Wohlstand und Ansehen. Alles in allem wirkt das auf junge Menschen attraktiver als angestellte Beschäftigung mit Top-down-Hierarchien.
Die To-do-Liste allerdings schreckt ab. Auf ihr reihen sich bürokratische Anforderungen und strukturelle Hürden, die Kosten und Risiken erhöhen, den Markteintritt schließlich ausbremsen. Beispiele dafür sind Gründungsformalitäten, steuerliche und finanzielle Vorgaben, strenge Arbeitsgesetze und hohe Sozialabgaben sowie fehlendes Know-how zu Kapitalerwerb und Finanzierungsprogrammen. Warum Unternehmensgründungen genau daran scheitern, erfuhr der Bertelsmann-Report von den 14- bis 24-Jährigen: Ihnen fehlt es ihnen vor allem an Selbstsicherheit, Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und unternehmerischem Wissen. Die Geldfrage schreckt übrigens die wenigsten ab.
Barriere | Alle Befragten | Schüler |
Unsicherheit | 24,56 Prozent | 24,42 Prozent |
Zutrauen | 25,4 Prozent | 24,54 Prozent |
Stress | 17,46 Prozent | 17,09 Prozent |
Wissen | 20,31 Prozent | 21,73 Prozent |
Kapital | 3,92 Prozent | 4,03 Prozent |
Partner | 8,36 Prozent | 8,18 Prozent |
Junges Unternehmertum braucht Bildung von der Pieke auf
Das Gründer-Ökosystems (Entrepreneurial Ecosystem) in Deutschland muss attraktiver werden, damit junge Menschen sich trauen ihr Visionen und Ideen umzusetzen. Grundvoraussetzung ist unternehmerische Bildung. Schon Schulkinder können mit gezielter Förderung für unternehmerisches Handeln begeistert werden. Wie Gründerengagement in Lehrplänen verankert werden kann, beschreibt Katharina-Luise Kittler am Beispiel der Forschungsarbeit von Psychologin Teita Bijedic im Buchkapitel "Nachwuchs im Mittelstand dringend gesucht".
Bijedic hat während ihrer Forschungsarbeit zum Thema Entrepreneurship Education ein Curriculum entwickelt, das: "die frühzeitige Öffnung junger Menschen für unternehmerisches Denken und Handeln und die damit einhergehende Entwicklung der unternehmerischen Persönlichkeit durch eine entsprechend inhaltlich, intentional und methodisch ausgestaltete Entrepreneurship Education an Schulen […] das Thema einer optionalen Existenzgründung im späteren Verlauf ihrer beruflichen Karriere stärker in das Blickfeld rücken (kann)". Maßgeblich für das Gelingen solcher Vorhaben ist eine enge Zusammenarbeit von Politik, Schule, Hochschulen und Partnern aus der Wirtschaft.
Institutionelle Desiderata | Konzeptionelle Desiderata |
Formalisierte Implementierung der Förderangebote | Ganzheitliche Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung als übergeordnetes Ziel |
Verankerung der Entrepreneurship Education in der Lehrerausbildung | Inhaltliche Flexibilität der Konzepte |
Unterstützungs- und Belohnungssysteme für Schulen | Handlungs- und Praxisorientierung |
Unterstützungs- und Belohnungssysteme für das Lehrpersonal | Modularerer Aufbau der Konzepte |
Berücksichtigung regionaler Besonderheiten | Sequenzierung gemäß der Stundentaktung des Unterrichts |
Vernetzung mit außerschulischen Partnerorganisationen | Revisionsoffene Qualitätskontrollen |
(Quelle: nach Bijedic, 2013)
Wie ideale Gründungsumgebungen beschaffen sind
Ein funktionierendes Entrepreneurial Ecosystem, begünstigt Gründungsentscheidungen und unternehmerische Aktivitäten so früh wie möglich, das heben auch Marc Helmold, Tracy Dathe und Isabel Dathe hervor. In "Persönlichkeitsmerkmale und Eigenschaften im Entrepreneurship" beschreiben sie die Ressourcen, die den Erfolg der jungen Unternehmung begünstigen - dies sind ausgeprägte unternehmerischen Eigenschaften, unterstützende Personen und Finanzeinrichtungen sowie Vorbilder - und zitieren als Beispiel für ein florierendes entrepreneurial Milieu eine Beschreibung des Silicon Valleys:
Dort existierte ein kohärentes System von günstigen regulatorischen Bedingungen, niedrigen Steuern und Gründungskosten, fehlendem Protektionismus, Forschungsfreiheit, liberalen bilanz- und insolvenzrechtlichen Bestimmungen in Verbindung mit Einwanderungsregeln bestand, die seit dem Immigration Act von 1965 (sog. Hart-Celler-Act) die Zuwanderung von Hochqualifizierten begünstigten" (Rowen, zitiert nach Helmond, Dathe & Dathe, Seite 40).
Doch die USA sind nicht Deutschland und die Umstände, mit denen junge Gründer zu kämpfen haben, lassen sich nicht von dort nach hier kopieren. Warum also gelingt in Deutschland den einen der riskante Schritt und was hält Altersgenossen davon ab? Wie ist es um deutsche Gründungsumgebungen bestimmt? Warum werden Unternehmerkinder zu Unternehmern, während ihre Altersgenossen an Unsicherheit und Selbstzweifeln scheitern?
Gründung gelingt auch ohne genetisches und materielles Erbe
Genetische Veranlagung, schreiben Michael Fritsch, Matthias Menter und Michael Wyrwich in "Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern", sind der Forschung zufolge für die Bildung von unternehmerischen Fähigkeiten nicht zwingend ausschlaggebend. Es zeige sich, "dass der Transfer von Unternehmertum zwischen Generationen nur unwesentlich auf der Weitergabe eines Familienunternehmens an die nachfolgende Generation beruht" (Seite 61). Zwar habe das Vermögen der Eltern einen positiven Effekt, nicht zwangsläufig seien Unternehmer aber wohlhabender als Beschäftigte. Folglich müsse der dominierende Effekt ausgehen von (Seite 61/62):
- der Übertragung von gründungsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen, wie etwa dem Streben nach Autonomie und der Fähigkeit zum Tragen von Risiko, durch die Erziehung der Eltern.
- dem Erwerb allgemeiner Geschäfts- und Management-Qualifikationen durch die Nähe zu den unternehmerisch tätigen Eltern (familiärer Demonstrationseffekt).
- familiären "Peer"-Effekten, wonach die reale Anschauung unternehmerischer Tätigkeit in den Nachkommen den Wunsch oder sogar die Fähigkeit zu Unternehmertum fördert - und nicht etwa abschreckend wirkt.
- Erwerb von branchen- oder unternehmensspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen durch die Nachkommen, eventuell verbunden mit einem relativ leichten Zugang zu relevanten Netzwerken.
Was junge Menschen zu starken Unternehmer macht
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Junge Gründung braucht als verlässliches Fundament ein ermutigendes soziales Umfeld, bestärkende Erziehung, positive Peer-Effekte und die zielgerichtete Berufswahl. Als das unterstützt erfolgreiche Gründerpersönlichkeiten, unabhängig von Herkunft und Geschlecht. "Die Erkenntnisse zu Einflüssen des sozialen Umfelds auf die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten bedeuten, dass man diese Entwicklung teilweise beeinflussen kann", schreiben Fritsch, Menter und Wyrwich. Die Experten der Bertelsmann Stiftung empfehlen auf Basis ihrer Studienergebnisse:
- Bedarfsorientierte Bildungs- und Trainingsinhalte. Workshops und Schülerfirmen, die schon während der Schulzeit unternehmerisches Denken und Handeln fördern sowie relevante Kompetenzen und Wissen für eine Gründung vermitteln.
- Eine gründungsfreundlichere Kultur mit Netzwerken, vor allem in ländlichen Regionen, für Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und junge Menschen. Öffentlichkeit und Medien sollten die Vielfalt von Gründern sichtbarer machen, um das Stereotyp des männlichen, weißen Gründers mittleren Alters aufzubrechen.
- Die politischen Rahmenbedingungen verbessern: Verwaltungsprozesse sollten beschleunigt und Bewerbungsverfahren für Förderprogramme vereinfacht werden. Informationsmaterialien übers Gründen zielgruppengerechter an junge Menschen bringen, vor allem über Social-Media-Kanäle. Ein leichterer Zugang zu Startkapital für Jungunternehmern. Mehr Gründungsstipendien, günstigere Kredite sowie auf junge Menschen spezialisierte Gründerfonds.