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Erschienen in:

Open Access 24.04.2023 | Angewandte Geographie

Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten

verfasst von: Carolin Schack, Thomas Neise, Martin Franz

Erschienen in: Standort | Ausgabe 2/2024

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Zusammenfassung

Gewerbegebiete bieten eine Fülle an Potenzialen für eine zukunftsorientierte und klimaangepasste Stadt- und Regionalentwicklung. Um eine nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten zu erreichen, ist ein kontinuierliches Engagement von kommunaler Seite und die Begleitung der lokalen Unternehmen notwendig, damit die Bemühungen nicht schon nach wenigen Jahren ins Leere laufen. Ältere Gewerbegebiete stellen hierbei aufgrund ihres häufig hohen Versiegelungs- und Kontaminationsgrades eine besondere Herausforderung dar. Mittels einer Governance-Perspektive werden in diesem Beitrag die Erfahrungen des Projekts „Grün statt Grau – Gewerbegebiete im Wandel“ evaluiert, welches Konzepte zur nachhaltigen Transformation bestehender Gewerbegebiete entwickelt hat. Anhand von Expert*inneninterviews und einer Online-Befragung werden die Erfolgsfaktoren für eine Verstetigung der nachhaltigen Entwicklung von Gewerbegebieten dargelegt sowie Handlungsempfehlungen abgeleitet. Es wird herausgearbeitet, dass bewährte Mechanismen und Hebel, die zu einer langfristigen Verstetigung beitragen, sich häufig auch in anderen Kreisen, Städten und Gemeinden reproduzieren lassen. Hemmnisse müssen dazu jedoch frühzeitig angesprochen und im besten Fall präventiv verhindert werden.

Einleitung

Bestehende Gewerbegebiete sind häufig geprägt von einem hohen Versiegelungsgrad (siehe Abb. 1), brachliegenden Flächen, kontaminierten Böden, Hitzeinseln, mangelhaften Infrastrukturen, Verkehrsproblemen und in der Folge auch einem negativen Image (z. B. Betker 2013; BBSR 2016). In den letzten Jahrzehnten sind zunehmend neue Konzepte entstanden, die einen höheren gestalterischen Anspruch und eine nachhaltigere Entwicklung von Gewerbegebieten fordern. Dahinter steht nicht nur der Bezug zu übergeordneten Nachhaltigkeitszielen, sondern auch, dass solche Faktoren in Zukunft entscheidend für die Attraktivität von Gewerbegebieten gegenüber Unternehmen und Arbeitskräften sein werden. Funk und Leuninger (2014, S. 156) betonen, dass Unternehmen auf der Suche nach Standorten „anspruchsvoller“ und die „Nachfrage differenzierter“ geworden ist. Eine nachhaltige oder auch nur attraktivere Gestaltung kann dabei ein Faktor der Differenzierung sein. Eine ökologisch qualitätsvolle Gestaltung (siehe Abb. 2) kann aber noch andere Funktionen von Gewerbegebieten stärken bzw. leisten (Sieber 2019). Insgesamt sollen nachhaltige Gewerbegebiete dazu dienen, einen Beitrag zur höheren Biodiversität, Klimaanpassung sowie geringerer Versiegelung, Luftverschmutzung und Lärmbelästigung zu leisten.
Im Rahmen des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekts „Grün statt Grau – Gewerbegebiete im Wandel“ (2016 bis 2022) wurden in den Kommunen Bocholt, Frankfurt am Main, Gronau, Iserlohn, Lengerich, Marl, Remscheid, Vreden, Waldbröl und Wallenhorst Konzepte und Maßnahmen erarbeitet und erprobt, wie Gewerbegebiete attraktive Bestandteile einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung werden können. Hierzu zählen beispielsweise Entsiegelungsmaßnahmen, Baumpflanzungen, das Anlegen von Blühwiesen oder die Gründung eines lokalen Unternehmensvereins. Im Rahmen des Projekts wurden Flächeneigentümer*innen und -pächter*innen in den Gewerbegebieten beraten, wie sie ihre Flächen gestalten können, wer sie dabei unterstützen kann und welche Vorteile dies für sie hat (siehe Schack et al. 2021).
In diesem Beitrag wird herausgearbeitet, welche Faktoren die Entwicklung von nachhaltigen Gewerbegebieten fördern können. Dazu wurden die Erfahrungen aus sechs Jahren des Projekts „Grün statt Grau“ mittels einer standardisierten Online-Befragung sowie qualitativen Expert*inneninterviews erhoben, um Erfolgsfaktoren zu identifizieren sowie Handlungsempfehlungen für den Verstetigungsprozess abzuleiten.
Zunächst wurden für den Forschungsprozess drei leitfadengestützte Interviews mit Beteiligten in den Projektkommunen geführt. Anschließend fand von Juli bis September 2021 eine Online-Befragung statt, an der Mitarbeiter*innen der Projektkommunen ebenso teilnahmen wie Akteur*innen aus anderen Kommunalverwaltungen sowie Kammern, Verbänden, Stiftungen und Universitäten, die in das Projektnetzwerk eingebunden waren. Insgesamt haben 263 Personen teilgenommen.
Im Folgenden werden die Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten identifiziert. Diese werden gegliedert in die Bereiche strukturelle Verankerung in der Verwaltung und im Gewerbegebiet, Einbindung von Unternehmen, kommunale Instrumente sowie Erfahrungsaustausch und Bildung. Schließlich wird ein Fazit gezogen und Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Erfolgsfaktoren

Aus der Umfrage und den Projekterfahrungen lassen sich folgende Faktoren ableiten, die zu einer erfolgreichen Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen in Gewerbegebieten sowie einer Verstetigung beitragen:

Strukturelle Verankerung in der Verwaltung

Die größten Hemmnisse seitens der Verwaltung sind Personalmangel und fehlende finanzielle Ressourcen. Hier gilt es, die Budgetierung von Haushaltsmitteln vorausschauend zu planen, die zeitliche Komponente zu berücksichtigen, sich ggf. auf Fördermittel zu bewerben, um zunächst zumindest temporäre Stellen zu schaffen und Akzeptanz und Offenheit gegenüber dem Thema Nachhaltigkeit – auch aufseiten der Politik – herzustellen. Meist haben die Kommunen im bestehenden Personal keine Kapazität, um eine/einen Verantwortliche*n für das Thema nachhaltige Gewerbegebietsentwicklung aufzustellen. Dadurch fehlt eine Person, die sich dauerhaft um die Belange in den Gewerbegebieten kümmert. Befristete Projektstellen oder Personalwechsel gefährden eine nachhaltige Verankerung der Thematik:
„… weil sich sonst keiner wirklich verantwortlich fühlt bei uns. Meine Stelle endet ja dann einfach und wenn da nichts weiterläuft, dann wird das einfach im Sande verlaufen. … Ja, ich glaube auch, es geht nur, wenn es gefördert ist. Bei uns sind einfach schon für die normalen Umweltaufgaben viel zu wenig Leute da“ (Interview Projektkommune C).
Die Besetzung des Themas durch unbefristete Stellen kann hingegen für dauerhafte Kapazitäten sorgen und damit die Transformation über einen längeren Zeitraum voranbringen (vgl. Walter 2019). Dauerstellen mit dem Thema zu betrauen, ist damit ein wichtiger Erfolgsfaktor für die nachhaltige Gewerbegebietsentwicklung. Dabei darf die zuständige Person aber nicht isoliert agieren. Für eine Verstetigung muss das Wissen und die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden.
Der Aufbau selbsttragender Strukturen im Gewerbegebiet sowie eine fachübergreifende Zusammenarbeit in der Kommunalverwaltung bilden eine stabile Basis für eine projektunabhängige Weiterentwicklung nachhaltiger Gewerbegebiete. Das können fachbereichsübergreifende Arbeitsgruppen sein, die bedarfsorientiert oder regelmäßig Abstimmungstreffen durchführen. Besteht eine Zusammenarbeit mit anderen Beschäftigten, so sind diese in der Regel im gleichen oder benachbarten Fachbereich tätig (siehe Abb. 3). Daran lässt sich feststellen, dass sich dort einfacher Verbündete finden lassen, mit denen das Thema nachhaltige Gewerbegebiete gemeinsam vorangebracht werden kann. Dies wird als Schlüsselelement für Verstetigungsprozesse angesehen:
„Am wichtigsten finde ich innerhalb der Verwaltung, dass ich [Umweltbeauftragte] bei einem Grundstückskauf direkt mit eingebunden werde. … Gut wäre, wenn die Wirtschaftsförderung da auch noch ein wenig mehr hinter steht und den Gewerbetreibenden immer wieder an das Projekt erinnert“ (Interview Projektkommune A).
Wenn Fachbereiche von Beginn an zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen, kann das Thema schneller und mit mehr Akzeptanz angegangen werden (vgl. Walter 2019). Die Interviews zeigen jedoch auch, dass Zielkonflikte in der intrakommunalen Zusammenarbeit ein großes Problem sind und das Thema nachhaltige Gewerbegebiete gemäß den originären Zielvorstellungen der Fachabteilung angegangen wird:
„Grün ist toll, aber die Wirtschaftsförderung will natürlich Grundstücke verkaufen, … und die Stadtplanung will Einfamilienhäuser schaffen. … Das ist natürlich sehr schwierig, weil wir eben auch nicht mit Grün Geld verdienen. Da wäre es schön, wenn man das so … hinkriegen würde, dass alle sowas direkt mitdenken“ (Interview Projektkommune B).
Hier gilt es, für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, indem bspw. Mitarbeitende geschult werden oder von Konzepten und Umsetzungen anderer Kommunen lernen. Wichtig ist zugleich, dass gemeinsame Zielsetzungen definiert werden.

Strukturelle Verankerung im Gewerbegebiet

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist der Aufbau von stabilen Strukturen sowohl zwischen den Unternehmen des Gewerbegebiets als auch zwischen der Kommune und den lokalen Unternehmen. Die enge Einbindung der Unternehmen gewährleistet, dass diese Verantwortung für die Gebietsentwicklung übernehmen und mit dem eingesetzten Gebietsmanagement zusammenarbeiten.
Gebietsmanager*innen können sich durch eine intensivere Begleitung vor Ort stärker engagieren und als Schnittstelle zwischen der städtischen Verwaltung und den ansässigen Unternehmen dienen (siehe Abb. 4). Dabei sollte er/sie nicht nur Kompetenzen in verwaltungstechnischen Prozessen haben, sondern auch Freude an Netzwerkarbeit und der gemeinsamen Umsetzung von Maßnahmen besitzen.
Der Einzelkontakt mit lokalen Akteur*innen durch den/die Manager*in im Aufbau eines Netzwerks ist laut der Interviews erfolgversprechender als eine kollektive Unternehmensansprache:
„Tatsächlich haben wir leider festgestellt, dass die großflächige Ansprache nicht besonders gut funktioniert. Wenn ich den Unternehmer Face-to-Face treffe, dann kann ich das mit ihm besprechen, dann kann ich dem erklären und das funktioniert dann gut. Dinge, die wir normalerweise machen, wie Artikel in der Lokalzeitung, das kommt hingegen gar nicht an“ (Interview Projektkommune B).
Trotzdem wurde in der quantitativen Befragung die kollektive Unternehmensansprache als ebenfalls bedeutend bewertet (siehe Abb. 5). Folglich sollte beides kombiniert werden: die Einzelansprache, um Unternehmen individuell zu beraten und zu betreuen, sowie die breit gestreuten Informationen, um allen Beteiligten den gleichen Zugang zu Informationen zu ermöglichen.
Die Identifikation von lokalen Vorreiterunternehmen wurde im Rahmen der Umfrage als weiterer wichtiger Aspekt für einen nachhaltigen Wandel angesehen: „Ich finde immer Beispiele total wichtig, damit man eine Vorbildfunktion leistet, Dinge von anderen Firmen gezeigt bekommt und Firmen sich vernetzen können“ (Interview Projektkommune A). Diese Vorreiter erfüllen nicht nur eine Vorbildfunktion für lokale Betriebe und dienen als Treiber in der Umsetzung beispielhafter Maßnahmen, sondern können die gesamte Entwicklung in einem Gewerbegebiet befeuern. Die getätigten Maßnahmen, welche durch fachliche Beratungen identifiziert und anschließend umgesetzt wurden, können in einer Karte grafisch dargestellt werden. So wird ein Überblick über bereits umgesetzte Maßnahmen geschaffen, weitere Handlungsbedarfe können schnell identifiziert und Fortschritte in der Entwicklung aufgezeigt werden. Die Sichtbarkeit von solchen Umsetzungen kann andere Unternehmen dazu animieren, es ihnen gleichzutun (vgl. Abb. 6).

Einbindung von Unternehmen

Unternehmen sind in der Gestaltung nachhaltiger Gewerbegebiete essenzielle Partner, da sie für Umsetzungen auf dem Firmengelände, am Gebäude, im Mobilitätsmanagement und in internen Prozessen verantwortlich sind. Hier stellt sich die Frage nach den aufzubringenden Kosten, der Rentabilität und dem eigenen Nutzen. Um dieses Hindernis abzubauen, empfiehlt es sich, mit Förderungen und kostenlosen Fachberatungen gezielt Maßnahmen zu unterstützen.
Ebenfalls ist der Zeitfaktor wichtig, da sich Unternehmen mit Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung ihrer Firmengelände neben ihrem eigentlichen Arbeitsalltag beschäftigen müssen. Zudem herrschen hinsichtlich der Verwaltungszusammenarbeit Bedenken seitens vieler Unternehmen:
„Wir [die Stadtverwaltung] haben einen relativ schlechten Ruf und viele kommen nicht auf die Idee, dass wir Fördergelder oder eine Gratis-Beratung anbieten. Da ist es relevant, wie wir mit den Unternehmern und dem Image umgehen“ (Interview Projektkommune B).
Kommunale, bürokratische Strukturen und scheinbar fehlende Ansprechpartner*innen bringen einen hohen zeitlichen Aufwand für Unternehmer*innen mit sich. Aus diesen Schwierigkeiten resultiert oftmals eine mangelnde Mitarbeit bzw. Umsetzungsbereitschaft seitens der Unternehmen. Um Unternehmen nachhaltig zu einem Wandel zu bewegen, gilt es neben der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme, die positiven Effekte für Standort, Mitarbeitende sowie das gesamte Gewerbegebiet und Klima hervorzuheben.
Kontinuität und Verlässlichkeit der Angebote, die seitens der Kommune an die Unternehmen herangetragen werden, sind wesentliche Faktoren und tragen dazu bei, Vertrauen aufzubauen. Folglich ist es die Aufgabe von Kommunen, Strukturen und finanzielle Mittel bereitzustellen. Die Kommunen können durch ihr Handeln ein Vorbild für Unternehmen darstellen und durch eigene Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf kommunaler Fläche Hemmnisse abbauen:
„Also finde ich total wichtig, dass die Kommune … eine Vorbildfunktion hat und auch entsprechend handeln sollte. Wenn man sagt die [Unternehmen] sollen die [regionale Blumensaatmischung] einsäen, dann gehe ich davon aus, dass die vielleicht gar keine Vorstellung davon haben, wie das aussieht und stellen sich unter Wildkräutern vielleicht eher Brennnesseln oder Unkraut vor. Und unsere Fläche ist da dann … ein super Positivbeispiel, wo man wirklich mal zeigt, so kann es aussehen“ (Interview Projektkommune A; siehe Abb. 7).
Anschließend ist es wichtig, Informationen zu Zuschüssen und Ähnlichem zu verbreiten. Dadurch kann sich die Bereitschaft zur nachhaltigen Gebietsentwicklung steigern. Diese Bereitschaft ist elementar, um den Informationsaustausch und kooperative Zusammenarbeit in einem Netzwerk von Unternehmen und kommunalen Vertreter*innen durchzuführen.

Kommunale Instrumente

Von großer Bedeutung für eine Verstetigung der nachhaltigen Gewerbegebietsentwicklung sind kommunale Instrumente, die durch bestimmte Regelungen eine größere Breite an Möglichkeiten zur Entscheidungslenkung besitzen und Anreize bieten. Hierbei kommen vor allem Instrumente wie Stadtentwicklungskonzepte, Richtlinien und Regelungen in der Bauleitplanung zum Einsatz (siehe Abb. 5). Über sie werden Voraussetzungen geschaffen, die einen bindenden Charakter für Unternehmen besitzen. Idealerweise sind die in den Auflagen beschriebenen Maßnahmen kontrollierbar. Als oft angewendetes Instrument werden beispielsweise Festsetzungen zur Gebäudebegrünung oder Photovoltaikinstallation bei der Aufstellung von Bebauungsplänen genannt.
Als weitere sehr wirksame Instrumente dienen finanzielle Anreize und Förderprogramme. Oft liegt die größte Herausforderung einer nachhaltigen Gebietsentwicklung darin, dass die finanziellen Mittel nicht gegeben sind. Förderungen und sonstige finanzielle Anreize können helfen, monetäre Hürden zu überwinden. Ein Beispiel ist das Förderprogramm „Business und Biodiversität“ der Stadt Bocholt, mit dem Maßnahmen zur naturnahen Umgestaltung größerer gewerblicher Grundstücke gefördert werden, um Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen (Stadt Bocholt 2022). Der Erfolg von Förderungen konnte auch für Dach- und Fassadenbegrünung festgestellt werden. In der Regel zeigen sich viele Unternehmen sehr offen und bereit, eine derartige Begrünung umzusetzen, wenn diese durch Förderungen oder kostenlose bzw. bezuschusste Fachberatungen unterstützt werden.

Erfahrungsaustausch und Bildung

Die nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten ist eine Thematik, mit der sich viele Kommunen erst seit Kurzem auseinandersetzen. Der Aufbau von fachlicher Expertise auf kommunaler Ebene ist daher ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dabei sollte die Expertise nicht nur bei dem/der Gebietsmanager*in gegeben sein, sondern auch bei weiteren kommunalen Angestellten. Nur bei einer breiten Wissensbildung kann erworbenes Wissen auf mehreren Schultern verteilt und somit gefestigt und eventuelle Ausfälle einfacher aufgefangen bzw. kompensiert werden. Erfahrungsaustausche über die kommunalen Grenzen hinaus sind dabei für einen Einstieg grundlegend. Im Projekt „Gewerbegebiete im Wandel“ wurde dies durch regelmäßige und offen zugängliche Online-Foren sowie eine Online-Seminar-Reihe gefördert. In dieser Seminarreihe wurden bundesweite Konzepte, Erfolgsgeschichten und Unternehmensbeispiele zur nachhaltigen Entwicklung von Gewerbegebieten aus der kommunalen Praxis vorgestellt, Hemmnisse offengelegt und im Anschluss in offener Runde diskutiert (siehe Schack et al. 2021).
Schulungen für Kommunalvertreter*innen können diese auch dazu befähigen, Unternehmen beraten zu können – beispielsweise zur Identifikation von Begrünungspotenzialen auf Gewerbeflächen. Auch Schulungen für Unternehmen, die in der Gestaltung von Gewerbegebieten tätig sind, werden als sehr sinnvoll angesehen. Dazu gehören gestalterische und handwerkliche Unternehmen wie Architekturbüros, Garten- bzw. Landschaftsbaubetrieben und andere Handwerksbetriebe. Wenn diesen ein Bewusstsein für das Thema und Know-how zur Umsetzung vermittelt wird, kann dies der Verstetigung zugutekommen. Wichtig ist der Transfer von Wissen auf möglichst breiter Ebene und ohne zusätzliche Kosten für die Unternehmen, zumindest als Initialaktivität bis ein größeres Interesse entstanden ist. Sichtbare Umsetzungen begrünender und klimagerechter Maßnahmen führen zu einer Lust auf Veränderungen und rücken das jeweilige Gewerbegebiet in ein positives Licht.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten ist in vielen Kommunen eine drängende Aufgabe, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und einen Beitrag zur Klimaanpassung zu leisten. Ältere Gewerbegebiete stellen dabei eine große Herausforderung dar, weil sie häufig durch einen hohen Versiegelungsgrad, verschmutzte bzw. kontaminierte Böden usw. geprägt sind.
Als Faktor für eine erfolgreiche Implementation von Prozessen für eine nachhaltige Gewerbegebietsentwicklung konnte die strukturelle Verankerung der Thematik in der Verwaltung identifiziert werden. Ebenfalls ist der richtige Einsatz von kommunalen Instrumenten sowie die Stärkung von Netzwerken und Wissen zur nachhaltigen Transformation entscheidend. Es ist unabdingbar, dass in den Kommunen ein Kulturwandel in Bezug auf die fachübergreifende Zusammenarbeit stattfindet, um die Aktivitäten zielgerichtet umzusetzen. Dabei ist es förderlich, den Unternehmen eine/einen Ansprechpartner*in zu benennen und durch einen Mix aus individueller und kollektiver Ansprache die Unternehmen zur Mitarbeit zu motivieren. Die Festlegung von Photovoltaik und Gebäudebegrünung in den Bebauungsplänen sind z. B. effektive Instrumente für eine kommunale Entscheidungslenkung bei der Gebietsentwicklung. Gleichzeitig ist es wichtig, die Unternehmen bürokratisch und informativ bei der Nutzung existierender Förderprogramme zu unterstützen.
Der Aufbau stabiler Strukturen muss auch im jeweiligen Gewerbegebiet erfolgen. Der Einsatz eines/-r Gebietsmanager*in ist essenziell, um Gewerbegebiete langfristig und zielführend zu wandeln, Unternehmen zu vernetzen und eine gemeinsame Entwicklung zu koordinieren. Diese zentrale Ansprechperson an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Verwaltung kann dazu beitragen, dass Hemmnisse auf beiden Seiten abgebaut werden. Ebenfalls sollte die Person Kenntnisse über die lokalen Unternehmer*innen haben, um diese zielgerichtet anzusprechen und die Unternehmen untereinander zu vernetzen. Eine strukturelle Verankerung im Gebiet kann entsprechend gemeinsam angegangen werden, sodass sich die Unternehmen mit dem Gewerbegebiet identifizieren und die Umwandlung mittragen.
Für den Aufbau von Kapazitäten ist der Erfahrungsaustausch von großer Relevanz. Die Identifikation und das Aufzeigen von Vorreiterunternehmen motiviert andere Unternehmen, ebenfalls Maßnahmen auf ihrer Firmenfläche umzusetzen. Praxisnahe Beispiele helfen, Bedenken und Hemmnisse abzubauen und Vernetzungen zwischen Unternehmen auszubauen. Unternehmen untereinander stehen sich näher als Unternehmen und die Verwaltung, sodass die Glaubwürdigkeit anderer Unternehmen die Umsetzung weiterer Maßnahmen befeuert. Dies ist insbesondere bei zusätzlich zur Verfügung gestellten finanziellen Anreizen, Förderungen oder Schulungsmöglichkeiten seitens der Kommune der Fall. Die Handlungsempfehlungen werden in Abb. 8 zusammengefasst.

Danksagung

Die Forschung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Nachhaltige Transformation urbaner Räume – Sozial-ökologische Forschung“ (Projekt-Nr. 01UR1606) gefördert. Wir danken unseren Verbundpartnern: Wissenschaftsladen Bonn, Technische Universität Darmstadt, Global Nature Fund, Stadt Bocholt, Stadt Remscheid, Stadt Iserlohn und Stadt Vreden.
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Literatur
Zurück zum Zitat BBSR – Bundesinstitut für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (2016) Nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten – Ein ExWoSt-Forschungsfeld. Bonn = ExWoSt-Informationen 49/1 BBSR – Bundesinstitut für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (2016) Nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten – Ein ExWoSt-Forschungsfeld. Bonn = ExWoSt-Informationen 49/1
Zurück zum Zitat Betker F (2013) Nachhaltigkeit institutionalisieren: ein neuer Gesellschaftsvertrag für städtische Gewerbegebiete. GAIA Ecol Perspect Sci Soc 22:178–186 Betker F (2013) Nachhaltigkeit institutionalisieren: ein neuer Gesellschaftsvertrag für städtische Gewerbegebiete. GAIA Ecol Perspect Sci Soc 22:178–186
Zurück zum Zitat Funk M, Leuninger DGDS (2014) Das Gewerbegebiet der Zukunft. Standort 38:153–159CrossRef Funk M, Leuninger DGDS (2014) Das Gewerbegebiet der Zukunft. Standort 38:153–159CrossRef
Zurück zum Zitat Sieber S (2019) Gewerbegebiete im Wandel – Wie Gewerbegebiete in Marl, Remscheid und Frankfurt Biodiversität und Klimaschutz verbinden. Transform Cities 3:70–75 Sieber S (2019) Gewerbegebiete im Wandel – Wie Gewerbegebiete in Marl, Remscheid und Frankfurt Biodiversität und Klimaschutz verbinden. Transform Cities 3:70–75
Zurück zum Zitat Walter A (2019) Mit passgenauen Governance-Regimes komplexe lokale Probleme bewältigen. Das Beispiel des Pakts für Pirmasens. In: Möltgen-Sicking K, Winter T (Hrsg) Governance. Eine Einführung in Grundlagen und Politikfelder Wiesbaden, S 65–86, Springer VS Walter A (2019) Mit passgenauen Governance-Regimes komplexe lokale Probleme bewältigen. Das Beispiel des Pakts für Pirmasens. In: Möltgen-Sicking K, Winter T (Hrsg) Governance. Eine Einführung in Grundlagen und Politikfelder Wiesbaden, S 65–86, Springer VS
Metadaten
Titel
Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten
verfasst von
Carolin Schack
Thomas Neise
Martin Franz
Publikationsdatum
24.04.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Standort / Ausgabe 2/2024
Print ISSN: 0174-3635
Elektronische ISSN: 1432-220X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00548-023-00848-z