Blitzentladungen in Form von Wolke-Erde- bzw. Cloud-to-Ground (CG)-Blitzen stellen Herausforderungen für Flughäfen, ihre Infrastruktur und ihr Personal dar. Auch Übertragungsnetze sind als kritische Infrastruktur beispielsweise von Gewitter- und Blitzaktivität betroffen, welche die Systemführung beeinflussen. Bestehende Wettervorhersagemodelle sind zwar in der Lage, Gewitter mit einer gewissen zeitlichen und örtlichen Genauigkeit vorherzusagen, aber kurzfristige Vorhersagen über das Auftreten der ersten Blitzentladung in einem bestimmten Gebiet sind nicht akkurat möglich. Insbesondere der Trend in Richtung Remote-Flugverkehr und das Fehlen von Meteorolog:innen vor Ort machen Entscheidungen noch schwieriger. Durch die Kombination von Daten eines elektrischen Feldmeter-Netzwerks, welches in der Umgebung des Flughafens Graz installiert wurde, Daten des österreichischen Blitzortungssystems ALDIS und Wetterradardaten der ACG werden diese Herausforderungen aufgegriffen und erfolgreich bearbeitet. Aus diesen Daten wurden Parameter entwickelt, um den ersten CG-Blitz im beobachteten Gebiet vorherzusagen. Der analysierte Datensatz umfasst 25 Gewitter aus den konvektiven Gewittersaisons 2022 und 2023, welche zu CG-Blitzen in einem Radius von 5 km um den Flughafen Graz führten. Aus den abgeleiteten Parametern lassen sich Alert- und Shutdown-Vorwarnzeiten für das Auftreten von CG-Blitzen am Flughafen im beobachteten Gebiet erfolgreich vorhersagen. Es wurde eine Shutdown-Vorwarnzeit des ersten CG-Blitzes im 5‑km-Radius von 18,4 Minuten im Median berechnet. Dies führt zu einer erfolgreichen Kurzzeitvorhersage, um die Entscheidungen der Meteorolog:innen zu unterstützen und die persönliche Sicherheit des Personals zu verbessern.
Hinweise
S. Schatz, L. Schwalt, J. Maier, S. Pack und H. Kohlmann sind OVE-Mitglieder.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Einleitung
Beinahe alle Lebensbereiche sind von Wolke-Erde- bzw. Cloud-to-Ground (CG)-Blitzen beeinflusst, darunter zum Beispiel öffentliche Bereiche und elektrische Infrastruktur. Die Auswirkungen reichen vom Ausfall dieser kritischen Infrastrukturen bis hin zu Personenschäden, um nur die gravierendsten zu nennen. Einrichtungen im Freien wie Flughäfen, Umspannwerke und Freileitungen, Baustellen und Freiluftveranstaltungen sind besonders gefährdet, da der genormte Blitzschutz nach bestimmten Wahrscheinlichkeiten ausgelegt ist und große Freiflächen nicht allumfassend mit einer Blitzschutzanlage ausgestattet werden können. Daher müssen in diesen Bereichen zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Personals und Zivilpersonen getroffen werden. Gewitterwarnungen werden dafür z. B. von Meteorologen ausgegeben, die die Wetterlage vor Ort anhand von Informationen über aktuelle Wetterdaten oder die Reflektivität (dBZ) aus Wetterradardaten, beurteilen (Abb. 1).
×
Die Entscheidung, ob der Betrieb am Vorfeld eines Flughafens während Gewitteraktivität stillgelegt wird (Shutdown) liegt aktuell in der Hand von Meteorologen und wird durch das zunehmend ferngesteuerte Flugverkehrsmanagement und das Fehlen eines Meteorologen im Tower vor Ort zusätzlich erschwert. Ein ferngesteuerter Tower (Remote and virtual Tower) kann sich außerhalb des Flugplatzes befinden, für den er eine Dienstleistung erbringt, oder in einem Gebäude auf oder in der Nähe des Flugplatzes, jedoch ohne adäquate direkte Sicht auf den Zuständigkeitsbereich. Die erste Implementierung eines ferngesteuerten Towers, der Flughafen-Flugverkehrsdienste (Air transport services, ATS) inklusive aller Vorschriften und mit vollständiger Visualisierung bietet, wurde 2015 in Schweden genehmigt und in Betrieb genommen. Seitdem sind mehrere ferngesteuerten ATS vom Testbetrieb in den operativen Betrieb gewechselt. Die Zahl dieser ferngesteuerten ATS zeigt sowohl in Europa als auch weltweit einen Aufwärtstrend [1]. Daher gibt es in diesem Bereich großes Interesse an einem Blitz-Vorwarnsystem, welches Meteorologen bei ihren Entscheidungen unterstützen kann.
Anzeige
Auch für Freileitungsabschnitte von Netzbetreibern oder für vorzeitigte Maßnahmen an Umspannwerken kann ein Blitz-Vorwarnsystem genutzt werden. Eine Studie von 2021 [2] beschreibt bereits den Ansatz einer dynamischen Lastflusssteuerung im Übertragungsnetz. In dieser Studie wird beschrieben, wie der Netzbetreiber mit Hilfe eines geeignetes Blitz-Vorwarnsystem angeleitet werden kann, den Lastfluss in einem Bereich mit Gewitteraktivität anzupassen bzw. zu verringern. Dies ist speziell für kritische Bereiche interessant, in denen eine hohe Blitzdichte vorherrscht. Eine Möglichkeit diese kritischen Bereiche zu detektieren, ist die Korrelation von Blitzortungsdaten mit Fehlern bzw. Fehlerabschaltungen im Netz. Hierbei werden Blitzortungsdaten mit Hilfe eines Geoinformationssystems auf Freileitungsdaten bezogen und ausgewertet. Eine Datenintegration bis in die Schaltwarte der Netzbetreiber wurde bereits erfolgreich umgesetzt [3].
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen gibt es bereits veröffentlichte Konzepte wie man CG-Blitze vorhersagen kann. Beasly et al. [4], Silva Ferro et al. [5] und Rodrigues et al. [6] untersuchten jeweils Daten von elektrischen Feldmetern (FM). Beasly et al. [4] verwendeten Daten des Kennedy Space Center Netzwerks (31 FMs) in Florida und stellten fest, dass die Werte des elektrischen Feldes (E-Feldes) in 80 % der Fälle 1 kV/m innerhalb von 10 min vor dem ersten Erdeinschlagspunkt des CG-Blitzes in einem Radius von 10 km überschritten. In 72 % bzw. 66 % der Fälle wurde der Schwellenwert (1 kV/m) für 3 bzw. 6 min überschritten [4]. Silva Ferro et al. [5] nutzten Daten einer einzelnen FM in Sao Jose dos Campos in Brasilien und ermittelten eine durchschnittliche Vorwarnzeit (d. h. die Zeitdifferenz zwischen der Benachrichtigung durch das System und dem ersten CG-Blitz) von 13 min, wenn ein Schwellenwert von 0,9 kV/m überschritten wurde, wiederum für einen Beobachtungsradius von 10 km um ihre FM. Rodrigues et al. [6] untersuchten Daten von sieben FMs zwischen Sao Jose dos Campos und Sao Paulo in Brasilien und präsentierten statistische Werte, z. B. eine durchschnittliche Zeit zwischen dem ersten Impuls im E‑Feld und dem ersten CG-Blitz von 14:41 min.
Mansouri et al. [7] stellten einen auf künstlichen neuronalen Netzen basierenden Ansatz für Kurzzeit-Vorhersagen der gesamten Blitzaktivität (Wolke-Wolke-Blitze (bzw. Intra-Cloud (IC)) und CG-Blitze) vor, der ausschließlich Blitzdaten eines GLM Satelliten (Geostationäre Blitzdetektions-Satelliten, Geostationary Lightning Mapper) GOES-16 verwendet. Sie erzielten eine Verbesserung von 4 %, 12 % und 22 % für Vorwarnzeiten von 30, 45 bzw. 60 min im Vergleich zu herkömmlichen Modellen.
Antonescu et al. [8] untersuchten eine Methode zur Vorhersage des Auftretens von CG-Blitzen anhand von Wetterradardaten aus Rumänien. In den Jahren 2003 und 2005 beobachteten sie Gewitter mit Hilfe von Doppler-Radardaten von fünf S‑Band und drei C‑Band Radarstationen in Kombination mit Daten des rumänischen Blitzortungssystems (Lightning Location System, LLS) basierend auf acht SAFIR-3000 Stationen. Ihr bester Vorhersagewert für das Einsetzen von CG-Blitzen für ein Gebiet über Südrumänien war eine mittlere Vorwarnzeit von 17 min.
Anzeige
Ribeiro et al. [9] verwendeten mehrere Datensätze bestehend aus LLS-Daten von 56 BrasilDAT Sensoren, dreidimensionalen Blitzdaten eines LMA (Netzwerk zur Abbildung des Blitzkanals bzw. Lightning Mapping Array) mit 12 Sensoren, S‑Band Wetterradardaten, meteorologischen Satellitendaten (GLM GOES-13 und Meteosat Second Gen) und Daten eines numerischen Wettermodells (ERA5), um ein blitz- und hagelerzeugendes Gewitter zu analysieren. Sie präsentierten die vorherrschenden physikalischen Parameter während des Gewitters, aber keine Vorwarnzeiten [9].
Trotz des Vorschlags, ein Gewitterwarnsystem (Thunderstorm Warning System, TWS) mit Daten aus verschiedenen Quellen zu verwenden, gibt die IEC 62793 nur Vorwarnzeiten für ein TWS an, das auf archivierten Blitzdaten aus den Jahren 2000 bis 2014 basiert [10].
Im Gegensatz dazu werden in der vorliegenden Studie drei verschiedene Datenquellen wie FM,- LLS-, und Wetterradardaten für die Datenanalyse und Vorhersage der ersten CG-Blitze kombiniert. Die FM-Daten werden über ein Netzwerk von vier FMs aufgezeichnet (Abb. 1), die speziell für dieses Projekt installiert wurden. Dies ermöglicht die Überwachung eines Bereichs von bis zu 8 km um ein ausgewähltes Ziel. Das FM-Netzwerk liefert zudem Richtungsinformationen und ist Redundant im Vergleich zum Betrieb eines einzelnen Feldmeters.
2 Flughafen Management – Alert und Shutdown
Von allen genannten betroffenen Einrichtungen konzentriert sich dieses Projekt auf die Vorwarnzeiten für die Alarmierung (Alert) und Stilllegung (Shutdown) eines Flughafens bei Gewitteraktivität (Abb. 2, Phase 1 und 2). Von besonderem Interesse ist die Zeitoptimierung, die im Hinblick auf die Personensicherheit durchgeführt wird. Das Zentrum des installierten elektrischen FM-Netzes ist daher der Flughafen Graz in Österreich. Die Überlegungen der vorliegenden Studie basieren auf den Spezifikationen der International Air Transport Association (IATA) für Flughäfen. Die Radien von 8 km bzw. 5 km um einen Flughafen sind bei herannahenden Unwettern für die derzeitige Handhabung von Alerts und Shutdowns von besonderer Bedeutung. Bei Auslösung eines Alerts sind Vorbereitungen für die Shutdown-Phase zu treffen, z. B. sind nicht wesentliche Tätigkeiten auf Freiflächen einzustellen, der Betankungsdruck zu verringern oder die Verwendung von hochleitenden Gegenständen zu vermeiden (Abb. 2, Phase 1). Bei Einleitung eines Shutdowns müssen die Personen Schutz suchen und alle Aktivitäten auf dem Vorfeld eingestellt werden, z. B. Betankung, Flugzeugabfertigung (Abb. 2, Phase 2) [11]. Nachdem die Blitzaktivität abgeklungen ist oder das Gewitter aus dem 5‑km- und 8‑km-Radius abgezogen ist, kann die Entwarnung ausgegeben werden (Abb. 2, Phase 3).
×
3 Daten
Analysierte Gewitter
Die Analyse kombiniert drei verschiedene Datenquellen: Ein elektrisches FM-Netzwerk, das in der Umgebung des Flughafens Graz in Österreich installiert ist, das Austrian Lightning Detection and Information System (ALDIS) und das österreichische Wetterradar-System, das von der Austro Control GmbH betrieben wird [12].
Für die vorliegende Arbeit wurden 25 Gewitter mit CG-Blitzen in einem Beobachtungsgebiet von 5‑km-Radius analysiert. Sie wurden während der warmen Gewittersaison 2022 und 2023 (Mai bis September) an 23 Gewittertagen aufgezeichnet. Ein potenzielles 26. Gewitter mit einem einzelnen CG-Blitz wurde nach Prüfung der LLS-Rohdaten durch ALDIS aus der Analyse ausgeschlossen, da sich der CG-Blitz als falsch klassifiziert erwies.
Elektrisches Feldmeter Netzwerk
Vier elektrische FMs des Netzwerks befinden sich im Umkreis von 5 km um den Flughafen Graz (eine in jeder Himmelsrichtung, Abb. 1), die kontinuierlich E‑Felddaten aufzeichnen und somit Daten für alle analysierten Gewitter liefern. Die elektrischen FMs (CS110 von Campbell Scientific) wurden im Juli und August 2022 durch das Team der Technischen Universität Graz installiert.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Feldmühlen (Feldmeter mit rotierender und geerdeter Blende) verfügt das verwendete Feldmeter über eine oszillierende, geerdete Blende. Der Vorteil ist eine vordefinierte Belichtungsposition des Sensors, mit dem Ziel, abdriftende Messungen zu vermeiden. Der Messbereich des CS110 beträgt ± 22300 V/m und die FM wird auf einem Zwei-Meter-Stativ mit dem Sensor nach unten montiert, um das Eindringen von Staub und Wasser zu verhindern. Aufgrund des Einflusses der Montageposition und der Auswirkungen unterschiedlicher Standorte (z. B. Höhe, Abschattung) auf die E‑Feld-Messungen werden Korrekturfaktoren angewendet [12]. Die Frequenz der Blende ist auf 1 Hz eingestellt, was bei jeder FM zu einem E‑Feld-Messwert pro Sekunde und 86.400 Messwerten pro 24 h führt.
Blitzortungsdaten
Das Austrian Lightning Detection and Information System (ALDIS) betreibt in Österreich ein Netz von acht Vaisala LS7002-Sensoren [13]. Seit 2000 ist ALDIS Teil der European Cooperation for Lightning Detection (EUCLID), einem Netzwerk von derzeit 173 Sensoren. Mit der Aufnahme des LLS BLIDS im Jahr 2023 betreibt ALDIS nun 50 Sensoren in 11 europäischen Ländern. Die Technische Universität Graz ermittelte eine Detektionseffizienz (DE) und Ortungsgenauigkeit (LA) von 96 % bzw. 100 m für negative CG-Blitze [14]. Trotz dieser hohen DE und LA hängt die Detektion entscheidend von der Anzahl der Sensoren ab, die die detektierten Signale weiterleiten, wobei die Detektierbarkeit für einzelne Blitzentladungen variieren kann [15].
Wetterradardaten
Die Austro Control GmbH (ACG) liefert die Wetterradardaten für diese Analyse [12]. Die ACG betreibt vier C‑Band Radarstationen in Österreich (Patscherkofel – Tirol, Feldkirchen – Salzburg, Rauchenwarth – Wien und Zirbitzkogel – Kärnten) mit einer sogenannten Interleave-Scanning-Strategie. Um ein Bild der beobachteten atmosphärischen Region zu erhalten, wird der Elevationswinkel mit jeder Drehung der Radarantenne verändert. Dies geschieht in zwei Halbscans. Jeder Halbscan besteht aus acht Scans von oben nach unten [16]. Nach einer Zeit von fünf Minuten ist die Abtastung aller sechzehn Elemente abgeschlossen und aus den Daten aller vier Radarstationen wird ein zusammengesetztes Bild mit der Bezeichnung Constant Altitude Plan Position Indicator (CAPPI) erzeugt. Das CAPPI-Bild hat eine Auflösung von 1 × 1 km2 pro Pixel [17]. Aus den sechzehn Schichten wurden Maximalwertprojektionen (MaxCAPPI) berechnet, wobei die Maxima der einzelnen Pixel ausgewählt werden (siehe Abb. 1). Dies führt zu insgesamt 288 Radarbildern pro Tag, eines für jeweils fünf Minuten.
4 Datenverarbeitung
Die LLS-Daten von ALDIS wurden verwendet, um Gewittertage zu finden, die einen CG-Blitz innerhalb des 5‑km-Radius enthalten. Dazu wurden die LLS-Daten für die Gewittersaisonen 2022 und 2023 nach CG-Blitzen innerhalb des eingegrenzten 5‑km-Radius um den Flughafen Graz gefiltert.
Ein Vergleich der E‑Feld-Daten, unter Ausschluss von unvollständigen Datensätzen (fehlende E‑Feld‑, LLS- oder Wetterradardaten), führte zu 25 Gewittertagen für die Analyse. Für diese Tage liegt ein vollständiger Datensatz von E‑Feld‑, LLS- und Wetterradardaten vor. Die gesamten Daten wurden nach Tagen sortiert und in MATLAB verarbeitet. Aufgrund des verwendeten Datensortieralgorithmus beträgt die beobachtete Zeitspanne vor dem ersten CG innerhalb des 5‑km-Radius 90 min. Für die FM-Netzwerkdaten wurden die E‑Feldwerte als separate Daten jeweils für die vier FMs verarbeitet. Da die gewitterbedingten atmosphärischen E‑Felder durch Blitzentladungen gestört werden, wurden alle FM-Signale mit gleitenden Mittelwertfiltern über 5 min gefiltert, um diesen Einfluss zu begrenzen.
Die LLS-Daten wurden in Arrays nach ihrem Typ (IC, negativer CG oder positiver CG) mit dem jeweiligen Zeitstempel und der vom LLS geschätzten Entfernung des Entladungsortes zum Flughafen Graz sortiert.
Auf den MaxCAPPI-Bildern der Wetterradardaten wurden, unter Verwendung von zwei binären Masken, der 5‑km- und 8‑km-Radius definiert (der 5‑km-Radius wird als Kreis definiert, der 8‑km-Radius wird als Ring zwischen 5‑km- und 8‑km-Radius definiert). Für jedes dieser Gebiete werden der Verlauf des Maximalwerts, des 90. Perzentils und des Medians berechnet. Die Radardaten haben eine zeitliche Auflösung von 5 min, das Sichtfeld des Radars ist durch die Topographie eines Gebiets begrenzt.
Um FM-, LLS- und Wetterradardaten zu vergleichen und Kreuzberechnungen zwischen diesen Datenquellen zu ermöglichen, wurden sie in Bezug auf die Array-Länge und den Zeitstempel angeglichen. Um einen ersten Ansatz für Blitzwarnkriterien zu erhalten, wurden aus diesen Datensätzen bestimmte Parameter ermittelt. Die untersuchten Parameter beschreiben die verstrichene Zeit zwischen der Erfüllung der folgenden Kriterien und dem Auftreten des ersten CG-Blitzes innerhalb des 5‑km-Radius:
IC in 5 km: Erster IC-Blitz im 5‑km-Radius wurde vom LLS detektiert
IC/CG in 8 km: Erster IC-Blitz oder CG-Blitz wurde zwischen dem 5‑km- und 8‑km-Radius detektiert
90. Pztl > 30 dBZ: Mehr als 90 % der Pixel (90. Prozentil) im 5‑km- oder 8‑km Radius weisen eine Radarreflektivität von mehr als 30 dBZ auf
Median > 20 dBZ: Mehr als 50 % der Pixel (Median) weisen eine Radarreflektivität von mehr als 20 dBZ im 5‑km- oder 8‑km-Radius auf
∑(Max dBZ) > THdBZ: Die Summe der maximalen Reflektivitätswerte im 5‑km und 8‑km-Radius übersteigen einen bestimmten Schwellwert (Threshold, TH)
∑(90. Pztl) > THdBZ: Die Summe der 90. Prozentil Reflektivitätswerte im 5‑km und 8‑km-Radius übersteigen einen bestimmten Schwellwert (Threshold, TH)
Nulldurchgang E‑Feld: Nulldurchgang im E‑Feldverlauf in einem der vier Feldmeter
|E-Feld| > 1 kV/m: Der Absolutwert des E‑Feldverlaufs einer der vier Feldmeter übersteigt einen Schwellwert von 1 kV/m
∑|E-Feld| > 2 kV/m: Die Summe der Absolutwerte der E‑Feldverläufe aller vier Feldmeter übersteigt einen Schwelltwert von 2 kV/m
Aus diesen Parametern wurden Alert- und Shutdown-Kriterien entwickelt. Zu diesem Zweck wurden die oben genannten Parameter logisch miteinander verknüpft. Das bedeutet, dass ein Alert ausgelöst wird, wenn z. B. der Median der Reflektivität im 5‑km oder 8‑km-Radius 20 dBZ oder das 90. Perzentil der Reflektivität 30 dBZ überschreitet und der absolute E‑Feldwert 1 kV/m übersteigt. Zusätzlich wurde ein übergeordnetes Kriterium implementiert, das immer dann zu einem Shutdown führt, wenn mindestens ein CG-Blitz zwischen dem 5‑km und 8‑km-Radius detektiert wird. Für die automatische Auslösung eines Shutdowns müssen die Alert-Kriterien weiterhin erfüllt sein und weitere ausgewählte Parameter müssen bestimmte Schwellenwerte überschreiten.
5 Ergebnisse
Parameter für Shutdowns und Alerts
Die Ergebnisse der Analyse der in Abschn. 4 beschriebenen Parameter sind in Abb. 4 als Boxplots dargestellt. Diese Boxplots zeigen den Median, die 25. und 75. Perzentile sowie die Mindest- und Maximalwerte der Vorwarnzeit in Minuten für jeden Parameter und die Ausreißer als rote Kreuze. Die obere Grenze in Abb. 4 stellt die Vorwarnzeitbeschränkung von 90 min dar. Der Median der Vorwarnzeit für einen IC innerhalb des 5‑km-Radius beträgt 12,2 min, was zur kürzesten Vorwarnzeit führen würde. Für einen IC- oder CG-Blitz im Bereich zwischen 5 und 8 km beträgt der Median der Vorwarnzeit 18,8 min. Mit Vorwarnzeiten von 36,0 bis 38,9 min im Median für die Radarparameter „∑(Max dBZ) > THdBZ“, „∑(90. Pztl) > THdBZ“, „90. Pztl > 30 dBZ“, „Median > 20 dBZ“ liegen diese jeweils in einem ähnlichen Bereich. Die mediane Vorwarnzeit für die Parameter „|E-Feld| > 1 kV/m“ und „∑|E-Feld| > 2 kV/m“ liegt mit 45,7 min bzw. 44,8 min ebenfalls in diesem Bereich. Die längste Vorwarnzeit ergibt sich für den Zeitpunkt des „ersten Nulldurchgangs“ mit einem Median von 67,1 min.
Alert und Shutdown Vorwarnzeiten
Durch die Entwicklung eines logisch verknüpften Satzes von Parametern wird eine automatische Auslösung von Alerts und Shutdowns ermöglicht. Ein Überblick über die daraus resultierenden Vorwarnzeiten für Alerts und Shutdowns ist in Abb. 3 zu finden.
×
Die 25 Fälle verschiedener Gewitter mit einem CG-Blitz im Umkreis von 5 km um den Flughafen Graz sind nach Shutdown-Vorwarnzeiten aufsteigend sortiert. Der Zeitpunkt des Auftretens des ersten Gewitterblitzes im Umkreis von 5 km ist in der Spalte „Erster CG-Blitz in 5 km“ angegeben. Die Vorwarnzeiten reichen von 2,0 min bis 84,0 min. Der Median der Shutdown-Vorwarnzeiten beträgt 18,4 min. Die niedrigste Vorwarnzeit von 0,9 min (51 s) wurde bei der Analyse der Bandbreite nicht berücksichtigt, da diese Vorwarnzeit für eine Person möglicherweise nicht ausreicht, um Schutz zu finden. Dennoch wurde auch in diesem Fall ein Alert vor dem Shutdown ausgegeben, bevor der erste CG-Blitz innerhalb des 5‑km-Radius auftritt.
Die Mindest- und Maximalwerte für die Alert-Vorwarnzeit betragen 2,4 und 90,0 min. Der Medianwert liegt bei 40,8 min. Es ist zu beachten, dass die maximale Vorwarnzeit auf 90 min beschränkt wurde, was in Abschn. 3.1 erläutert wird. Diese Beschränkung wirkt sich in der Auswertung auf den Fall 22 und den Fall 25 aus. In zwei Fällen (Fall 2 und Fall 15) werden Alert und Shutdown gleichzeitig ausgelöst, indem die entsprechenden Parameter erfüllt werden.
6 Fazit und Ausblick
Obwohl Ansätze mit mathematischen Modellen, maschinellem Lernen und künstlichen neuronalen Netzen für Kurzzeitvorhersagen von Blitzen untersucht und veröffentlicht wurden [7, 8], liefern sie noch keine genaue Vorhersage oder Lokalisierung. Die Boxplots in Abb. 4 zeigen, dass die Verwendung von einzelnen Parametern zu einer großen Streuung hinsichtlich des Zeitpunkts der Auslösung eines Alerts oder eines Shutdwons führt.
×
Die Analyse von FM-, LLS- und Wetterradardaten von 25 Gewittern mit CG-Blitzen in einem Beobachtungsgebiet von 5‑km-Radius um den Flughafen Graz ergab neun prädiktive Parameter zur Vorhersage des ersten CG-Blitzes. Durch die logische Verknüpfung dieser Parameter konnte für alle Fälle der Jahre 2022 und 2023 ein Shutdown erfolgreich eingeleitet werden. Durch die Verknüpfung mehrerer Parameter werden unzureichende Vorwarnzeiten eines einzelnen Parameters (z. B. Nulldurchgang des E‑Feldes), das Ausbleiben eines Shutdowns trotz Gewitteraktivität oder falsch positive Ergebnisse vermieden. Die Parameter scheinen auch für künftige Gewitter in dem Gebiet einheitlich anwendbar zu sein. Betrachtet man die Ergebnisse, so ist der wichtigste Parameter für die Zeitoptimierung die Shutdown-Vorwarnzeit. Unter Berücksichtigung des Personenschutzes erscheint eine Vorwarnzeit von 0,9 min kurz (Abb. 3, Fall 1), nutzt man jedoch zusätzlich auch die Alert-Vorwarnzeit von 50,0 min kann selbst dies ausreichen, um Schutz in einem Fahrzeug oder einem Gebäude zu suchen. Der Median der Shutdown-Vorwarnzeit ist 18,4 min und liegt damit im Bereich der Vorwarnzeiten aus früheren Veröffentlichungen von Silva Ferro et al. [5] (13 min), Rodriguez et al. [6] (14:41 min) und Antonescu et al. [8] (17 min). Es ist hervorzuheben, dass die Lokalisierung, die im Rahmen dieser Publikation präsentiert wird, aufgrund des kleinen Beobachtungsbereichs von Blitzen innerhalb eines 5‑km-Radius verglichen mit vorangegangen Veröffentlichungen eine sehr hohe Genauigkeit aufweist.
Die Shutdown-Vorwarnzeiten von 74,9 min und 84,0 min (Fall 24 und Fall 25) sind für einen operativen Flughafenbetrieb zu lang. Zukünftig wird versucht, eine Vorwarnzeit von maximal 30 min zu erreichen. Aufgrund eines speziellen, übergeordneten Kriteriums kann die Alert-Vorwarnzeit nicht kleiner sein als die Shutdown-Vorwarnzeit. Es gibt also keinen Fall, wo das Alert-Kriterium erst nach dem Shutdown-Kriterium erfüllt wird. Bei den Fällen 3 und 15 treten der Alert und der Shutdown gleichzeitig ein, wobei die Vorwarnzeiten im 5‑km-Radius in diesen Fällen bei 2,4 min bzw. 20,1 min liegen.
Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit können zukünftig auch in öffentlichen Bereichen und Anlagen der elektrischen Infrastruktur zum Einsatz kommen. Ähnliche Ansätze von Blitz-Vorwarnsystemen mit denen Netzbetreiber bei der Lastflusssteuerung während einer Gewitteraktivität unterstützt werden, konnten bereits erfolgreich umgesetzt werden [2, 3].
Um diese Arbeit zu vervollständigen, werden für jedes analysierte Gewitter Auflösekriterien für Alerts und Shutdowns entwickelt, welche das letzte Auftreten eines CG-Blitzes innerhalb des 5‑km- und 8 km-Radius vorhersagen. Die derzeit für die Analyse verwendete 90 min Vorwarnzeitbeschränkung wird in Zukunft durch eine kontinuierliche Analyse der Daten in Echtzeit ersetzt.
Danksagung
Die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG-Grant 888118), die Technische Universität Graz, Austro Control GmbH und der Flughafen Graz unterstützen diese Forschungsarbeit. Wir bedanken uns bei unserem Kollegen R. Kaltenböck (ACG) für seine Hilfe bei der Analyse von Wetterradardaten und der Klassifizierung von Gewittertypen.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.