Zwar verbessern digitale Außenspiegel die Rundumsicht, doch ausgereift sind die Kamerasysteme laut ADAC noch nicht. Kleine Schäden können teuer werden.
Als Autofahrer stets den Überblick zu behalten, wird mit konventionellen Rückspiegeln aufgrund von Sichtbehinderungen durch Kopfstützen, C- und B-Säulen und Heckklappen mit kleinen Fenstern immer schwieriger. Für mehr Sicherheit und Komfort können Kamerasysteme sorgen. So bieten kamerabasierte Rückspiegel das Potenzial, ein größeres Sichtfeld zu schaffen und rückwärtige Verkehrsinformationen besser anzuzeigen. Gerade in unübersichtlichen Fahrzeugen erleichtern zum Beispiel Front-, Rückfahr- oder 360°-Kameras das Einparken und Rangieren erheblich.
Kameras am Fahrzeug können je nach Einbauort nahezu den kompletten Bereich hinter dem Fahrzeug erfassen, wie Forscher des Adrive Living Lab zusammen mit Partnern im Artikel Nutzererfahrung mit kamerabasierten Rückspiegeln aus der ATZ 3-2020 erklären. Die Bilder könnten in Echtzeit auf das Display des digitalen Rückspiegels übertragen werden und ein erweitertes Sichtfeld bieten. Zudem erweitern die Kameras auch die Sicht auf den toten Winkel, eröffnen mehr Freiheit beim Fahrzeugdesign und optimieren die Aerodynamik. Mit der Innenanzeige beruhigt sich auch die Blickachse des Fahrers.
Digitale Außenspiegel noch nicht ausgereift
Der ADAC weist jedoch darauf hin, dass diese Systeme nicht nur Chancen bieten, sondern auch Risiken und Kostenfallen mit sich bringen. Der Automobilclub bewertet seit dem Jahr 2000 im Autotest die Sicht aus dem Auto: Von über 3.000 seither getesteten Fahrzeugen hätten nur 20 mit "sehr gut" und 121 mit "gut" abgeschnitten. Die USA haben auf diese Entwicklung bereits reagiert, dort sind Rückfahrkameras seit 2018 in Neuwagen vorgeschrieben.
Einzelne Hersteller setzen neben Rund-um-Kameras inzwischen auch auf digitale Seiten- oder Innenspiegel, die unter anderem durch ein größeres Sichtfeld die Übersicht verbessern sollen. Der Blick nach hinten per Kamera ist auch dann frei, wenn die eigentliche Sicht durch Insassen oder Gepäck versperrt ist. Auch in Transportern oder Campern, die oft gar keine Heckscheibe haben, ist ein digitaler Rückspiegel hilfreich. Anders als bei einer Rückfahrkamera, wird das Bild direkt im Spiegel angezeigt und ist immer sichtbar. Zu den Herstellern, die digitale Außenspiegel anbieten, gehören zum Beispiel Audi und Hyundai. Im Nutzfahrzeug-Sektor wird der Mercedes Actros serienmäßig mit einer Spiegelkamera ausgerüstet.
Kleine Schäden können teuer werden
Zwar sollen virtuelle Außenspiegel aufgrund der kleineren Kameras den Luftwiderstand verringern und gleichzeitig den toten Winkel minimieren. Allerdings seien die Displays in der Türverkleidung oft ungünstig positioniert, so der ADAC, und es fehle die Möglichkeit, das Sichtfeld durch Verändern der Kopfposition zu vergrößern. "Außerdem ist die Tiefenwahrnehmung bei Displaydarstellungen erheblich eingeschränkt, was die Entfernungseinschätzung erschwert", heißt es vom Mobilitätsclub. Für Brillenträger würden die Systeme zusätzliche Risiken bergen, da Reflexionen und Blendungen auf den Displays die Sicht beeinträchtigen könnten.
Ein zentrales Risiko kamerabasierter Systeme liege laut ADAC in den hohen Reparaturkosten, die selbst bei kleinen Parkremplern entstehen könnten. "Die außen angebrachten Kameras sind oft exponiert und bei geringsten Kollisionen gefährdet. Ein leichter Kontakt mit einem Poller kann ausreichen, um die empfindlichen Kamerasysteme zu beschädigen", so der ADAC. Oft sei ein vollständiger Austausch der Kameraeinheit, einschließlich Linse, Sensor und Gehäuse, erforderlich. "Dieser Austausch geht schnell in die Hunderte Euro, insbesondere wenn danach eine aufwendige Kalibrierung mit spezieller Diagnoseausrüstung notwendig ist", heißt es. Hinzu komme, dass die Teilkaskoversicherung, obwohl sie für Glasschäden aufkommt, Schäden an den Kameralinsen in der Regel nicht abdecken.