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14.08.2013 | Erneuerbare Energien | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kostengünstige Rentabilitätsprüfung von Tiefengeothermieprojekten

17:30 Min. Lesedauer

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Die aktuellen Diskussionen im Rahmen der Energiewende sind stark auf Stromerzeugung und den Ausbau der Stromnetze fokussiert. Die regenerative Wärmeversorgung, die einen essentiellen Teil zum Gelingen der Energiewende einnehmen muss, findet bislang zu wenig Beachtung. Die Tiefengeothermie kann hierbei einen maßgeblichen Beitrag leisten. Wesentliche Vorteile der Tiefengeothermie stellen Versorgungssicherheit und die Planbarkeit der Kostenentwicklung dar. Zudem zeigt das vorliegende Dossier: Die Kosten für eine erste Rentabilitätsprüfung von Tiefengeothermieprojekten lassen sich in vertretbaren Grenzen halten.

Mit geothermischer Energie kann man Strom erzeugen, im Untergrund Energie mit Wirkungsgraden von ca. 70 Prozent speichern, aber im Wesentlichen dient Geothermie der Wärme- und Kältebereitstellung. Geothermie bietet Versorgungssicherheit, denn sie steht 24 Stunden, 365 Tage im Jahr zur Verfügung. Zudem befindet sie sich als Energiequelle "unter unseren Füßen" in unserem Einflussbereich, so dass politische Risiken bei der Rohstoffbeschaffung wie z.B. bei Gasimporten entfallen.

Die Bohrungen und der Bau bzw. Ausbau von Wärmenetzen stellen die wesentlichen Investitionen bei Geothermieprojekten dar. Diese Kosten fallen zu Beginn eines Projektes an, weshalb Zins und Tilgung hierfür planbar sind. Da der Rohstoff in unserem Einflussbereich ist, muss er nicht unter preislichen Risiken mit erheblichen Schwankungen am Weltmarkt eingekauft werden und unterliegt keiner Preissteigerungsrate. Daher sind die Betriebskosten deutlich geringer als bei anderen brennstoffbasierten Energieerzeugungssystemen. Die Geothermie hat daher neben der Versorgungssicherheit einen zweiten entscheidenden Vorteil: die Planungssicherheit der Energiekosten.

Trotz moderater Untergrundtemperaturen in Deutschland gibt es ein beträchtliches geothermisches Potential (Jung et al. 2002, Paschen et al. 2003). In Deutschland sind aktuell 21 Geothermiekraftwerke bzw. tiefe Erdwärmesonden in Betrieb, 10 Projekte sind im Bau (GeoTIS.de Stand 10.07.2013). Die zunehmende Bedeutung der Geothermie wird neben diesen empirischen Datenerhebungen ebenso von Nitsch et al. (2011) (Abb. 1) prognostiziert, wobei die Nahwärmeversorgung mit Geothermie um 22 Prozent/Jahr bis 2030 anwachsen wird.

Tiefengeothermische Erschließungsmethoden

Grundsätzlich wird bei der Erschließung tiefengeothermischer Reservoire zwischen hydrothermalen und petrothermalen Systemen unterschieden (Abb. 2a).

Hydrothermale Systeme nutzen tiefliegende Thermalwasservorräte zur Energiegewinnung. Hingegen sind petrothermale Reservoire heiße Tiefengesteine ohne zirkulierendes Thermalwasservorkommen (Abb. 2a). Hydrothermale Geothermiekraftwerke sind in Deutschland zwar häufiger als petrothermale Systeme, jedoch liegt in den petrothermalen Ressourcen des tiefen Kristallins mit 95 Prozent das weitaus höhere geothermische Potential (Abb. 2b). Die Gewinnung der Wärmeenergie aus petrothermalen Systemen erfolgt mit einem Dubletten- oder Tripletten-System, bestehend aus einer Injektionsbohrung und zwei Förderbohrungen. Dabei wird Wasser in den Untergrund verpresst, aufgeheizt und wieder gefördert (Abb. 2a links). Sowohl bei hydrothermalen als auch bei petrothermalen Systemen ist die mögliche Förderrate und damit die Effizienz der geothermischen Energiegewinnung vom Bruchnetzwerk im Untergrund abhängig (Huenges et al. 2004).

Während hydrothermale Systeme natürlich vorhandene Bruchnetzwerke nutzen, sind in der Regel die Wasserdurchlässigkeiten von Tiefengesteinen zur Energiegewinnung um mehrere Größenordnungen zu niedrig, da diese im Gegensatz zur Temperatur mit der Tiefe abnimmt (DiPippo 2005). Um die Energie der heißen, wenig durchlässigen Tiefengesteine zu nutzen, werden in petrothermalen Systemen hydraulische Stimulationstechniken notwendig (Jung & Orzol 2005). Dabei wird Wasser mit Drücken bis 300 Megapascal (30 bar) über der natürlichen Gebirgsspannung in das Gestein verpresst, wodurch bereits bestehende Brüche aufgeweitet oder neue Schwächezonen gebildet werden und ein künstliches Wärmetauschersystem entsteht.

Vorteile und Risiken petrothermaler Tiefengeothermie

Bei hydrothermalen Systemen sind sowohl Temperatur als auch die Wasserdurchlässigkeiten im Gestein durch die Natur vorgegeben, so dass deren Erschließung ein hohes Risiko birgt (Paschen et al. 2003, Jung 2007). Der Vorteil petrothermaler Tiefengeothermie liegt in einer frei wählbaren Bohrtiefe und der einhergehenden Temperatur sowie in der Ortsunabhängigkeit des Reservoirs, da kein lokal begrenzter Thermalwasservorrat erschlossen werden muss. Zudem birgt die Nutzung kristalliner Gesteine nach einer hydraulischen Stimulation ein geringeres wirtschaftliches Risiko, da die für den Wärmeentzug benötigten Bruchnetzwerke künstlich geschaffen werden (Paschen et al. 2003).

Trotz dieser immensen Vorteile ist man bei der Umsetzung von Geothermieprojekten recht zurückhaltend. Ein wesentlicher Grund dafür sind die hohen Kosten der Bohrungen, welche rund 70 Prozent der gesamten Investitionskosten in der Frühphase eines Tiefengeothermieprojektes betragen (Reinicke et al. 2010, Abb. 3). Daher ist es notwendig vor der Investition in die eigentliche Exploration zu testen, ob das geothermische Reservoir rentabel zu erschließen ist. Diese Fragestellung wird durch das sogenannte Fündigkeitsrisiko beschrieben. Weiterhin ist zu simulieren, ob das Reservoir auch über 30, 50 oder 100 Jahre hinweg thermische Energie liefern wird. Diese Frage wird mit dem sogenannten Betriebsrisiko beschrieben.

Eine Möglichkeit das Fündigkeitsrisiko zu minimieren bevor aufwendige Untersuchungen bezahlt werden müssen stellt die hier vorgestellte Methode dar

a) Aufschlussanalogstudien in Kombination mit der Analyse der Standortanforderungen, der Entwicklung eines Masterplanes zur Herstellung der öffentlichen Akzeptanz und

b) der Wirtschaftlichkeitsanalyse, wie sie in der Thüringer Machbarkeitsstudie für den Standort Erfurt mit Transfercharakter für Gotha vorgelegt wurde (Bielenberg & Raufuss (2009) sowie Raufuss et al. 2011).

Die hier vorgestellte Methodik wurde zwar für ein petrothermales Vorhaben eingesetzt, ist aber auch bei hydrothermalen Systemen anwendbar und sinnvoll.

Aufschlussanaloga zur Risikoreduzierung

Aufschlussanaloga sind Oberflächenanschnitte derselben Gesteine wie diejenigen, die für Tiefengeothermie genutzt werden sollen, z.B. Steinbrüche (Philipp et al. 2005, 2010). Durch die in Steinbrüchen ermittelten Parameter kann die geothermische Leistung geschätzt werden und mit dem Bedarf des Kunden, der meistens aus dem Bereich der Stadtwerke kommt, abgeglichen werden. Mit einer Simulation und Variation der Parameter der ober- und unterirdischen Anlagen können so Rahmenbedingungen ermittelt werden, die für den rentablen Betrieb eines Kraftwerks notwendig sind.

Die hier vorgestellte Methode ist in der frühesten Planungsphase ein vergleichsweise kostengünstiges Mittel zur Abschätzung der Sinnhaftigkeit eines Projektes und somit hilfreich zur Vermeidung von Fehlinvestitionen. Dies vor dem Hintergrund, dass aufwendige geophysikalische Messungen schnell mehr als eine halbe Million Euro kosten, Bohrungen mehrere Millionen Euro und der Einsatz dieser Methode, je nach Kundenbedarf, auch deutlich weniger als hunderttausend Euro.

Abschätzung möglicher Förderraten

Wie aus dem Vorangegangenem deutlich wird, ist in erster Linie die Wasserdurchlässigkeit der Gesteine in der Tiefe und die dadurch erzielbare Förderrate entscheidend für den Erfolg eines Tiefengeothermieprojekts. Dabei ist zu beachten, dass Wasser überwiegend durch Bruchnetzwerke im Gestein fließt, so dass nur Gesteine mit gut vernetzten Brüchen hohe Wasserdurchlässigkeiten erreichen. Ferner bestimmt auch die Öffnungsweite der Brüche in dritter Potenz die Menge des durchströmenden Wassers.

Daher ist es notwendig, vorhandene Brüche möglichst genau zu charakterisieren (Philipp et al. 2005; 2010). Die zu erwartenden Gesteine des Grundgebirges (Granit) von Erfurt und Gotha sind im Thüringer Wald an der Oberfläche zu beobachten. Daher wurden an neun größeren Aufschlüssen strukturgeologische Untersuchungen durchgeführt, um Informationen über das Bruchnetzwerk zu erhalten und mögliche Förderraten abzuschätzen. Das Arbeitskonzept dieser Studie ist in Abb. 4 zusammenfassend dargestellt. Da der Granit in Thüringen bislang nicht mit Bohrungen erschlossen wurde und folglich keine Pumptests zur Förderrate durchgeführt wurden, ist in dieser Studie erstmalig die mögliche Förderrate über einen analytischen Ansatzweg abgeschätzt worden. Um ferner das Bruchverhalten der Granite während der hydraulischen Stimulation abzuschätzen, wurden computergestützte Modelle zum Spannungsfeld erstellt. Als Eingangsparameter ist hier vor allem die Festigkeit der Gesteine von Bedeutung, welche im Labor bestimmt wurde und angibt wie stark das Gestein belastet werden kann bevor es bricht (vgl. Abb. 7).

In Abb. 5 (links) sind Fotographien der untersuchten Steinbrüche und der dazugehörigen Gesteinsanschnitten (Höhe 5 cm) dargestellt. Günstig für die Wasserdurchlässigkeit ist, dass die Brüche gut miteinander vernetzt sind (Abb. 5, mitte). Die Bruchrichtungen sind in der Art eines in die Kreisform gebrachten Histogramms dargestellt (Abb. 5, rechts). Die Länge der Balken entspricht somit der prozentualen Häufigkeit und deren Lage der tatsächlichen räumlichen Orientierung, wodurch Vorzugsrichtungen direkt zu erkennen sind. Die generell breite Streuung der Bruchrichtungen erhöht hierbei die Wahrscheinlichkeit, dass Bruchnetzwerke entstehen, die hohe Wasserdurchlässigkeiten schaffen.

Anhand der gemessenen Bruchöffnungsweiten wurden analytische Modelle nach Bear (1993) verwendet, um die bruchbezogenen Wasserdurchlässigkeiten der Granite zu ermitteln. Hierbei wird davon ausgegangen, dass aufgrund des hohen Überlagerungsdrucks die Bruchöffnungsweiten in der angestrebten Tiefe etwa ein hundertstel geringer sind als an der Oberfläche (vgl. Lee & Farmer 1993). Da die Bruchrichtungen stark wechseln und auch keine erhöhten Öffnungsweiten in einzelnen Richtungen auftreten, ist dementsprechend keine markante Vorzugsrichtung für die Wasserdurchlässigkeit in der Tiefe zu erwarten (Abb. 6).

Durch die Multiplikation der Wasserdurchlässigkeiten in verschiedene Richtungen mit dem durch Pumpen in der Bohrung erzeugten tiefen Grundwasserspiegel und der Oberfläche möglicher Bohrlochumwandung wurden erzielbare Förderraten abgeschätzt, die jedoch nur wenige Milliliter pro Sekunde betragen. Dies verdeutlicht, dass die angestrebten Förderraten nur über Stimulationen möglich sind.

Modellierung des Spannungsfelds im Untergrund

Das Spannungsfeld beschreibt die Kräfte, die durch Lasteinwirkung im Untergrund entstehen und ist wichtig, um zu klären, inwieweit bei der hydraulischen Stimulation des Granits künstliche Fließwege geschaffen werden können. Um also die wahrscheinliche Bruchausbreitung und die damit verbundene Erhöhung der Wasserdurchlässigkeit im Tiefengestein abzuwägen, wurde der Spannungszustand in 5000 m Tiefe simuliert. In der angestrebten Tiefe ist eine vertikale Spannung von 61 Megapascal (MPa) und eine horizontale von 17 MPa zu erwarten (Röckel & Lempp 2003). Der Überdruck des bei der hydraulischen Stimulation verpressten Wassers wurde mit 20 MPa angenommen. Abb. 7a zeigt den Modellausschnitt von 10 x 10 m aus der Trusetaler Schlucht und die Bruch- sowie Modellgeometrien sind in Abb. 7b zu finden. Die Modellergebnisse der resultierenden Zugspannung der Gesteine in 5.000 m Tiefe sind in Abb. 7c und während der hydraulischen Stimulation in Abb. 7d dargestellt.

Ob sich Brüche unter den gegebenen Bedingungen ausbreiten, hängt davon ab, ob die Spannungen im Einzelfall ausreichen, um die Festigkeit der Gesteine zu erreichen. Die Zugfestigkeit der Granite wurde unter Laborbedingungen als 7 – 9 MPa ermittelt, in der Natur reichen meist niedrigere Werte aus. Schon bei Zugspannungskonzentrationen von wenigen Megapascal (warme Farben in Abb. 7c und d) erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Bruchausbreitung. So ist in Abb. 7d deutlich zu erkennen, dass es bei einer hydraulischen Stimulation zur Bruchausbreitung kommt, die zur Verbesserung der Bruchvernetzung und damit zur Erhöhung der Wasserdurchlässigkeit führt.

Diskussion der Ergebnisse aus der Analogstudie

Im Gegensatz zur Kohlenwasserstoffindustrie, in der Aufschlussanalogstudien häufig angewendet werden, haben diese sich in der Geothermie-Exploration bisher nicht als Standardverfahren durchgesetzt. Bislang werden Aufschlussanalogstudien in Deutschland eher im Rahmen wissenschaftlicher Studien durchgeführt. Beispiele mit Ansätzen zur Weiterentwicklung für die geothermische Exploration umfassen den Buntsandstein im Norddeutschen Becken sowie den Muschelkalk im Kraichgau (Philipp et al. 2010).

Seit 2011 wird vom BMU ein Verbundforschungsprojekt finanziert, um Aufschlussanalogstudien als Methode in der geothermischen Exploration weiterzuentwickeln (Wenke et al. 2011). Aufschlussanaloga auf den Grabenschultern des Oberrheingrabens werden analysiert, um insbesondere Wasserdurchlässigkeiten in den entsprechenden Tiefenreservoiren besser vorherzusagen. Eines der Teilprojekte beschäftigt sich dabei insbesondere mit der verbesserten Charakterisierung und Prognose von Bruchnetzwerken (Bauer et al. 2012, Meier et al. 2012). Auch eine Doktorarbeit am Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ) beschäftigt sich mit der Methodenentwicklung (Schulz 2011).

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind prinzipiell auch auf andere granitische Körper übertragbar. In Granitkörpern treten typische Bruchmuster auf, die auf die mit der Abkühlung des Magmas verbundene Volumenabnahme zurückzuführen sind und bereits von Cloos (1922) beschrieben wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass die im Aufschluss angetroffenen Brüche überwiegend auch in der Tiefe vorhanden sind, und nicht in erster Linie durch den Aufstieg des Gesteins in die heutige Position hervorgerufen wurden.

Die für Modellierungen des Spannungszustands und damit der Bruchausbreitung notwendigen Parameter wie z.B. mechanische Eigenschaften der Gesteine in der Tiefe wären nur durch Triaxialtests, die Tiefenbedingungen simulieren, an Bohrkernen zu bestimmen. Sie können jedoch auch aus geophysikalischen Bohrlochmessungen abgeleitet werden. Umfangreiche mechanische Analysen zeigen, dass Testungen an Aufschlussproben, wie sie auch im vorliegenden Projekt durchgeführt werden, verlässliche Werte liefern (Reyer & Philipp, subm.).

Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind nun geowissenschaftliche Parameter zum geothermischen Reservoir ermittelt worden, die auch auf die Dauer von 30, 50 oder 100 Jahren Betriebszeit simuliert wurden (Raufuss et al. 2011). Neben dem zur Erschließung des Reservoirs notwendigen Bohrungsausbau muss auch die Dimensionierung der oberirdischen Anlagen dargestellt werden. Hierbei finden dann Parameter Eingang wie z.B. Kraftwerksanlagen, der eventuelle Bau eines Fern- bzw. Nahwärmenetzes, Hausübergabestationen, etc.. Im Anschluß daran werden die zur Herstellung der öffentlichen Akzeptanz notwendigen Themenkomplexe identifiziert, ausgewertet und schnellstmöglich mit den vom Projekt betroffenen Personengruppen diskutiert. Für all dies werden die Kosten ermittelt.

Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird parallel zu den geowissenschaftlichen Datenerhebungen der Wärmebedarf, der bei dem Kunden innerhalb eines Jahres anfällt, anhand einer Jahresdauerlinie über 8760 Stunden pro Jahr dargestellt (Abb. 8). So wird ermittelt, wie viel Energie durch Geothermie bereitzustellen ist.

In Abb. 8 ist eine virtuelle Jahresdauerlinie dargestellt, wobei auf der x-Achse 8760 Stunden gegen den Energiebedarf auf der y-Achse abgetragen werden. Das Diagramm zeigt somit an, wie viel Energie über wie viele Stunden im Jahr bereitstehen muss. Als Grundlast bezeichnet man den Anteil, der permanent zur Verfügung stehen muss, wohingegen die Spitzenlast nur an wenigen Stunden im Jahr benötigt wird. Da Geothermie permanent zur Verfügung steht, bezeichnet man diese Energieform auch als grundlastfähig. Aus dem verkaufbaren Energiebedarf errechnet sich der Umsatz des Projektes, gegen den die Kosten für die diversen Gewerke zu stellen sind.

Variantenbetrachtungen und mögliche Ertragsentwicklung

In Bielenberg & Raufuß (2009) wurden zwei Varianten betrachtet. Für Variante I wurde eine Triplette mit einer Endteufe von 5000 m betrachtet. Die Ergebnisse der in dieser Studie durchgeführten Sensitivitätsanalyse zeigen, dass die Untergrund-Parameter kaum von den prognostizierten Werten abweichen dürfen, um ein wirtschaftlich arbeitendes Kraftwerk zu etablieren. Daher wurde in Variante II eine Triplette mit 6000m tiefen Bohrungen betrachtet. In Abb. 9 sind vier Varianten einer petrothermalen 6000 m tiefen Triplette mit Förderraten von 80 l/s bei einem geothermischen Gradienten von 3K/100m dargestellt. D.h. in einer Tiefe von 6000m werden 180°C heiße Gesteine erwartet. Ein Fernwärmenetz existiert. Es zeigt sich, dass die reine Verstromung (Variante A) nicht rentabel ist. Reine Verstromung liefert einen Wirkungsgrad von ca. 11 Prozent. D.h., dass aus der gewonnenen thermischen Energie 11 Prozent Strom erzeugt werden können. In Anbetracht der verkaufbaren Wärmemenge stellt die zweite Variante (B) die realistischste dar. Der Parallelbetrieb von Strom und Wärmeerzeugung weist einen Wirkungsgrad von 63 Prozent aus. Gleichwohl wäre die effizienteste Lösung die vierte Variante (D), eine reine Wärmeerzeugung mit einem Wirkungsgrad von 98 Prozent. Für dieses effizienteste aller Szenarien sind in Abb. 10 aus Bielenberg & Raufuss (2009) relevante betriebswirtschaftliche Kennzahlen über einen Zeitraum von 30 Jahren dargestellt.

Eine der wichtigen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die Aussagen zur Rentabilität eines Vorhabens machen, ist das sog. EBITDA, d.h. der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Das Verhältnis von EBITDA zum Kapitaldienst beschreibt den Schuldendienstdeckungsgrad (Reif 2010), der zur Finanzierung für die Kapitalgeber bzw. Banken eine wichtige Kennziffer darstellt. Aus Abb. 10 kann dieser insofern abgelesen werden, indem man die Stärke des "Auseinanderlaufens" dieser beiden Kurven betrachtet. Der Schuldendienstdeckungsgrad verläuft über 30 Jahre nach kurzer schlechter "Anlaufzeit" durchweg positiv. Ein Projekt kann somit als lohnenswert eingeschätzt werden.

Diesen positiven Anreiz verstärkt zudem der Vorteil vieler ostdeutscher Städte, wo vorhandene Fernwärmenetze genutzt werden können. Auf diese Weise kann nicht nur das Umsatzrisiko auf null reduziert, sondern auch die Investitionskosten erheblich gesenkt werden. Bei einigen Kostenblöcken besteht jedoch eine gewisse Unsicherheit. Diese erfordert eine Simulation, was passiert, wenn die Kosten für die entsprechenden Positionen bzw. Parameter um 10, 20 und 30 Prozent steigen oder sinken. Diese sog. Sensitivitätsanalyse zeigt als sensitivste Parameter beim Erfurter Projekt, welches auch nach Gotha in modifizierter Form transferierbar ist, die Preissteigerungsraten der zu verkaufenden Wärme, die Wärmeabsatzmenge an sich, sowie die Temperatur und die Förderrate. Eine Kumulation negativer Parameterentwicklungen würde das Projekt nicht rentabel erscheinen lassen. Jedoch lassen die Simulationen sowohl für die Untergrundstruktur als auch für übertägige Anlagen und die Wirtschaftlichkeit eine positive Entwicklung entsprechend Abb. 10 erwarten.

Ausblick & Exportpotential

Die hier dargestellte Methodik ist von Seiten der Wirtschaftlichkeitsanalyse auf petrothermale Systeme optimiert. Der Charme bei den petrothermalen Systemen besteht darin, dass man die Erschließung des geothermischen Reservoirs grundsätzlich auf die benötigte Energiemenge anpassen kann. Man bohrt also so tief, bis die benötigten Temperaturen und die Gesteine erreicht sind, die die notwendigen Förderraten zur Deckung des Energiebedarfs des Kunden bereitstellen.

Die Weltkartendarstellung in Abb. 11 zeigt die Ländergröße nicht entsprechend ihrer Fläche, sondern entsprechend ihres Energieverbrauchs. Die gelben Sterne markieren die Vorzugsgebiete für Geothermie, mit aktuell großen installierten Kraftwerksleistungen. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Störungs- und hydrothermale Systeme (vgl. Abb. 2b). Die petrothermalen Systeme können grundsätzlich in den Regionen der Erde angewendet werden, wo die Energie auch benötigt wird. Wie die Abbildung 2b zeigt und sich aus Abbildung 11 ableiten lässt, bieten petrothermale Systeme das größte Potential im Bereich der tiefen Geothermie. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Bei Generalunternehmern ist jedoch eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich der Umsetzung petrothermaler Projekte festzustellen. Die wesentlichen Gründe liegen darin, dass einerseits die gesamten Investitionskosten zu Beginn eines Projektes anfallen und nicht über die Projektlaufzeit verteilt sind. Andererseits ist insbesondere der Parameter der Förderrate noch nicht über eine sogenannte Fündigkeitsversicherung abzusichern.

Die in diesem Dossier vorgestellte Methode von Aufschlussanalogstudien gekoppelt mit einer Wirtschaftlichkeitssimulation tragen vor diesem Hintergrund dazu bei, das Risiko einer Fehlinvestition zu reduzieren. Dabei wurde eine kostengünstige Methode für Frühstphasen von Tiefengeothermieprojekten vorgestellt. Die Kosten für übertägige Anlagen lassen sich recht genau ermitteln, wohingegen die Kosten zur Erschließung des tiefen Untergrundes mit Unsicherheiten behaftet sind. Die Aufschlussanalogstudien stellen ein Instrument dar, mit dem diese Parameter sicherer werden. Am Beispiel Erfurt konnte gezeigt werden, dass es lohnenswert erscheint, in die nächsten Projektphasen zu investieren.

Danksagung

Die Autoren danken der Thüringer Energie & Greentech Agentur, ThEGA, die einen Wesentlichen Teil der in diesem Dossier dargestellten Ergebnisse zur Standortbewertung für ein Tiefengeothermieprojekt in Thüringen beauftragt hat – insbesondere Herrn Dr. Olaf Schümann für seine Unterstützung und Begleitung der Studie. Die Vorstudie hierzu wurde durch das Umweltamt der Stadt Erfurt beauftragt. Dem Klimaschutzkoordinator der Stadt Erfurt, Herrn Christian Prechtl möchten wir für seine Unterstüzung bei beiden Studien herzlich danken. Diesbezüglich möchten wir uns bei den an der Studie Beteiligten für die gute, unkomplizierte und intensive Zusammenarbeit bedanken. Dipl.-Ing. Peter Bielenberg, Prof. Dr. Stefan Hergarten, Ass.-jur. Wolfgang Graf v.Westarp, Dr. D. Feldmann, Sebastian Kutsch, Prof. Dr. Reinhard Gaupp, Dr. Michaela Aehnelt, Prof. Dr. Jonas Kley, Dr. Norbert Kasch, Dipl.-Geol. Sylvia Reyer, Dipl.-Geol. Ellen Rudel, Dipl.-Geol. Georg Merz, Dipl.-Geol. Kerstin Fohlert & Dipl.-Geol. Stephan Brauner. Zudem danken wir den Beteiligten Behörden, dem Thüringer Landesbergamt, TLBA und der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, TLUG für die Unterstützung unserer Arbeit. Herrn Prof. Dr. J. Fertig danken wir für wertvolle Hinweise. Herrn M. Schwincke sei für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung herzlich gedankt.

Die Autoren

Dipl. Geowiss. Johanna Bauer ist Doktorandin am Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August-Universität-Göttingen und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Bruchkontrollierte Fluidreservoire im Projekt "AuGE — Aufschlussanalogstudien und ihre Anwendbarkeit in der geothermischen Exploration", gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU, FKZ 0325302).
Prof. Dr. Sonja Philipp hat die Juniorprofessur für Bruchkontrollierte Fluidreservoire am Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August-Universität Göttingen, Abteilung Strukturgeologie und Geodynamik, inne. Sie hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Geologie studiert und an der Universität Bergen, Norwegen promoviert. In der Forschung beschäftigt sie sich mit Grundlagenforschung zur Bruchausbreitung in Gesteinen und anwendungsorientierter Forschung zur tiefen Geothermie. Dabei kombiniert sie detaillierte Geländestudien mit Laboranalysen und Modellierung.
Dr. Ingo Raufuss ist Unternehmer und beschäftigt sich mit der geowissenschaftlichen Reservoir-Analytik in den Bereichen Tiefengeothermie, Erdöl und Erdgas. Im Bereich Geothermie ist das Team der Reserv oir-Analytik spezialisiert auf die Prüfung der Sinnhaftigkeit und Rentabilität von Projekten in frühester Phase. Dr. Raufuss ist Vorsitzender des Vorstandes von Erdwärme Thüringen e.V., stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Innovation der IHK Erfurt, Mitglied im Ausschuss für Industrie und Forschung, DIHK Berlin und ehrenamtlicher Richter am Thüringer Finanzgericht, Gotha.

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