Welchen Beitrag leistet das Prozessmanagement für die Maximierung des Kundennutzens? Wie
lassen Unternehmen die Kundenperspektive in die Prozessgestaltung einfliessen? In welcher
Ausprägung setzen Unternehmen Kunden‐ und Prozessdaten ein, um Kundenerlebnisse zu
individualisieren? Ist dabei Transparenz und Datenherrschaft für Kunden sichergestellt? Erheben
Unternehmen systematisch Digitalisierungspotenzial in ihren Prozessen? Wie steht es um die
Durchgängigkeit der Prozesse und welche Formen der Prozessdigitalisierung kommen dabei zum
Einsatz? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Online‐Befragung, die im Rahmen der
vorliegenden Studie im Mai 2016 durchgeführt wurde.
Welchen Beitrag leistet das Prozessmanagement für die Maximierung des Kundennutzens? Wie lassen Unternehmen die Kundenperspektive in die Prozessgestaltung einfliessen? In welcher Ausprägung setzen Unternehmen Kunden‐ und Prozessdaten ein, um Kundenerlebnisse zu individualisieren? Ist dabei Transparenz und Datenherrschaft für Kunden sichergestellt? Erheben Unternehmen systematisch Digitalisierungspotenzial in ihren Prozessen? Wie steht es um die Durchgängigkeit der Prozesse und welche Formen der Prozessdigitalisierung kommen dabei zum Einsatz? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Online‐Befragung, die im Rahmen der vorliegenden Studie im Mai 2016 durchgeführt wurde.
«Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als Gestaltungselement der digitalen Transformation?» lautet die Forschungsfrage der BPM‐Studie 2016, die sich den Themenschnittstellen der drei Wirkungsfelder Kundenutzen – Digitalisierung – Prozessmanagement widmet. Ziel der quantitativen Befragung war es, den Status quo des Methoden‐ und Werkzeugeinsatzes innerhalb und an den Schnittstellen dieser drei Wirkungsfelder zu erheben und Erkenntnisse über die Ausrichtung und den Reifegrad des Prozessmanagements in Unternehmen im Hinblick auf die Herausforderungen des technologischen Wandels zu gewinnen. Ausgehend von den in Abschn. 1.2 formulierten Forschungsfragen und Hypothesen sowie dem in Abschn. 1.3 vorgestellten Rahmenwerk wurden für die quantitative Erhebung Unterforschungsfragen in sechs Themenbereichen formuliert (Abb. 2.1) und ein Fragenkatalog ausgearbeitet1. Die Ergebnisse der Online‐Befragung werden in den nachfolgenden Kapiteln nach diesen sechs Themenbereichen gegliedert präsentiert.
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Die Online‐Befragung richtete sich an Unternehmen im deutschsprachigen Raum und wurde mehrheitlich von Teilnehmenden aus Unternehmen mit Tätigkeitsschwerpunkt in der Schweiz (81 %) beantwortet2 (Abb. 2.2). 178 Personen aus unterschiedlichen Funktionsbereichen und aus Unternehmen diverser Branchen haben sich an der Online‐Umfrage beteiligt und haben dazu beigetragen, den Status quo des Prozessmanagements im Kontext der digitalen Transformation zu erheben. Fast drei Viertel der Befragten sind in der Unternehmensleitung (20 %), im Projekt‑, Qualitäts‐ oder Prozessmanagement oder in der Informatik tätig und stellen eine unternehmensweite Betrachtung der erhobenen Themenkreise sicher. Nahezu 80 % der Befragten nehmen eine spezifische Prozessmanagement‐Funktion (z. B. Prozessverantwortlicher, Process‐Manager, Chief Process Officer etc.) wahr, so dass von einem fundierten Fach‐ und Erfahrungswissen bei der Beantwortung der Fragen ausgegangen werden kann.
Der Blick auf die Unternehmensgrösse der Teilnehmenden zeigt ein Verhältnis von 1:1,5 zwischen KMUs und grossen Unternehmen: 70 befragte Personen repräsentieren dabei kleinste, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), was 39,3 % der Gesamtteilnehmerzahl entspricht, 108 Befragte bzw. 60,7 % gehören grossen Unternehmen (in den folgenden Abbildungen als GrossU bezeichnet) mit 250 oder mehr Mitarbeitenden an3.
Abb. 2.1
Unterforschungsfragen für die 6 Themenbereiche
Abb. 2.2
Teilnehmende nach Grösse des Unternehmens (KMU vs. Grosse
Unternehmen)
×
×
2.1 Strategische Ausrichtung
Transparenz und Wirtschaftlichkeit sind die etablierten Zielsetzungen des strategischen
Prozessmanagements in Unternehmen. Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Prozessmanagement
auch einen relevanten Beitrag leisten kann, um Kundenerlebnisse zu optimieren oder Produkte,
Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu innovieren. Um dies zu erreichen, müssen die Weichen
bereits bei der strategischen Ausrichtung des Prozessmanagements gestellt werden. Haben
Organisationen die Weichen entsprechend gestellt?
Die Frage nach den drei wichtigsten strategischen Treibern für das Prozessmanagement ergibt
ein gewohntes Bild (Abb. 2.3): Wie bereits in der letztjährigen BPM‐Studie (Brucker‐Kley, et al., 2015) ist die
Steigerung der Wirtschaftlichkeit die Topmotivation für das Prozessmanagement (83 %), dicht gefolgt
von den Transparenzthemen (78 %) Prozessbewusstsein, Qualitätssicherung und
Governance/Risk/Compliance (GRC). An Relevanz gewonnen hat erneut die Kundenzufriedenheit (64 %),
die 2015 bereits 49 % der Befragten als Motivation angegeben hatten. Treiber wie Flexibilität (34 %)
und Innovation (25 %) hingegen, die im Kontext der digitalen Transformation eine zentrale Rolle
spielen, stehen für Unternehmen weniger im Mittelpunkt des Prozessmanagements, nahmen gegenüber dem
Vorjahr jedoch um 10 % zu. Der Blick auf die Unternehmensgrösse zeigt (ohne Abbildung), dass die
KMUs, relativ betrachtet, häufiger als die grossen Unternehmen Kundenzufriedenheit (71 % aller
befragten KMUs, 63 % aller befragten GrossU) und Innovation (34 % der KMUs, 21 % der GrossU) als
Motivationen für das Prozessmanagement nennen. Diese Themen scheinen für KMUs wichtiger zu sein als
für grosse Unternehmen. Dies bestätigen auch die weiteren Befragungsergebnisse (vgl. Abb. 2.7
und 2.24).
Abb. 2.3
Strategische Ziele des Prozessmanagements
×
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Ein interessantes Bild ergibt die Frage nach der Priorisierung der drei genannten Ziele von 1
(höchste Priorität) bis 3 (Abb. 2.4). Hier zeigt sich, dass Transparenz immer noch die
vorrangigste Motivation für das Prozessmanagement der befragten Unternehmen ist (36 %), gefolgt von
Kundenzufriedenheit (28 %) und dem auf den ersten Blick dominierenden Wirtschaftlichkeitsthema
(26 %). Dieses Resultat unterstreicht die hohe Relevanz der Transparenz als wesentliche
Voraussetzung für die nachgelagerte Operationalisierung, Standardisierung und Optimierung der
Prozesse.
Abb. 2.4
Strategische Ziele des Prozessmanagements – priorisiert
×
Der Detailblick auf die Ziele erster Priorität nach Unternehmensgrösse (Abb. 2.5) zeigt, dass
bei den KMUs Transparenz, Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit ähnlich hoch gewichtet
wurden. Bei den grossen Unternehmen dominiert klar die Transparenz mit 42 %, gefolgt von
Kundenzufriedenheit (28 %) und Wirtschaftlichkeit (25 %). Interessant ist, dass Innovation nur von
KMUs als wichtigster BPM‐Treiber gewählt wurde. Die absolute Zahl ist jedoch zu klein
(4 Teilnehmende), um Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Abb. 2.5
Strategische Ziele des Prozessmanagements – «1. Priorität» nach
Unternehmensgrösse
×
Strategische Impulse durch Potenzialanalysen
Unternehmen sehen sich im Wettbewerb mit einem hohen Druck konfrontiert, auf den digitalen
Wandel zu reagieren. Offen bleibt die Frage, wo sie mit der Digitalisierung beginnen sollen, das
heisst, wie sie Anwendungsfelder und Technologien mit einem hohen Nutzenpotenzial identifizieren
können. Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Unternehmen das Prozessmanagement noch nicht
systematisch einsetzen, um Digitalisierungspotenziale zu erkennen, zum Beispiel indem sie relevante
Informationen in strategischen Prozesslandkarten oder Prozessmodellen visualisieren bzw. hinterlegen
oder operative Prozessdaten analysieren.
Die Frage nach diesbezüglichen Aktivitäten führt jedoch zu einem optimistischeren Bild (Abb. 2.6): Zwei Drittel
der Unternehmen führen gelegentlich oder systematisch Potenzialanalysen in mindestens einem der
erfragten Bereiche durch. Mehr als drei Viertel der Unternehmen identifizieren erfolgskritische
Prozesse oder Prozesse, die für die Kundenzufriedenheit kritisch sind. Ähnlich viele Unternehmen
identifizieren Standardisierungs‐ und Automatisierungspotenzial sowie Digitalisierungspotenziale für
kollaborative, schwach strukturierte Prozesse oder Kundeninteraktionen. Ernüchternd hingegen ist der
geringe Anteil der Unternehmen, die diese Potenzialanalysen systematisch durchführen, was Zweifel an
der Wirkungskraft der durchgeführten Analysen aufkommen lässt. Insbesondere Analysen, die
Digitalisierungspotenziale über die Unternehmensgrenzen hinweg (17 %) sowie
Sourcing‑/Outsourcingpotenziale (11 %) ermitteln, werden kaum systematisch durchgeführt. Auch die
für das Kundenerlebnis wichtigen Optimierungspotenziale von Nutzeroberflächen (UX) werden noch kaum
systematisch identifiziert (13 %).
Abb. 2.6
Potenzialanalysen für die Unterstützung strategischer Entscheide
×
Die Detailauswertung nach Unternehmensgrösse (Abb. 2.7) offenbart, dass beide Gruppen ähnlich aktiv sind und
zumindest gelegentlich Potenzialanalysen durchführen (zwischen 54 und 89 % der jeweiligen
Grössengruppe). Bei der Identifizierung der kundenkritischen Prozesse sind jedoch die KMUs leicht
aktiver (89 % vs. 82 % von grossen Unternehmen), für die diese Analyse die meist eingesetzte
ist. Bei den grossen Unternehmen liegt ein etwas stärker ausgeprägter Fokus auf der Erhebung des
Standardisierungs‐ und Automatisierungspotenzials vor. Dieses Resultat entspricht den oben
identifizierten Zielprioritäten nach Unternehmensgrösse.
Abb. 2.7
Prozessmanagement‐Mittel für strategische Entscheidungsunterstützung –
«systematisch & gelegentlich» nach Unternehmensgrösse
×
2.2 Prozessdigitalisierung
Modellierung, Standardisierung und Automatisierung sind die klassischen Methoden des
Prozessmanagements, um Transparenz und Wirtschaftlichkeitsziele zu erreichen. Prozesse durchgängig
zu machen und Medienbrüche zu beseitigen, sind die zentralen Bestrebungen. Sollen jedoch Prozesse
über die Unternehmensgrenzen hinaus in Richtung Kunden oder Partner geöffnet werden und sich gar
flexibel an den Kontext des Kunden anpassen, muss das Standardrepertoire der Prozessdigitalisierung
erweitert werden.
Durchgängigkeit der Prozesse
Durchgängige Prozesse sind eine wesentliche Voraussetzung sowohl für Effizienz als auch für
bessere Kundenerlebnisse. Bearbeitungs‐ und Reaktionszeiten werden verkürzt. Kundenanliegen können
rasch und im Idealfall in Echtzeit erledigt werden. Der hohe Stellenwert der Wirtschaftlichkeit und
der Kundenzufriedenheit als Ziel des Prozessmanagements (Abb. 2.3) und die
Tatsache, dass über 80 % der befragten Organisationen Standardisierungs‐ und
Automatisierungspotenziale erheben, könnte den Schluss nahelegen, dass Unternehmen mit Zielrichtung
«Operational und Service Excellence» in die Durchgängigkeit ihrer Prozesse investieren. Ein Blick in
den Alltag der befragten Unternehmen zeigt jedoch, dass Scannen, Drucken und das handschriftliche
Unterzeichnen von Dokumenten bei der Hälfte der befragten Unternehmen noch zum Unternehmensalltag
gehören (Abb. 2.8). Die restlichen Unternehmen
geben an, dass dieser Umgang mit Papierdokumenten nicht mehr täglich geschieht. Nur ein sehr
geringer Anteil ist in der Digitalisierung so weit fortgeschritten, dass Papier komplett aus der
Aufgabenerledigung verbannt ist (<9 % beim Drucken, <6 % beim Scannen, <5 % beim
Unterschreiben). Auch bei der Systemintegration sind Defizite vorhanden: Bei rund der Hälfte der
Unternehmen gehört die Suche in verschiedenen isolierten Informationssystemen, um Entscheide treffen
zu können, zum Alltag (50 %). In weiteren 45 % ist dies gelegentlich erforderlich. Mehrfacheingaben
von gleichen Informationen in unterschiedliche Informationssysteme hingegen konnten in immerhin 23 %
der befragten Unternehmen bereits eliminiert und in weiteren 48 % reduziert werden, sind aber in
mehr als einem Viertel der Unternehmen immer noch alltäglich (27 %).
Abb. 2.8
Medienbrüche im Unternehmensalltag
×
Interessant ist, dass verhältnismässig mehr KMUs angeben, dass diese Tätigkeiten bei ihnen nie
vorkommen (Abb. 2.9), was auf eine höhere Durchgängigkeit der Prozesse, das heisst weniger Medienbrüche und
bessere Systemintegration, hindeutet. Insbesondere bei den Mehrfacheingaben von gleichen
Informationen in unterschiedlichen Systemen scheint die Grösse des Unternehmens eine Rolle zu
spielen: 41 % der KMUs geben an, nie Mehrfacheingaben tätigen zu müssen, bei grossen Unternehmen
sind es nur 12 %. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass die IT‐Landschaften der KMUs weniger
komplex als bei grossen Unternehmen sind und deshalb die Integration der Systeme und die
Durchgängigkeit der Prozesse einfacher umsetzbar ist.
Abb. 2.9
Medienbrüche im Unternehmensalltag – «Nie» nach Unternehmensgrösse
×
Die mediale Präsenz des digitalen Wandels ist stark von Optimierungen und Erweiterungen im
Front‐End in Form von mobilen Applikationen, sozialen Plattformen etc. geprägt. Dies garantiert
jedoch noch keine Durchgängigkeit der Prozesse Front‐to‐Back bzw. Back‐to‐Front. Die Frage nach den
Methoden, die Unternehmen einsetzen, um Prozesse durchgängig von und zum Kunden‐Front‐End zu
realisieren, offenbart den Stand dieser Durchgängigkeit (Abb. 2.10): 44 % der
befragten Unternehmen räumen ein, dass sie keine Methoden einsetzen, und ihre Prozesse folglich noch
nicht durchgängig sind und Medienbrüche aufweisen. Wenn Durchgängigkeit realisiert wird, dann
implementieren Unternehmen diese mehrheitlich ausgehend vom Front‐End, indem sie Dateneingaben des
Kunden z. B. über Web Services an interne Systeme übertragen (41 %). Die zweithäufigste Strategie
ist die Simplifizierung oder Optimierung von internen Applikationen, so dass auch Kunden oder
Partner diese Systeme und Oberflächen nutzen können (31 %). Einen plattformbasierten Ansatz über
eine BPM‐ oder Workflow‐Lösung wählen hingegen nur 23 % der befragten Unternehmen. Dies könnte
darauf hinweisen, dass Unternehmen die durchgängige Digitalisierung von Prozessen projektbezogen,
ausgehend von individuellen Anwendungsfällen und Business Cases, aber nicht unternehmensweit
angehen.
Abb. 2.10
Einsatz technischer Methoden für durchgängige Prozesse vom und zum
Kunden
×
Unternehmen scheinen diese Defizite der Prozessdurchgängigkeit erkannt zu haben und
investieren deshalb aktuell intensiv in Automatisierung bzw. Digitalisierung durchgängiger Prozesse
und den digitalen Arbeitsplatz (siehe Abschn. 2.3 Digitale
Transformation, Abb. 2.12).
Flexibilisierung der Prozesse
Durchgängige Prozesse sind ein erster Schritt, um Kundenerlebnisse und den digitalen
Arbeitsplatz im Unternehmen zu optimieren. Bestimmte Anwendungsszenarien oder Zielgruppen verlangen
jedoch nach mehr. Prozesse sollen flexibel bzw. individualisiert ablaufen, indem sie sich in (Fast‑)
Echtzeit auf den aktuellen Kontext, die Eigenschaften oder das Verhalten eines Kunden
ausrichten. Mitarbeitende sollen durch eine flexible und informationsreiche IT‐Unterstützung in
wissensintensiven und schwach strukturierten Prozessen befähigt werden. Die Frage nach dem Einsatz
solcher Methoden und Werkzeuge ergibt ein durchwachsenes Bild (Abb. 2.11). Mehr als
ein Viertel der befragten Unternehmen gibt an, keine solchen Methoden oder Werkzeuge einzusetzen. Am
stärksten verbreitet ist die Anwendung agiler Methoden für die Prozessmodellierung (33 %). Im Rahmen
der Prozessausführung ist, wie bereits in der letztjährigen BPM‐Studie (Brucker‐Kley, et al., 2015)
erkennbar, der Einsatz von Business Rules am gebräuchlichsten (31 %). Business Rules flexibilisieren
Prozesse, indem die Geschäftsregeln getrennt von den eigentlichen Prozessmodellen verwaltet,
wiederverwendet und angepasst werden, so dass Änderungen im Prozess rascher umsetzbar sind. Beim
Einsatz von Business Rules sind grosse Unternehmen fast doppelt so aktiv wie KMUs (38 % der GrossU vs. 21 % der KMUs). Für sie scheint sich der Aufwand für die Formalisierung und
Implementierung der Geschäftsregeln mehr zu rechnen als für kleinere und mittlere
Unternehmen. Ad‐hoc Workflows, die Prozessbeteiligte in schwach strukturierten Prozessen dabei
unterstützen, Aktivitäten situationsabhängig flexibel auszulösen, auszuwählen oder zu definieren,
sind auf dem Vormarsch (nur 13 % in der BPM‐Studie 2015 vs. 28 % 2016). Adaptive Case Management
hingegen fristet weiterhin ein Nischendasein (5 % 2015, 12 % 2016) ebenso wie andere
wissensbasierte, selbstlernende Verfahren.
Abb. 2.11
Einsatz von Methoden für flexible und kontextsensitive Prozesse
×
2.3 Digitale Transformation
Digitale Transformation ist ein Hype‐Thema, doch wo stehen Unternehmen, wenn es darum geht,
den digitalen Wandel konkret zu implementieren? Entwickeln sie innovative digitale Produkte und
Dienstleistungen? Optimieren oder erweitern sie ihre digitalen Schnittstellen zum Kunden? Bleibt das
Back‐End isoliert oder werden Prozesse durchgängig digitalisiert? Profitieren auch die
Mitarbeitenden von innovativeren digitalen Arbeitsplätzen? Und mit welchen Mitteln reagiert die
Informatik auf diese Herausforderungen?
Nomen est omen: Digitale Transformation ist kein Zustand, sondern bedeutet Veränderung. Folglich sind die befragten Unternehmen in allen erfragten Handlungsfeldern der digitalen Transformation sehr aktiv, aber vieles befindet sich noch in der Umsetzung oder wird erprobt (Abb. 2.12). Im Unterschied zur medialen Wahrnehmung stehen dabei jedoch nicht die reinen Front‐End‐Themen an erster Stelle. Das Thema Automatisierung und Digitalisierung durchgängiger Prozesse führt das Feld knapp an, wobei sich Unternehmen in diesem Handlungsfeld mehrheitlich noch in der Umsetzungs‐ und Experimentierphase befinden. Dies korreliert mit den festgestellten Durchgängigkeitsdefiziten der Prozesse, die bei vielen Unternehmen den Alltag aktuell noch prägen (vgl. Abschn. 2.2). Ähnlich aktiv, mit einem leicht höheren Anteil bereits realisierter Projekte sind Unternehmen bei der Einführung innovativer digitaler Arbeitsplätze für ihre Mitarbeitenden. Ebenfalls mehr als 80 % arbeiten an der digitalen Erweiterung bestehender Produkte oder Dienstleistungen, wobei der digitale Wandel in diesem Bereich im Vergleich zur Automatisierung und zum digitalen Arbeitsplatz noch deutlicher im Werden und Experimentieren ist. Erstaunlich ist die Tatsache, dass der Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle zum Kunden (Social Media, Mobile, IoT etc.) zwar im Vorderfeld liegt, aber keine Spitzenposition einnimmt (77 %). Andere wesentliche Handlungsfelder, wie die Optimierung der User Experience (vorrangig auf externe Kunden mit 67 %, weniger auf die eigenen Mitarbeitenden mit 43 %, seltener auf Partner/Kooperationen mit 25 % ausgerichtet4) und Big Data liegen zwar etwas zurück und befinden sich noch in der Umsetzung oder Experimentierphase, sind jedoch mit über 60 % ebenfalls sehr präsent in den befragten Unternehmen. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass immerhin 60 % der Unternehmen eine digitale Transformationsstrategie haben oder gerade erarbeiten oder eine solche evaluieren. Verabschiedet und in Aktion ist eine solche jedoch erst bei rund 14 % der befragten Unternehmen.
Abb. 2.12
Aktionsfelder der digitalen Transformation
×
Die Detailauswertung nach Unternehmensgrösse (Abb. 2.13) zeigt, dass der digitale Arbeitsplatz von KMUs und
grossen Unternehmen gleichermassen angestrebt wird. Bei allen weiteren Aktionsfeldern haben die
grossen Unternehmen einen Vorsprung. Insbesondere bei technologie‐ und kostenintensiven
Aktionsfeldern wie beim Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse, beim Einsatz von
Web‐2.0‐Technologien oder bei der Optimierung der User Experience fallen die Unterschiede
auf. Ebenfalls leicht im Rückstand sind die KMUs bei der unternehmensweiten Verankerung der
Digitalisierung in Form einer Strategie oder Roadmap für die digitale Transformation.
Abb. 2.13
Aktionsfelder der digitalen Transformation – «umgesetzt oder angestrebt oder
evaluiert» nach Unternehmensgrösse
×
Herkömmliche Methoden und Strukturen der Informatik genügen den dynamischen Anforderungen des
digitalen Wandels in Unternehmen häufig nicht. Wie reagieren Unternehmen darauf (Abb. 2.14)? Für das
Projektmanagement und die Softwareentwicklung sind agile Methoden in mehr als der Hälfte der
befragten Unternehmen etabliert. Einen ähnlich starken Einfluss auf Kompetenzen und Paradigmen in
der Bereitstellung von IT‐Leistungen hat Serviceorientierung, die bei immerhin 42 % der befragten
Unternehmen als Wegbereiter des digitalen Wandels eingesetzt wird. Die Unterstützung von mobilen
Endgeräten ist mit 35 % überraschend niedrig. Sie scheinen für den digitalen Arbeitsplatz oder die
Schnittstelle zum Kunden weniger relevant als vermutet (vgl. Abb. 2.12).
Abb. 2.14
Reaktionen der IT auf den unternehmerischen und technologischen
Wandel
×
2.4 Was will der Kunde?
Die Schaffung positiver Kundenerlebnisse ist ein zentrales Element der digitalen
Transformation. Unternehmen investieren in die digitale Erweiterung bestehender Produkte und führen
neue Technologien an der Schnittstelle zum Kunden ein. Das alles setzt voraus, dass Unternehmen die
vermeintlichen und echten Bedürfnisse ihrer Kunden kennen. Um Kundenbedürfnisse frühzeitiger und
unmittelbarer zu erfassen, wurde das Repertoire der klassischen Marktforschung um Methoden wie
Prototyping oder Customer Journeys erweitert. Setzen Unternehmen diese Methoden bereits ein? Wie
steht es um die Kenntnis der Kundenbedürfnisse und Kundenzufriedenheit in den befragten
Unternehmen?
Bei nahezu allen befragten Unternehmen (95 %) ist die Kundenorientierung, zumindest auf dem
Papier, strategisch verankert (Abb. 2.15). Ein Blick auf die Umsetzung der Kundenausrichtung
zeigt, dass nur 39 % auch vollumfänglich über die notwendigen personellen, finanziellen und
technischen Ressourcen hierfür verfügen. Für 51 % der Unternehmen ist dies zumindest teilweise der
Fall. Ob dieser Mitteleinsatz ausreicht, um in Sachen Kundenverständnis und ‐ausrichtung eine
branchenführende Stellung einzunehmen, schätzen die befragten Unternehmen verhalten selbstbewusst
ein. Nur rund 16 % sehen sich hier eindeutig in einer Spitzenposition, aber mehr als die Hälfte
glauben zumindest punktuell über einen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern zu verfügen.
Abb. 2.15
Ausprägung der Kundenorientierung
×
Methoden, um die Kundenbedürfnisse zu erheben, werden bereits intensiv eingesetzt (Abb. 2.16). Zum
Standard gehört bei den befragten Unternehmen die Auswertung von Kundenreklamationen. Mehr als 70 %
tun dies sogar systematisch, weitere 24 % gelegentlich. Auch Kundenbefragungen mittels Fragebogen
oder anderer quantitativer Instrumente (79 %) sowie qualitative Kundeninterviews (75 %) sind
regelmässig oder gelegentlich im Einsatz. Neben diesen retrospektiven Massnahmen, die nach dem
Kundenerlebnis ansetzen, sind Methoden für eine frühzeitige Erkennung der Kundenbedürfnisse auf dem
Vormarsch: Ein Viertel der befragten Unternehmen setzten Prototypen oder Tests mit Kunden vor der
Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen bereits systematisch ein, um die Akzeptanz neuer
Angebote oder Interaktionsformen zu prüfen. Weitere 47 % setzen diese gelegentlich ein. Social Media
Monitoring ist bei nahezu zwei Dritteln der befragten Unternehmen im Einsatz, 30 % betreiben es
sogar systematisch. Kunden‐Communities hingegen sind weniger präsent, werden aber doch bei nahezu
der Hälfte der befragten Unternehmen systematisch oder gelegentlich genutzt. Auch Business
Intelligence kommt bei der überwiegenden Mehrzahl der Unternehmen zum Einsatz: 71 % erheben
regelmässig oder gelegentlich Kennzahlen, die Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit zulassen und
68 % analysieren Kundendaten. Am unteren Ende der Liste, aber doch von mehr als der Hälfte der
befragten Unternehmen systematisch oder gelegentlich angewandt, stehen interaktionsorientierte
Erhebungsmethoden, die die Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Berührungspunkte der externen Kunden
mittels Customer Journey (54 %) und der internen Kunden, sprich der Mitarbeitenden, mittels Employee
Journey (40 %) abbilden.
Abb. 2.16
Methoden für die Erhebung der Bedürfnisse von externen und internen
Kunden
×
Grosse Unternehmen scheinen die Distanz zum Kunden etwas stärker ausgleichen zu müssen als
KMUs. Alle Methoden zur Erhebung der Kundenbedürfnisse werden von grossen Unternehmen ausgeprägter
eingesetzt als von KMUs (Abb. 2.17). Insbesondere beim Einsatz von quantitativen oder
stark technologieabhängigen Methoden sind die KMUs deutlich weniger aktiv: 51 % der KMUs versus 75 %
der grossen Unternehmen nutzen systematisch oder gelegentlich Social Media Monitoring. Bei
quantitativen Umfragen und der Erhebung von Kennzahlen sind die befragten KMUs jeweils um rund 20 %
weniger aktiv als die grossen Unternehmen.
Abb. 2.17
Methoden für die Erhebung der Bedürfnisse von externen und internen Kunden –
«systematisch oder gelegentlich» nach Unternehmensgrösse
×
2.5 Kundenperspektive in der Prozessgestaltung und ‐optimierung
Unternehmen haben erkannt, dass es wichtig ist, die Bedürfnisse ihrer bestehenden und
potenziellen Kunden zu kennen. Dies allein reicht jedoch noch nicht, um den Kundennutzen und die
Kundenzufriedenheit zu steigern. Die Erkenntnisse müssen in die strategische Ausrichtung, aber vor
allem in die Ausgestaltung von Produkten, Dienstleistungen und des operativen Geschäfts
einfliessen. Das Prozessmanagement bietet Ansatzpunkte: Die Visualisierung der Kundenbedürfnisse und
‐interaktionen in Prozesslandkarten und ‐modellen könnte wertvolle Einsichten liefern, um
Optimierungspotenziale im Front‐ und Back‐End mit Blickrichtung Kundennutzen systematisch zu
identifizieren. Werden diese Möglichkeiten und die Synergien zwischen Marketing und
Prozessmanagement bereits genutzt? Und in welchen Aktivitäten zur Modernisierung und Optimierung der
Kundeninteraktionen schlägt sich dies nieder?
Visualisierung der Kundenperspektive
Die aktuelle Befragung bestätigt die Erkenntnis aus den BPM‐Studien der letzten Jahre, dass
die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen (87 %) Prozesse modelliert oder über eine
Prozesslandkarte verfügt (Abb. 2.18). Die angestrebte Transparenz wird also
erreicht. Bleibt die Frage, ob diese Transparenz genutzt wird, um den Kundenbedarf oder neuralgische
Punkte in der Kundeninteraktion aufzuzeigen. Hier bestätigt sich die Hypothese, dass viele
Unternehmen Prozesse ausschliesslich aus der internen Perspektive abbilden (30 %). Auch auf den
Prozesslandkarten sind Kundenbedarf oder ‐beziehung bei weniger als bei einem Drittel der
Unternehmen präsent (29 %). In einzelnen Prozessmodellen nutzen 42 % der Unternehmen die
Möglichkeiten, Kundeninteraktionen abzubilden.
Abb. 2.18
Visualisierung von Kundeninteraktionen und ‐bedarf in Prozessmodellen und
‐landkarten
×
Erst 30 % der Unternehmen nutzen die Prozesslandkarte, um die Kundenperspektive zu
visualisieren. Abb. 2.19 zeigt, in welcher Form und Ausprägung Unternehmen dies aktuell umsetzen: 18 % haben ihre
Prozesslandkarten bereits auf die Wertschöpfungskette ausgerichtet und visualisieren
End‐to‐End‐Prozesse konsequent vom Kundenbedarf bis zur Leistungserfüllung für den Kunden. 11 %
visualisieren unterschiedliche Kundengruppen auf ihren Prozesslandkarten. Nur knapp 6 % der
befragten Unternehmen kennzeichnen ihre kundenkritischen Prozesse, obwohl 28 % systematisch und
weitere 57 % gelegentlich die für den Kundennutzen und die Kundenzufriedenheit kritischen Prozesse
identifizieren (siehe Abschn. 2.2, Abb. 2.6). Prozesslandkarten spielen also nur eine geringe Rolle, wenn es darum geht die
Erkenntnisse dieser Analysen zu visualisieren. Betrachtet man Prozesslandkarten als zentrales
Instrument des strategischen Prozessmanagements, stellt sich die Frage, weshalb sich eine so
hochpriorisierte Zielsetzung wie Kundenorientierung kaum in den Prozesslandkarten
niederschlägt.
Abb. 2.19
Visualisierung von Kundeninteraktionen in Prozesslandkarten
×
Etwas stärker werden die einzelnen Prozessmodelle genutzt, um die Kundeninteraktionen
festzuhalten (32 %, Abb. 2.20). Dies geschieht primär mit den standardmässig durch
Modellierungsnotationen vorgegebenen Darstellungsmöglichkeiten wie Pool, Lane oder Swimmlane
bzw. mithilfe von BPMN‐Kollaborationsdiagrammen. Erst wenige unterscheiden dabei die verschiedenen
Kundengruppen (7 %). Ebenfalls eher selten abgebildet werden die Detailinformationen über den
Interaktionskanal (19 %) und die mit den Kunden über den Kanal ausgetauschten Informationen oder
Geschäftsobjekte (12 %). Nur 5 % kennzeichnen die neuralgischen
Kundeninteraktionen. Prozessverantwortliche und ‐beteiligte erhalten also kaum Orientierungshilfen
aus Prozessmodellen, wenn sie Prozesse kundenzentrisch betrachten oder optimieren wollen.
Abb. 2.20
Visualisierung von Kundeninteraktionen in einzelnen Prozessmodellen
×
Customer Journeys für die Prozessoptimierung
Bei der Frage nach den genutzten Methoden, um Kundenbedürfnisse zu erheben, gaben 54 % an,
dass sie Customer Journey nutzen um Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Interaktionen ihrer Kunden zu
erheben. Fast 20 % tun dies systematisch (vgl. Abb. 2.16). Mehr als die Hälfte der Organisationen, die die
Customer Journey bereits einsetzen, nutzt die Erkenntnisse für die Gestaltung oder Optimierung
kundenorientierter Prozesse (vgl. Abb. 2.21). Die Customer Journey wird also nicht nur als
modernes Instrument in Marketinghänden betrachtet, sondern in den Organisationen zielgerichtet für
die Optimierung der Prozesse eingesetzt. Das Potenzial, Prozessdesign und Customer Journey Mapping
zu verbinden, ist erkannt, wird aber sowohl von grossen Unternehmen als auch von KMUs noch nicht
vollumfänglich ausgeschöpft.
Abb. 2.21
Nutzung der «Customer Journey«‐Erkenntnisse für die kundenorientierte
Prozessgestaltung/‐optimierung
×
Bei der Employee Journey zeigt sich ein ähnliches Bild (Abb. 2.22). Der Einsatz
für die Prozessoptimierung ist jedoch etwas schwächer ausgeprägt und erwartungsgemäss stärker durch
Grossunternehmen geprägt. Die Methode der Employee Journey, das heisst, die Adaption der Customer
Journey auf die Bedürfnisse und Interaktionen mit Mitarbeitenden, ist bei der Mehrzahl der befragten
Unternehmen noch nicht im Einsatz (siehe Abb. 2.16, 60 %). Dass weniger als die Hälfte der
verbleibenden 40 % der Unternehmen, die die Employee Journey systematisch oder gelegentlich
einsetzen, die Erkenntnisse nur begrenzt für die Prozessgestaltung einsetzen, könnte den Schluss
nahelegen, dass der Fokus bei der Prozessoptimierungen mit internem Fokus traditionell auf
Harmonisierung und Standardisierung liegt und nicht auf Mitarbeiterbefähigung und ‐bindung. Vor dem
Hintergrund allerdings, dass mehr als 80 % der befragten Unternehmen die Einführung innovativer
digitaler Arbeitsplätze für ihre Mitarbeitenden als Aktionsfeld der digitalen Transformation nennen
(siehe Abschn. 2.3, Abb. 2.12), scheint
schlichtweg die Employee Journey als Methode in diesem Kontext noch zu wenig bekannt oder –
insbesondere in KMUs – zu wenig relevant zu sein.
Abb. 2.22
Nutzung der «Employee Journey«‐Erkenntnisse für mitarbeiterorientierte
Prozessgestaltung/‐optimierung
×
Gestaltung der Kundeninteraktion
Kunden neue Interaktionsmöglichkeiten mit dem Unternehmen und dessen Produkten und
Dienstleistungen zu eröffnen, ist ein wesentlicher Aspekt der digitalen Transformation. Die oben
beschriebene konzeptionelle Sicht auf die Kundenperspektive in Form von Customer Journeys oder
Prozessmodellen bildet nur die Grundlage für die Ausgestaltung der Kundenbeziehung. Doch welche
Massnahmen ergreifen Unternehmen, um das Kundenerlebnis im operativen Geschäft effektiv zu verändern
(Abb. 2.23)?
Abb. 2.23
Aktivitäten zur Gestaltung der Kundeninteraktion
×
Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen erweitern oder optimieren digitale Touchpoints
oder Kanäle, allerdings überwiegend taktisch/punktuell (52 %) und weniger strategisch/systematisch
(26 %). Dies deckt sich mit dem medial geprägten Bild, dass Unternehmen digitale Transformation
typischerweise in Form von Einzelinitiativen betreiben, indem sie beispielsweise eine mobile App
lancieren oder eine Website modernisieren. Die gewünschte Durchgängigkeit der physischen und
digitalen Kundenerlebnisse scheinen Unternehmen dabei nicht aus den Augen zu verlieren, wobei auch
diese eher punktuell (43 %) als systematisch (22 %) stattfindet. Die physischen Kanäle werden im
Zeitalter des technologischen Wandels nicht vernachlässigt. Die Mehrzahl der befragten Unternehmen
(58 %) investiert weiterhin systematisch oder punktuell in die Optimierung ihrer physischen Kanäle
wie beispielsweise Ladenflächen. Ähnlich relevant ist in diesem Zusammenhang die Befähigung der
Mitarbeitenden mit Kundenkontakt durch digitale Hilfsmittel (61 %). Bemerkenswert ist, dass die
Erweiterung der digitalen Kanäle immerhin bei bereits fast der Hälfte der befragten Unternehmen so
weit geht, die Kunden ihre Oberflächen, Interaktionen oder gar Produkte und Dienstleistungen selbst
gestalten zu lassen (48 %). Allerdings bieten aktuell nur erst 10 % der befragten Unternehmen diese
fortgeschrittene Form der Digitalisierung ihren Kunden systematisch an. Interessant ist, dass obwohl
die Sicherstellung von Datenschutz und ‐sicherheit im Kontext der Digitalisierung bei rund der
Hälfte aller befragten Unternehmen bereits realisiert (27 %) oder in der Umsetzung ist (25 %;
vgl. Abschn. 2.3, Abb. 2.12), die
Transparenz der Datenhaltung für die Kunden noch kaum ein strategisches Thema auf Unternehmensebene
ist (12 %). Wenn überhaupt wird das Bedürfnis der Kunden, zu wissen oder gar zu bestimmen, welche
Daten wo und wie lange gespeichert werden und zu welchem Zweck Daten verwendet werden, nur punktuell
berücksichtigt (34 %). Dies legt den Schluss nahe, dass sich viele Unternehmen darauf beschränken,
die gesetzlichen Anforderungen in Sachen Datenschutz zu erfüllen, aber über diese Pflichtübung
hinaus keine weiteren Anstrengungen unternehmen, ihren Kunden mehr Kontrolle über die gespeicherten
Daten zu gewähren.
Grosse Unternehmen gehen die Optimierung der Kundeninteraktionen etwas aktiver an,
insbesondere wenn es um die Touchpoints, sowohl die digitalen als auch die physischen, aber auch um
die Durchgängigkeit der verschiedenen Kanäle geht (Abb. 2.24). Dafür gehen KMUs vergleichsweise stärker auf den
einzelnen Kunden ein und lassen ihn Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen
digitaler Touchpoints individuell und flexibel mitgestalten (59 % der befragten KMUs versus 41 % der
grossen Unternehmen).
Abb. 2.24
Aktivitäten zur Gestaltung der Kundeninteraktion – «systematisch oder punktuell»
nach Unternehmensgrösse
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2.6 Kundendaten: Quellen, Nutzung und Einsatz für die Prozessausführung
Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Kundendaten und operative Prozessdaten der
Treibstoff der digitalen Transformation sein können. Sie spielen eine zentrale Rolle, wenn es um die
kundenorientierte Ausgestaltung, Flexibilisierung und Optimierung der Prozesse geht. Doch nutzen
Unternehmen dieses Potenzial? Aus welchen Quellen und zu welchen Zwecken beziehen sie ihr
Kundenwissen und nutzen sie es für die Gestaltung des Kundenerlebnisses und der Prozessausführung?
Nehmen Unternehmen dabei die Verantwortung, die Datenhaltung für ihre Kunden transparent zu
gestalten, wahr?
Die etablierten Marketinginstrumente Kundenumfrage (77 %) und dedizierte Kundendatenbanken
oder CRM‐Systeme (67 %) sind für die befragten Unternehmen die wichtigsten Quellen für Kundendaten
(Abb. 2.25). Aber
auch Soziale Medien sind mit 57 % auf dem Vormarsch, wenn auch nur begrenzt systematisch ausgewertet
(15 %). Die Auswertung operativer Daten aus Kern‐ und Transaktionssystemen spielt durchaus eine
grosse Rolle (52 %), aber es bleibt noch Potenzial, diese Quellen systematisch für die Analyse des
Kundenverhaltens zu nutzen. Kaum auf dem Radar hingegen sind IoT‐Technologien, die abhängig von
Branche und Anwendungsfeld sicher eingesetzt oder getestet werden, aber deren Einsatzfeld
offensichtlich (noch) nicht in der Analyse des Kundenverhaltens gesehen wird.
Abb. 2.25
Quelle und Regelmässigkeit der Erhebung von Kundendaten
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KMUs und grosse Unternehmen nutzen Kundendatenbanken oder CRM‐Systeme und Kundenumfragen in
etwa in gleichem Masse, bei allen anderen Quellen sind die grossen Unternehmen aktiver (Abb. 2.26). Am
deutlichsten ist der Vorsprung der Grossen bei der Nutzung der Daten aus Kern‐ und
Transaktionssystemen. Fast zwei Drittel der befragten grossen Unternehmen nutzt sie, aber nur ein
Drittel der KMUs.
Abb. 2.26
Quelle und Regelmässigkeit der Erhebung von Kundendaten – nach
Unternehmensgrösse
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Um Kundendaten zentral für alle Unternehmensfunktionen und ‐systeme bereitzuhalten, haben sich
Kundendatenbanken oder funktionsreichere CRM‐Systeme etabliert (Abb. 2.27). 59 % der
befragten Unternehmen verfügen über diese zentralen Kundeninformationssysteme, aber nur 41 % nutzen
sie für Analysen und Berichte. Eine Ursache könnte im Informationsgehalt der Systeme liegen: Nur
38 % der Unternehmen speichern in ihren CRM‐Systemen über die reinen Kundenstammdaten hinaus auch
Informationen zu Kundentransaktionen und ‐interaktionen. Ähnlich schwach
ausgeprägt ist auch der Informationsfluss von den CRM‐Systemen in IT‐Systeme, die die
Prozessausführung automatisieren (36 %). Beide Erkenntnisse führen zum Schluss, dass CRM‐Systeme
noch unzureichend integriert sind. Eine mögliche Grundlage für die kundenorientierte
Prozessgestaltung und ‐steuerung scheint somit noch nicht ausreichend geschaffen beziehungsweise
ausgeschöpft.
Abb. 2.27
Verbreitung und Einsatzweise von CRM‐Systemen
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Kundendaten nutzen die befragten Unternehmen in erster Linie kumuliert und asynchron, das
heisst, Daten über Kunden und deren Verhalten werden zunächst gesammelt und ausgewertet, um dann
Rückschlüsse zu ziehen und Massnahmen abzuleiten (Abb. 2.28). Diese Erkenntnisse werden in erster Line
verwendet, um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder anzupassen (54 %). KMUs sind in
diesem Punkt führend (Abb. 2.29). (61 % der befragten KMUs versus 49 % der grossen
Unternehmen.) Kundendaten werden
ausserdem ausgewertet, um Webseiten oder Ladenflächen (48 %) zu optimieren und um Muster und
Tendenzen im Kundenbedarf zu erkennen sowie individuelle Empfehlungen ableiten zu können (44 %). Für
das Prozessdesign und die kundenorientierte Optimierung von Prozessen werden diese
Kundendatenauswertungen hingegen weniger genutzt (35 %). Synchrone Reaktionen auf das Verhalten
eines individuellen Kunden, die es erlauben, den Prozess in Echtzeit situationsspezifisch
anzupassen, sind erst knapp bei einem Fünftel der befragten Unternehmen Realität (19 %). Es besteht
also noch ungenutztes Potenzial, Kundendaten systematischer für flexiblere Prozesse und bessere
Kundenerlebnisse einzusetzen.
Abb. 2.28
Nutzung von Kundendaten
Abb. 2.29
Nutzung von Kundendaten – nach Unternehmensgrösse
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Beschränkte Datenherrschaft
Es bestätigt sich der Eindruck (siehe Abb. 2.23, Abschn. 2.5), dass die befragten Unternehmen noch kaum die Notwendigkeit sehen,
ihren Kunden über das gesetzliche Mindestmass hinaus Kontrolle oder zumindest Transparenz über die
gespeicherten Kundendaten zu gewähren (Abb. 2.30). Weniger als die Hälfte der Unternehmen geben an,
zumindest das Einverständnis der Kunden zur Datensammlung einzuholen (44 %). Die Notwendigkeit, dies
zu tun, ist unter Umständen kontextabhängig wie auch die Möglichkeit, dass Kunden die Speicherung
ihrer Daten unterbinden oder deren Löschung verlangen können (29 %). So kann es in bestimmten
Branchen und Anwendungsbereichen regulatorische Rahmenbedingungen geben, die es explizit
erforderlich machen, Daten oder Kundenkommunikationen aufzubewahren das heisst nicht zu
löschen. Insgesamt scheint das Bedürfnis der Kunden nach Transparenz bei den befragten Unternehmen
noch nicht spürbar beziehungsweise noch nicht adressiert zu sein: 19 % geben an, dass ihre Kunden
nicht wissen, welche Daten das Unternehmen über sie sammelt und nur 8 % der Unternehmen räumen ihren
Kunden ein Mitbestimmungsrecht darüber ein, ob und wofür Kundendaten gesammelt werden. Die Themen
Transparenz der Datenhaltung und persönliche Datenherrschaft scheinen also noch nicht ausreichend
adressiert zu sein.
Abb. 2.30
Einflussmöglichkeiten der Kunden auf die Datenhaltung (»Unsere
Kunden …«)
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Der vollständige Fragenkatalog findet sich im Anhang der Studie. Das Studiendesign sowie
die zugrundeliegenden Forschungsfragen und Hypothesen sind Gegenstand von Abschn. 1.2.
In einigen der folgenden Auswertungen wird auf die relative Beteiligung der
Unternehmen zu ihrer Grössen‐Gruppe, die gesamthaft an der Umfrage teilgenommen hat,
hingewiesen (z. B. «29 % der befragten KMUs und 42 % der befragten grossen Unternehmen geben
Transparenz als wichtigsten strategischen Treiber für das Prozessmanagement an», vgl. Abb. 2.5). Dies soll helfen, grössentypische Fokus‑, Reifegrad‐ und Vorgehensunterschiede
zu erkennen. Wird auf die Unternehmensgrösse nicht eingegangen, gibt es keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Grössengruppen.
Ohne Abbildung, Unterfrage D2a nach dem Fokus bei der Optimierung der User Experience: externe
Kunden, Mitarbeitende oder Partner (siehe Fragenkatalog in Abschn. 10.2).
Metadaten
Titel
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»