Entrepreneure galten als die großen Hoffnungsträger für Innovation Made in Germany. Doch in der digitalen Transformation sind es die Intrapreneure, die Pioniergeist und Mut, anders zu denken, mit Empathie, Kommunikationsstärke und Fingerspitzengefühl für die Unternehmenshistorie vereinen.
Wo immer Traditionsunternehmen in den vergangenen Jahren einen Accelerator oder einen Innovation Hub eröffneten, sollten die Start-up-Unternehmer der Digitalszene die erhoffte Zukunftsfähigkeit bringen. Doch das Klischee der Techies in der Garage, die bei Club-Mate und Pizza an ihrem Unicorn von übermorgen coden, erweist sich für Unternehmen in der digitalen Transformation nicht zwangsläufig als Heilsbringer.
Um im digitalen Zeitalter erfolgreich zu sein, braucht es unternehmerischen Spirit. Doch diesen in Firmen mit Jahrhunderthistorien zu heben, erfordert eine andere Herangehensweise in der Führung als der Aufbau eines Start-ups auf der grünen Wiese. Genau hier liegt der Unterschied zwischen Entrepreneuren und Intrapreneuren.
Markt für Führungskräfte mit Digital-Know-how
Die Digitalwirtschaft und damit auch ihre führenden Köpfe sind der Kinderstube entwachsen - längst deckt der Begriff Start-up-Szene diesen Wirtschaftszweig nicht mehr ab. Laut Atomicos "State of European Tech" haben 38 Prozent der Gründer und Führungskräfte bereits vorherige Erfahrung in mindestens zwei Tech-Firmen gesammelt. Sogenannte Scale-ups, Unternehmen ab Finanzierungsrunden der sogenannten Series-B, sammeln zwei- bis dreistellige Millionensummen ein.
Das bedeutet aber auch: Wachstumsorientierte Mittelständler konkurrieren mit diesen Scale-ups am Talentmarkt. Erstens suchen alle Organisationen händeringend nach Fachkräften. Über alle Branchen hinweg fehlen laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit bereits jetzt mehr als 1,2 Millionen Fach- und Führungskräfte; zweitens müssen ihre bestehenden Mitarbeiter neugierig bleiben und permanent dazulernen.
Die Innovationszyklen sind inzwischen so schnell, dass Fachwissen keine lange Halbwertszeit genießt. Es reicht nicht mehr, die aktuell führenden Spezialisten ihres Fachs einzustellen - sofern man sie überhaupt anwerben kann. Sondern es geht darum, eine Organisation aufzubauen, die dafür sorgt, dass diese Experten ihr Wissen im Sinne des Unternehmens einbringen und fortlaufend vertiefen. Und das braucht Führung.
Führung für die digitale Transformation
Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen steht und fällt mit der Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich fortlaufend weiterzubilden und jeden Tag aufs Neue mit der Erwartungshaltung zur Arbeit zu gehen, dass kein Tag dem anderen gleicht. Neugierde und Kreativität statt Arbeitstrott und Routinen prägen die Arbeitswelt in Unternehmen, die wachsen und sich immer neu auf ihre Märkte einstellen. Fordismus auf den Kopf gestellt, wenn man so will.
Es ist Aufgabe der ersten Führungsebene, Freude auf und Begeisterung für die Welt von morgen – und das unternehmerische Mitwirken an dieser Welt – auf die Beschäftigten zu übertragen. In ihnen das Feuer für Innovation und permanentes Lernen zu entfachen. Und auch Ängste offen zu thematisieren, ohne sie aber den Veränderungsprozess beherrschen zu lassen.
Fehlt der Leadership-Ansatz, entpuppt sich die Transformation im Arbeitsalltag nur allzu rasch als Rohrkrepierer. Murrende und verunsicherte Mitarbeitende, Unverständnis für digitale Tools, Lustlosigkeit, weil die Weiterbildung als Zwangsmaßnahme missverstanden wird, prägen im schlimmsten Fall die Unternehmenskultur in Zeiten des digitalen Wandels.
Klassische Tech-Entrepreneure können in solch einer Situation kaum helfen. Sie können Geschäftsmodelle radikal neu denken, in globalen Dimensionen schnell und ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen agieren, neue Ideen schnell in die Umsetzung bringen, Prozesse auch mal über den Haufen werfen.
Intrapreneuere holen ihre Teams ins Boot
Transformation aber braucht Intrapreneure im C-Level. Die haben ebenfalls den visionären Hang; bringen aber darüber hinausgehend ein hohes Maß an Verständnis für das bestehende Unternehmen als historisch gewachsene Organisation mit. Intrapreneure justieren Prozesse so nach, dass sie auf dem Weg hin zu neuen digitalen Geschäftsmodelle ihre Mitstreiter mitnehmen; sie werfen nicht gleich alles über den Haufen, sondern holen ihre Teams mit ins Boot. Sie leisten in Zeiten des Umbruchs Aufklärungsarbeit, anstatt nur vor den Kopf zu stoßen.
Da den Führungskräften aus diesem Grund zweifelsfrei eine besondere Aufgabe im Rahmen der digitalen Transformation zukommt: Worauf sollten Unternehmen vor beim Besetzen ihres C-Levels besonders achten?
Führungskräfte mit Unternehmergeist finden
Die Crux: Für die Besetzung gibt es kein Patentrezept. Jedes Unternehmen steht vor individuellen Herausforderungen. Daher muss vor jeder neuen Vorstandsbesetzung die Architektur des Unternehmens auf Herz und Nieren analysiert werden: Wie sehen Prozesse aus? Wer entscheidet über was und auf welcher Grundlage? Wie stellt das Unternehmen die Weichen gen Zukunft? Welche Kompetenzen sind vorhanden, welche fehlen? Denn längst nicht jede Führungskraft passt auch vom Mindset zu jedem Unternehmen und jedem Team – und zur jeweils spezifischen Herausforderung. Die Organisationsarchitektur als ganzes muss stimmig sein, damit Dirigent und Chor zusammen finden.
Festhalten lässt sich, dass Intrapreneure nicht nur Erfahrung im Aufbau digitaler Geschäftsmodelle mitbringen, sondern idealerweise auch im Konzern und im Consulting tätig waren. Um die Leadership-Qualität im Besetzungsprozess wirklich zu prüfen, sollte die Auswahl nach vorher festgelegten, klaren und eindeutigen Kriterien erfolgen, über die sich alle Entscheider im Prozess einig sind. Nur so lassen sich schlussendlich die Führungskräfte finden, die Organisation und Team erfolgreich in die digitale Zukunft bringen.