Musikauswählen, Telefonieren, Textnachrichten schreiben oder lesen: Die Ablenkung beim Autofahren durch moderne Technik wird laut Allianz-Versicherung mehr und mehr zum Unfallrisiko.
Die Handynutzung zum Spielen, Musikhören und Bilderanschauen während der Fahrt nimmt deutlich zu.
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Fahrerablenkung durch moderne Technik steigt. Das Unfallrisiko erhöht sich durch die Bedienung moderner Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komforttechniken um rund 50 %, wie die aktuelle Allianz-Ablenkungsstudie 2022 ermittelt hat. Die Sicherheitsforscher des Allianz-Zentrums für Technik (AZT) hatten gemeinsam mit der Gesellschaft für Innovative Marktforschung (GIM) im vergangenen Sommer mehr als 1.200 Autofahrer befragt.
"Die neue Allianz Studie zeigt, dass sich der Anteil an Autofahrerinnen und -fahrern, die das Smartphone in die Hand nehmen und eine Textnachricht schreiben oder lesen, zwischen 2016 und 2022 von 15 auf 24 Prozent um fast zwei Drittel erhöht hat", sagt Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT. "Diese Entwicklung ist besorgniserregend und gefährlich. Wer am Steuer während der Fahrt Nachrichten schreibt, hat ein mehr als 50 Prozent erhöhtes Unfallrisiko."
Bedienung des Bordcomputers lenkt ab
Dazu kommt: Displays lösen Tasten, Schalter, Drehknöpfe und Schieberegler in der Fahrzeugbedienung zunehmend ab. Verfügte 2016 nur ein Drittel aller Autofahrer über ein Fahrzeug mit einem zentralen Sichtfelddisplay zur Bedienung von Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komfortfunktionen (Bordcomputer), sei der Anteil inzwischen auf fast 50 % gestiegen. Rund die Hälfte dieser befragten Personen bestätigten in der Allianz-Studie, durch die Bedienung des Bordcomputers abgelenkt zu werden. Das Unfallrisiko erhöhe sich dadurch um 44 %.
Einige Funktionen sind besonders riskant: Wer beispielsweise eine Fahrerassistenzfunktion wie den Spurhalteassistenten zu fahrfremden Aktivitäten missbraucht und dabei beide Hände für längere Zeit vom Lenkrad nimmt, erhöht sein Unfallrisiko um 56 %. Werde das Autoradio über den Bordcomputer bedient, verdoppele sich das Risiko annähernd (89 %). Junge Autofahrer bis 24 Jahre seien besonders ablenkungsgefährdet: 30 % geben an, während der Fahrt mit dem Smartphone in der Hand zu telefonieren (alle Autofahre: 16 %). Vier von zehn sagen, elektronische Nachrichten mit dem Handy in der Hand zu tippen oder zu lesen – das entspreche einem Anstieg um den Faktor 2,5 zwischen 2016 und 2022.
Auch bei anderen Technikablenkungen steigt das Risiko. Besonders rasant sei die Entwicklung bei der Benutzung von Funktionen beziehungsweise Apps jenseits von Textnachrichten, Telefonaten oder Navigation. "Das Handy bzw. ein anderes elektronisches Gerät in der Hand wird immer mehr auch zum Spielen, Musikauswählen, Bilderanschauen, Websurfen oder anderem genutzt. Bei unserer Befragung 2016 bejahten dies nur sechs Prozent, im Jahr 2022 bekannte sich bereits jeder Fünfte (22 Prozent) dazu", sagt Lauterwasser.
Fahrerüberwachung stößt auf Ablehnung
Bei Unfällen, in denen Ablenkung eine Rolle spielte, verletzten sich 2021 laut Statistischem Bundesamt 8.233 Menschen, 117 starben, das sind knapp 5 % aller Getöteten (2.562). Die Dunkelziffer dürfte allerdings laut den Allianz-Sicherheitsforschern weit höher sein.
Gemäß der sogenannten General Safety Regulation (GSR) fordert die EU ab Juli 2026 ein System zur Erkennung der Fahrerablenkung (Advanced Driver Distraction Warning; ADDW) für alle neuzugelassenen Fahrzeuge. Allerdings steht laut der Allianz-Studie ein Großteil der Befragten einer elektronischen Überwachung des Fahrers, dem sogenannten Driver Monitoring, zur Fahrerzustandserkennung skeptisch gegenüber. So hätten lediglich 39 % der Befragten einer Kamera- beziehungsweise Infrarotabtastung von Augen, Gesicht beziehungsweise Kopf zugestimmt, bei der die Technik anonymisiert nur Ablenkung erkennt.