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2008 | Buch

Erfolg durch Desinvestitionen

Eine theoretische und empirische Analyse

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
A. Einführung
Auszug
Ein zentrales Thema der Managementliteratur bildet die Auseinandersetzung mit dem Unternehmenswandel. Dabei steht die strategische Neuausrichtung eines Unternehmens im Vordergrund. Dessen Erfolgsposition wird neu definiert und die Erfolgspotentiale, welche die Basis dieser Erfolgsposition darstellen, werden umgestaltet.1 Diese Umgestaltung von Positionen und Potentialen kann neben Akquisitionen auch Desinvestitionen erfordern. So plant der kanadische Informationsdienstleister Thomson die Finanzierung der Akquisition der britischen Nachrichtenagentur Reuters durch den Verkauf seines Lehrbuchgeschäfts mit dem Ziel, sich auf das Angebot von Börsendaten und -nachrichten zu konzentrieren.2 Der Industriegasekonzern Linde veräußerte Ende 2006 zur Refinanzierung der Akquisition der britischen BOC Group seine Gabelstaplersparte als KION Group an KKR und Goldman Sachs. Zudem konnte durch den Verkauf weiterer größerer Beteiligungen ein wesentlicher Beitrag zum Schuldenabbau geleistet werden.3 Auch bei der Veräußerung der Dial-Lebensmittelsparte in den USA durch Henkel kann die Refinanzierung des von Procter & Gamble akquirierten Deodorant-Geschäfts als Motiv erachtet werden.4 Während die von Infineon geplante Reduktion des 85,9 %-Anteils an dem Speicherchipunternehmen Qimonda auf eine Minderheitsbeteiligung die Trennung von einer gewinnbringenden Tochtergesellschaft bedeutet,5 können Desinvestitionen umgekehrt dem Abstoßen unrentabler Unternehmensbereiche dienen. Exemplarisch können an dieser Stelle der umstrittene Verkauf der defizitären Mobilfunksparte von Siemens an den taiwanesischen Konzern BenQ oder der Verkauf der Großanlagenbautochter Lurgi durch die Gea Group genannt werden.6 Die erwähnten Beispiele verdeutlichen neben der Relevanz der Desinvestitionsthematik auch die Vielzahl von Motiven für derartige Transaktionen.
B. Terminologische Grundlegung
Auszug
Eine einheitliche Definition des Begriffs der Desinvestition existiert weder in der deutsch- noch in der englischsprachigen Literatur. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Untersuchungsschwerpunkt der Autoren lassen sich die Begriffsbestimmungen in enge und weite Definitionen differenzieren. Um die hier zugrundegelegte Definition des Begriffs der Desinvestition i.e.S. abzuleiten, soll zunächst kurz auf das Begriffsverständnis i.w.S. eingegangen werden.
C. Transaktionsmodell proaktiver und reaktiver Desinvestitionen als Bezugsrahmen
Auszug
Um relevante Wirkungsmechanismen der Aktienkursreaktion auf die Ankündigung von proaktiven und reaktiven Desinvestitionen bestimmen zu können, wird im Folgenden das Transaktionsmodell als Bezugsrahmen entwickelt. Dabei lassen sich dem konzeptionellen Rahmen die verschiedenen Theorien zur Erklärung von Wertsteigerungspotenzialen durch Desinvestitionen zuordnen, die insbesondere in der kapitalmarktorientierten Desinvestitionsforschung herangezogen werden.225 Neben den empirischen Ergebnissen aus der kapitalmarktorientierten Desinvestitionsforschung zu relevanten Wirkungszusammenhängen gehen auch die Erkenntnisse konzeptioneller Abhandlungen in das Transaktionsmodell ein. Während der empirisch ausgerichtete, kapitalmarktorientierte Forschungszweig primär inhaltliche Aspekte von Desinvestitionen untersucht, beschäftigen sich insbesondere konzeptionelle Arbeiten häufig mit dem Desinvestitionsprozess.226 In Analogie zur Unterscheidung zwischen der Strategieinhalts- und der Strategieprozessforschung soll hier zwischen der Desinvestitionsinhaltsforschung und der Desinvestitionsprozessforschung unterschieden werden.227
D. Theoretische Erklärungsansätze zur Wertsteigerung durch Desinvestitionen
Auszug
Der neoklassischen Mikroökonomie liegt die Annahme allokativer Effizienz zugrunde. Insofern schließen die traditionellen effizienzorientierten Erklärungsansätze ineffizientes Verhalten aus und basieren auf dem Rationalprinzip.360 Ausgegangen wird von der Prämisse eines i.S.d. Aktionäre rational handelnden, effizienten Managements. Dieses prüft Unternehmensstrategien daraufhin, ob sie effizienz- bzw. wertsteigernd wirken.361 Während beim Erwerb und der Integration von Beteiligungen monetär quantifizierbare Erlössteigerungen und Kostensenkungen durch die Realisierung von Synergiepotenzialen im Vordergrund stehen,362 richtet sich die Motivation einer Desintegration und Veräußerung organisatorischer Teileinheiten überwiegend auf eine Beseitigung von Dyssynergien bzw. Ineffizienzen.363
E. Ereignisstudien zur Messung des Erfolgs von Desinvestitionen
Auszug
Die Ereignisstudie (‚Event Study‘) stellt eine der wichtigsten Formen der Erfolgsuntersuchung im Rahmen von Kapitalmarktstudien dar.528 Die Zielsetzung von Ereignisstudien kann u.a. in der Untersuchung von Höhe und Richtung der Kursreaktion um den Zeitpunkt des Auftretens eines bestimmten Ereignisses bestehen.529 Mittels Ereignisstudien kann somit der Einfluss bestimmt werden, den eine spezifische Information auf die Bewertung des Unternehmens am Kapitalmarkt hat.530 Dabei wird die Reaktion des Kapitalmarkts auf dieses Ereignis anhand der abnormalen Rendite gemessen. Diese wird typischerweise als Differenz zwischen der tatsächlich realisierten Rendite und der erwarteten Rendite modelliert.531
F. Schlussbetrachtung
Auszug
Die Kernfrage der Arbeit, ob Desinvestitionen insgesamt für die Aktionäre des Desinvestitionssubjekts wertsteigernd wirken, ist aufgrund der Auseinandersetzung mit den theoretischen Erklärungsansätzen zu bejahen. Aufgrund der Favorisierung proaktiver Desinvestitionen im Schrifttum wurden die theoretischen Erklärungsansätze auf ihre Eignung zur Differenzierung der wertsteigernden Wirkung in Abhängigkeit von der Proaktivität bzw. Reaktivität der Transaktion hin untersucht. Die bisherige Forschung erweckt durch die Heranziehung der Theorien zur Ableitung von Wertsteigerungspotenzialen mittels proaktiver Desinvestitionen den Eindruck, reaktive Desinvestitionen seien nicht in diesen theoretischen Erklärungsansätzen inbegriffen. Die Untersuchung der Ansätze zeigt, dass sie nicht zu eindeutig unterschiedlichen Schlussfolgerungen für proaktive und reaktive Desinvestitionen führen:
  • Unter Heranziehung effizienzorientierter Erklärungsansätze können keine eindeutigen Aussagen über Unterschiede in den Wertsteigerungspotenzialen proaktiver versus reaktiver Desinvestitionen generiert werden. Vermeintlich umfangreicheren Wertsteigerungspotenzialen bei reaktiven Desinvestitionen durch die Beseitigung von Dyssynergien, die bereits ihren Niederschlag in der Bewertung des Unternehmens am Kapitalmarkt gefunden haben, stehen aus Sicht des Verkäufers Nachteile hinsichtlich der Verhandlungsmacht bei der Veräußerung gegenüber.
  • Anhand der Prinzipal-Agenten-Theorie, die bereits den Übergang zu verhaltenswissenschaftlichen Erklärungen markiert, kann zwar ebenso wie mittels der effizienzorientierten Erklärungsansätze eine grundsätzlich wertsteigernde Wirkung von Desinvestitionen erklärt werden. Allerdings führt auch sie nicht zu einer eindeutigen Aussage hinsichtlich einer besseren Bewertung proaktiver als reaktiver Desinvestitionen. Während auf der zweiten Stufe der Prinzipal-Agenten-Beziehungen im Konzern durch die Beseitigung höherer Beeinflussungskosten im Fall reaktiver Desinvestitionen höhere Wertsteigerungspotenziale abgeleitet werden können, sind die Aussagen für die erste Stufe uneindeutig. Werden die Signalwirkungen proaktiver und reaktiver Desinvestitionen einander gegenübergestellt, so kann aufgrund der höheren Glaubwürdigkeit eines bislang effizient agierenden Managements eine positivere Reaktion auf proaktive Desinvestitionen vermutet werden.
  • Bei Betrachtung des weniger populären Managementmodenansatzes kann insgesamt eine Wertsteigerung durch Desinvestitionen zur Rückführung des Diversifikationsgrads vermutet werden. Eine Dediversifikation bzw. Fokussierung entspricht der Managementmode der Konzentration auf Kernkompetenzen seit den 90er Jahren als Gegenbewegung zur in den 80er Jahren populären Diversifikation. Die Aussagen des Managementmodenansatzes zu reaktiven und proaktiven Desinvestitionen sind ebenso zwiespältig. Die Beurteilung hängt davon ab, ob der Kapitalmarkt eine Umsetzung der legitimierten Konzentration auf Kernkompetenzen durch die Desinvestition als glaubwürdig erachtet oder lediglich als Rationalitätsfassade wertet. Die Vermutung lautet, dass dies insbesondere bei reaktiven Desinvestitionen der Fall ist. Wird die Managementmoden-Theorie um das behavioristische Konzept der Verlustaversion ergänzt, kann eine stärker positive Reaktion auf den reaktiven Fall vermutet werden.
  • Bei dem vierten Erklärungsansatz, den Realoptionen, handelt es sich primär um ein Bewertungsinstrument. Dieses hat zur Erklärung von Wertsteigerungspotenzialen bislang nur vereinzelt Eingang in die M&s&A-Literatur gefunden. Aufgrund der Problematik der Quantifizierbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf das qualitative Konzept zur Berücksichtigung strategischer Optionen Rückgriff genommen. Bei Anwendung der Realoptionen auf die Desinvestitionsthematik wird auf mehrstufige Optionsrechte rekurriert. Da sich durch Desinvestitionen neue Handlungsflexibilitäten ergeben, denen ein eigener Wert beigemessen werden kann, können wertsteigernde Effekte von Desinvestitionen erklärt werden. Da der Ansatz der Realoptionen grundsätzlich auf der Annahme eines aktiven Portfoliomanagements beruht, lässt sich hinsichtlich der Differenzierung zwischen proaktiven und reaktiven Desinvestitionen festhalten, dass proaktive Desinvestitionen im Gegensatz zu reaktiven Desinvestitionen auch ein proaktives Management von Realoptionen vermuten lassen. Somit können für proaktive Desinvestitionen höhere Wertsteigerungspotenziale abgeleitet werden als für reaktive.
Backmatter
Metadaten
Titel
Erfolg durch Desinvestitionen
verfasst von
Olivia Ostrowski
Copyright-Jahr
2008
Verlag
Gabler
Electronic ISBN
978-3-8350-5554-4
Print ISBN
978-3-8350-0976-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5554-4