Die aktuellen Diskussionen im Rahmen der Energiewende sind stark auf Stromerzeugung und den Ausbau der Stromnetze fokussiert. Die regenerative Wärmeversorgung, die einen essentiellen Teil zum Gelingen der Energiewende einnehmen muss, findet bislang zu wenig Beachtung. Die Tiefengeothermie kann hierbei einen maßgeblichen Beitrag leisten. Wesentliche Vorteile der Tiefengeothermie stellen Versorgungssicherheit und die Planbarkeit der Kostenentwicklung dar. Zudem zeigt das vorliegende Dossier: Die Kosten für eine erste Rentabilitätsprüfung von Tiefengeothermieprojekten lassen sich in vertretbaren Grenzen halten.
Mit geothermischer Energie kann man Strom erzeugen, im Untergrund Energie mit Wirkungsgraden von ca. 70 Prozent speichern, aber im Wesentlichen dient Geothermie der Wärme- und Kältebereitstellung. Geothermie bietet Versorgungssicherheit, denn sie steht 24 Stunden, 365 Tage im Jahr zur Verfügung. Zudem befindet sie sich als Energiequelle "unter unseren Füßen" in unserem Einflussbereich, so dass politische Risiken bei der Rohstoffbeschaffung wie z.B. bei Gasimporten entfallen.
Trotz moderater Untergrundtemperaturen in Deutschland gibt es ein beträchtliches geothermisches Potential (Jung et al. 2002, Paschen et al. 2003). In Deutschland sind aktuell 21 Geothermiekraftwerke bzw. tiefe Erdwärmesonden in Betrieb, 10 Projekte sind im Bau (GeoTIS.de Stand 10.07.2013). Die zunehmende Bedeutung der Geothermie wird neben diesen empirischen Datenerhebungen ebenso von Nitsch et al. (2011) (Abb. 1) prognostiziert, wobei die Nahwärmeversorgung mit Geothermie um 22 Prozent/Jahr bis 2030 anwachsen wird.
Tiefengeothermische Erschließungsmethoden
Grundsätzlich wird bei der Erschließung tiefengeothermischer Reservoire zwischen hydrothermalen und petrothermalen Systemen unterschieden (Abb. 2a).
Während hydrothermale Systeme natürlich vorhandene Bruchnetzwerke nutzen, sind in der Regel die Wasserdurchlässigkeiten von Tiefengesteinen zur Energiegewinnung um mehrere Größenordnungen zu niedrig, da diese im Gegensatz zur Temperatur mit der Tiefe abnimmt (DiPippo 2005). Um die Energie der heißen, wenig durchlässigen Tiefengesteine zu nutzen, werden in petrothermalen Systemen hydraulische Stimulationstechniken notwendig (Jung & Orzol 2005). Dabei wird Wasser mit Drücken bis 300 Megapascal (30 bar) über der natürlichen Gebirgsspannung in das Gestein verpresst, wodurch bereits bestehende Brüche aufgeweitet oder neue Schwächezonen gebildet werden und ein künstliches Wärmetauschersystem entsteht.
Vorteile und Risiken petrothermaler Tiefengeothermie
Trotz dieser immensen Vorteile ist man bei der Umsetzung von Geothermieprojekten recht zurückhaltend. Ein wesentlicher Grund dafür sind die hohen Kosten der Bohrungen, welche rund 70 Prozent der gesamten Investitionskosten in der Frühphase eines Tiefengeothermieprojektes betragen (Reinicke et al. 2010, Abb. 3). Daher ist es notwendig vor der Investition in die eigentliche Exploration zu testen, ob das geothermische Reservoir rentabel zu erschließen ist. Diese Fragestellung wird durch das sogenannte Fündigkeitsrisiko beschrieben. Weiterhin ist zu simulieren, ob das Reservoir auch über 30, 50 oder 100 Jahre hinweg thermische Energie liefern wird. Diese Frage wird mit dem sogenannten Betriebsrisiko beschrieben.
Eine Möglichkeit das Fündigkeitsrisiko zu minimieren bevor aufwendige Untersuchungen bezahlt werden müssen stellt die hier vorgestellte Methode dar
a) Aufschlussanalogstudien in Kombination mit der Analyse der Standortanforderungen, der Entwicklung eines Masterplanes zur Herstellung der öffentlichen Akzeptanz und
b) der Wirtschaftlichkeitsanalyse, wie sie in der Thüringer Machbarkeitsstudie für den Standort Erfurt mit Transfercharakter für Gotha vorgelegt wurde (Bielenberg & Raufuss (2009) sowie Raufuss et al. 2011).
Die hier vorgestellte Methodik wurde zwar für ein petrothermales Vorhaben eingesetzt, ist aber auch bei hydrothermalen Systemen anwendbar und sinnvoll.
Aufschlussanaloga zur Risikoreduzierung
Aufschlussanaloga sind Oberflächenanschnitte derselben Gesteine wie diejenigen, die für Tiefengeothermie genutzt werden sollen, z.B. Steinbrüche (Philipp et al. 2005, 2010). Durch die in Steinbrüchen ermittelten Parameter kann die geothermische Leistung geschätzt werden und mit dem Bedarf des Kunden, der meistens aus dem Bereich der Stadtwerke kommt, abgeglichen werden. Mit einer Simulation und Variation der Parameter der ober- und unterirdischen Anlagen können so Rahmenbedingungen ermittelt werden, die für den rentablen Betrieb eines Kraftwerks notwendig sind.
Die hier vorgestellte Methode ist in der frühesten Planungsphase ein vergleichsweise kostengünstiges Mittel zur Abschätzung der Sinnhaftigkeit eines Projektes und somit hilfreich zur Vermeidung von Fehlinvestitionen. Dies vor dem Hintergrund, dass aufwendige geophysikalische Messungen schnell mehr als eine halbe Million Euro kosten, Bohrungen mehrere Millionen Euro und der Einsatz dieser Methode, je nach Kundenbedarf, auch deutlich weniger als hunderttausend Euro.
Abschätzung möglicher Förderraten
Wie aus dem Vorangegangenem deutlich wird, ist in erster Linie die Wasserdurchlässigkeit der Gesteine in der Tiefe und die dadurch erzielbare Förderrate entscheidend für den Erfolg eines Tiefengeothermieprojekts. Dabei ist zu beachten, dass Wasser überwiegend durch Bruchnetzwerke im Gestein fließt, so dass nur Gesteine mit gut vernetzten Brüchen hohe Wasserdurchlässigkeiten erreichen. Ferner bestimmt auch die Öffnungsweite der Brüche in dritter Potenz die Menge des durchströmenden Wassers.
Durch die Multiplikation der Wasserdurchlässigkeiten in verschiedene Richtungen mit dem durch Pumpen in der Bohrung erzeugten tiefen Grundwasserspiegel und der Oberfläche möglicher Bohrlochumwandung wurden erzielbare Förderraten abgeschätzt, die jedoch nur wenige Milliliter pro Sekunde betragen. Dies verdeutlicht, dass die angestrebten Förderraten nur über Stimulationen möglich sind.
Modellierung des Spannungsfelds im Untergrund
Ob sich Brüche unter den gegebenen Bedingungen ausbreiten, hängt davon ab, ob die Spannungen im Einzelfall ausreichen, um die Festigkeit der Gesteine zu erreichen. Die Zugfestigkeit der Granite wurde unter Laborbedingungen als 7 – 9 MPa ermittelt, in der Natur reichen meist niedrigere Werte aus. Schon bei Zugspannungskonzentrationen von wenigen Megapascal (warme Farben in Abb. 7c und d) erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Bruchausbreitung. So ist in Abb. 7d deutlich zu erkennen, dass es bei einer hydraulischen Stimulation zur Bruchausbreitung kommt, die zur Verbesserung der Bruchvernetzung und damit zur Erhöhung der Wasserdurchlässigkeit führt.
Diskussion der Ergebnisse aus der Analogstudie
Im Gegensatz zur Kohlenwasserstoffindustrie, in der Aufschlussanalogstudien häufig angewendet werden, haben diese sich in der Geothermie-Exploration bisher nicht als Standardverfahren durchgesetzt. Bislang werden Aufschlussanalogstudien in Deutschland eher im Rahmen wissenschaftlicher Studien durchgeführt. Beispiele mit Ansätzen zur Weiterentwicklung für die geothermische Exploration umfassen den Buntsandstein im Norddeutschen Becken sowie den Muschelkalk im Kraichgau (Philipp et al. 2010).
Seit 2011 wird vom BMU ein Verbundforschungsprojekt finanziert, um Aufschlussanalogstudien als Methode in der geothermischen Exploration weiterzuentwickeln (Wenke et al. 2011). Aufschlussanaloga auf den Grabenschultern des Oberrheingrabens werden analysiert, um insbesondere Wasserdurchlässigkeiten in den entsprechenden Tiefenreservoiren besser vorherzusagen. Eines der Teilprojekte beschäftigt sich dabei insbesondere mit der verbesserten Charakterisierung und Prognose von Bruchnetzwerken (Bauer et al. 2012, Meier et al. 2012). Auch eine Doktorarbeit am Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ) beschäftigt sich mit der Methodenentwicklung (Schulz 2011).
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind prinzipiell auch auf andere granitische Körper übertragbar. In Granitkörpern treten typische Bruchmuster auf, die auf die mit der Abkühlung des Magmas verbundene Volumenabnahme zurückzuführen sind und bereits von Cloos (1922) beschrieben wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass die im Aufschluss angetroffenen Brüche überwiegend auch in der Tiefe vorhanden sind, und nicht in erster Linie durch den Aufstieg des Gesteins in die heutige Position hervorgerufen wurden.
Die für Modellierungen des Spannungszustands und damit der Bruchausbreitung notwendigen Parameter wie z.B. mechanische Eigenschaften der Gesteine in der Tiefe wären nur durch Triaxialtests, die Tiefenbedingungen simulieren, an Bohrkernen zu bestimmen. Sie können jedoch auch aus geophysikalischen Bohrlochmessungen abgeleitet werden. Umfangreiche mechanische Analysen zeigen, dass Testungen an Aufschlussproben, wie sie auch im vorliegenden Projekt durchgeführt werden, verlässliche Werte liefern (Reyer & Philipp, subm.).
Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen
Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird parallel zu den geowissenschaftlichen Datenerhebungen der Wärmebedarf, der bei dem Kunden innerhalb eines Jahres anfällt, anhand einer Jahresdauerlinie über 8760 Stunden pro Jahr dargestellt (Abb. 8). So wird ermittelt, wie viel Energie durch Geothermie bereitzustellen ist.
In Abb. 8 ist eine virtuelle Jahresdauerlinie dargestellt, wobei auf der x-Achse 8760 Stunden gegen den Energiebedarf auf der y-Achse abgetragen werden. Das Diagramm zeigt somit an, wie viel Energie über wie viele Stunden im Jahr bereitstehen muss. Als Grundlast bezeichnet man den Anteil, der permanent zur Verfügung stehen muss, wohingegen die Spitzenlast nur an wenigen Stunden im Jahr benötigt wird. Da Geothermie permanent zur Verfügung steht, bezeichnet man diese Energieform auch als grundlastfähig. Aus dem verkaufbaren Energiebedarf errechnet sich der Umsatz des Projektes, gegen den die Kosten für die diversen Gewerke zu stellen sind.
Variantenbetrachtungen und mögliche Ertragsentwicklung
Diesen positiven Anreiz verstärkt zudem der Vorteil vieler ostdeutscher Städte, wo vorhandene Fernwärmenetze genutzt werden können. Auf diese Weise kann nicht nur das Umsatzrisiko auf null reduziert, sondern auch die Investitionskosten erheblich gesenkt werden. Bei einigen Kostenblöcken besteht jedoch eine gewisse Unsicherheit. Diese erfordert eine Simulation, was passiert, wenn die Kosten für die entsprechenden Positionen bzw. Parameter um 10, 20 und 30 Prozent steigen oder sinken. Diese sog. Sensitivitätsanalyse zeigt als sensitivste Parameter beim Erfurter Projekt, welches auch nach Gotha in modifizierter Form transferierbar ist, die Preissteigerungsraten der zu verkaufenden Wärme, die Wärmeabsatzmenge an sich, sowie die Temperatur und die Förderrate. Eine Kumulation negativer Parameterentwicklungen würde das Projekt nicht rentabel erscheinen lassen. Jedoch lassen die Simulationen sowohl für die Untergrundstruktur als auch für übertägige Anlagen und die Wirtschaftlichkeit eine positive Entwicklung entsprechend Abb. 10 erwarten.
Ausblick & Exportpotential
Die hier dargestellte Methodik ist von Seiten der Wirtschaftlichkeitsanalyse auf petrothermale Systeme optimiert. Der Charme bei den petrothermalen Systemen besteht darin, dass man die Erschließung des geothermischen Reservoirs grundsätzlich auf die benötigte Energiemenge anpassen kann. Man bohrt also so tief, bis die benötigten Temperaturen und die Gesteine erreicht sind, die die notwendigen Förderraten zur Deckung des Energiebedarfs des Kunden bereitstellen.
Bei Generalunternehmern ist jedoch eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich der Umsetzung petrothermaler Projekte festzustellen. Die wesentlichen Gründe liegen darin, dass einerseits die gesamten Investitionskosten zu Beginn eines Projektes anfallen und nicht über die Projektlaufzeit verteilt sind. Andererseits ist insbesondere der Parameter der Förderrate noch nicht über eine sogenannte Fündigkeitsversicherung abzusichern.
Die in diesem Dossier vorgestellte Methode von Aufschlussanalogstudien gekoppelt mit einer Wirtschaftlichkeitssimulation tragen vor diesem Hintergrund dazu bei, das Risiko einer Fehlinvestition zu reduzieren. Dabei wurde eine kostengünstige Methode für Frühstphasen von Tiefengeothermieprojekten vorgestellt. Die Kosten für übertägige Anlagen lassen sich recht genau ermitteln, wohingegen die Kosten zur Erschließung des tiefen Untergrundes mit Unsicherheiten behaftet sind. Die Aufschlussanalogstudien stellen ein Instrument dar, mit dem diese Parameter sicherer werden. Am Beispiel Erfurt konnte gezeigt werden, dass es lohnenswert erscheint, in die nächsten Projektphasen zu investieren.
Danksagung
Die Autoren danken der Thüringer Energie & Greentech Agentur, ThEGA, die einen Wesentlichen Teil der in diesem Dossier dargestellten Ergebnisse zur Standortbewertung für ein Tiefengeothermieprojekt in Thüringen beauftragt hat – insbesondere Herrn Dr. Olaf Schümann für seine Unterstützung und Begleitung der Studie. Die Vorstudie hierzu wurde durch das Umweltamt der Stadt Erfurt beauftragt. Dem Klimaschutzkoordinator der Stadt Erfurt, Herrn Christian Prechtl möchten wir für seine Unterstüzung bei beiden Studien herzlich danken. Diesbezüglich möchten wir uns bei den an der Studie Beteiligten für die gute, unkomplizierte und intensive Zusammenarbeit bedanken. Dipl.-Ing. Peter Bielenberg, Prof. Dr. Stefan Hergarten, Ass.-jur. Wolfgang Graf v.Westarp, Dr. D. Feldmann, Sebastian Kutsch, Prof. Dr. Reinhard Gaupp, Dr. Michaela Aehnelt, Prof. Dr. Jonas Kley, Dr. Norbert Kasch, Dipl.-Geol. Sylvia Reyer, Dipl.-Geol. Ellen Rudel, Dipl.-Geol. Georg Merz, Dipl.-Geol. Kerstin Fohlert & Dipl.-Geol. Stephan Brauner. Zudem danken wir den Beteiligten Behörden, dem Thüringer Landesbergamt, TLBA und der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, TLUG für die Unterstützung unserer Arbeit. Herrn Prof. Dr. J. Fertig danken wir für wertvolle Hinweise. Herrn M. Schwincke sei für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung herzlich gedankt.
Die Autoren
Dipl. Geowiss. Johanna Bauer ist Doktorandin am Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August-Universität-Göttingen und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Bruchkontrollierte Fluidreservoire im Projekt "AuGE — Aufschlussanalogstudien und ihre Anwendbarkeit in der geothermischen Exploration", gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU, FKZ 0325302). |
Prof. Dr. Sonja Philipp hat die Juniorprofessur für Bruchkontrollierte Fluidreservoire am Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August-Universität Göttingen, Abteilung Strukturgeologie und Geodynamik, inne. Sie hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Geologie studiert und an der Universität Bergen, Norwegen promoviert. In der Forschung beschäftigt sie sich mit Grundlagenforschung zur Bruchausbreitung in Gesteinen und anwendungsorientierter Forschung zur tiefen Geothermie. Dabei kombiniert sie detaillierte Geländestudien mit Laboranalysen und Modellierung. |
Dr. Ingo Raufuss ist Unternehmer und beschäftigt sich mit der geowissenschaftlichen Reservoir-Analytik in den Bereichen Tiefengeothermie, Erdöl und Erdgas. Im Bereich Geothermie ist das Team der Reserv oir-Analytik spezialisiert auf die Prüfung der Sinnhaftigkeit und Rentabilität von Projekten in frühester Phase. Dr. Raufuss ist Vorsitzender des Vorstandes von Erdwärme Thüringen e.V., stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Innovation der IHK Erfurt, Mitglied im Ausschuss für Industrie und Forschung, DIHK Berlin und ehrenamtlicher Richter am Thüringer Finanzgericht, Gotha. |