Skip to main content

27.04.2015 | Erneuerbare Energien | Interview | Online-Artikel

Möglichkeiten und Grenzen von PV-Genossenschaften

verfasst von: Günter Knackfuß

5 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Die HEG Heidelberger Energiegenossenschaft eG ist erfolgreich bei der Selbstvermarktung von Ökostrom. Wir sprachen mit dem Vorstandsmitglied Nicolai Ferchl über Vermarktungsmodelle und Ausschreibungen für PV-Anlagen.

Springer für Professionals: Als Stromversorger liefern sie 100 Prozent Ökostrom – von Bürger für Bürger. Wie gestalten sie die Selbstvermarktung?

Nicolai Ferchl: Weil der Aufwand für uns als einzelne Genossenschaft sehr groß wäre, haben wir uns mit anderen Energiegenossenschaften zusammengeschlossen und können so im unabhängigen Verbund der "Bürgerwerke" an alle Bürgerinnen und Bürger Strom liefern. Dabei integrieren wir auch genossenschaftlichen Solar- und Wind-Strom in unser Ökostromprodukt, den restlichen Strom beziehen wir aus einem deutschen Wasserkraftwerk. Jede Anlage aus der geliefert wird, ist für die volle Transparenz online dokumentiert. Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr genossenschaftlichen Ökostrom können wir direkt liefern und damit die Energiewende zu einer runden Sache machen.

Mit dem Mehrfamilienhausmodell, für das die HEG 2014 den Deutschen Solarpreis von Eurosolar verliehen bekam, sind Sie Ideengeber. Wie funktioniert diese Variante?

Weitere Artikel zum Thema

Die Lieferung von Solarstroms vom "eigenen Dach" im Mehrfamilienhaus funktioniert etwas anders, weil der Solarstrom direkt im Gebäude geliefert wird ohne das öffentliche Netz zu nutzen. Im Unterschied zur zuvor beschriebenen Variante, bei der alle Menschen beliefert werden können, ist sie den Mietern in den jeweiligen Gebäuden vorbehalten. Wenn tagsüber im Mehrfamilienhaus Strom verbraucht wird, dann kommt dieser primär aus der Solaranlage vom Dach des Mehrfamilienhauses – nur wenn der Solarstrom nicht ausreicht, wird von uns Ökostrom aus dem Netz dazu geliefert. So können wir zu jeder Zeit eine sichere Versorgung mit Ökostrom gewährleisten.

Darüber hinaus bieten Sie noch andere Geschäftsmodelle an; welche sind das?

Bei der Gründung der Genossenschaft sind wir als Betreiber von Solaranlagen gestartet. Das heißt wir investieren Kapital in Solaranlagen, das uns unsere Mitglieder leihen und betreiben diese Anlagen. Dass wir uns überlegt haben wie wir den Strom direkt verkaufen können war also erst der zweite Schritt, zuvor waren wir eine klassische Strom-Erzeuger-Genossenschaft. Wir wollen auch weiterhin neue Solaranlagen bauen, denn mittlerweile produzieren diese sehr günstigen Strom. Nur leider wurden die Rahmenbedingungen von der Politik sehr stark eingeschränkt, sodass es für Fremdbetreiber wie uns derzeit kaum möglich ist wirtschaftlich Anlagen zu betreiben. Für Privatpersonen lohnt es sich zwar nach wie vor, aber Mieterstrommodelle werden hier ungleich behandelt.

 

Die Experten diskutieren aktuell das Thema Ausschreibungen. Wo sehen sie die Chancen und Risiken dabei?

Ehrlich gesagt sehe ich persönlich keine Chancen – in der Begründung zur Verordnung für PV-Freiflächen wird behauptet, dass dadurch günstiger Anlagen gebaut werden können. Das halte ich allerdings für illusorisch, da Projektierer nun das Risiko einpreisen müssen, bei den Ausschreibungen nicht zum Zuge zu kommen. Dazu kommt ein erhöhter bürokratischer Aufwand durch das komplizierte Prozedere, beispielsweise müssen Bürgschaften hinterlegt werden, was sich ebenfalls im Preis niederschlagen wird. Und nicht zuletzt steht zu befürchten, dass der Wettbewerb zum Erliegen kommt, weil nur noch einige wenige große Akteure an dem aufwändigen Verfahren teilnehmen. Das bedeutet diese Anbieter müssten gar nicht den niedrigsten Preis aufrufen, um einen Zuschlag zu erhalten oder könnten sich unerlaubter Weise absprechen. Ich bin überzeugt, dass durch dieses Verfahren die durch das EEG gewonnene Akteursvielfalt verloren geht, vor allem kleine, bürgerschaftliche Akteure werden ausgegrenzt. Das ist nicht nur aus wettbewerblicher Sicht bedenklich – wir können die dezentrale Energiewende und damit die Klimaziele ohne die vielen kleinen Akteure vor Ort nicht erreichen! Diese kleinen Akteure stehen für die bisherigen Erfolge im Bereich der Erneuerbaren Energien und ohne ihr regionales Wissen und großes Engagement verliert die Energiewende ihre Akzeptanz und Basis. Das bisherige Modell der Einspeisevergütung hat überragend funktioniert und zu unglaublichen Technologieentwicklungen und damit einhergehenden Kosteneinsparungen geführt. Es ermöglicht Akteursvielfalt bei einem kosteneffizienteren Ausbau als beim Ausschreibungsmodell und entspricht damit auch den europarechtlichen Vorgaben – kurz: Wir dürfen es nicht über Bord werfen.

Ihr Erfolgsprojekt für Mieter heißt Neue Heimat Nußloch. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Nutzern?

Ja, das stimmt, die Anlagen stehen auf sieben Mehrfamilienhäusern in Nußloch, das wenige Kilometer südlich von Heidelberg liegt. Die Mieter sind sehr glücklich grünen Strom direkt von "ihrem" Dach zu beziehen. Viele waren überrascht davon, dass Solarstrom mittlerweile günstiger ist als konventioneller Strom. Was uns besonders stolz macht, ist dass wir mit dem Projekt gezeigt haben, dass Solarenergie nicht nur etwas für Eigenheimbesitzer ist, sondern auch für Mieter. Wenn jetzt noch die Politik nachzieht und die Ungleichbehandlung bei der Belastung mit der EEG-Umlage aufhebt, kann aus dem Pilotprojekt ein breiter Anwendungsfall werden.

Welche Chancen bestehen perspektivisch für PV-Genossenschaften?

Das hängt sehr stark von den Rahmenbedingungen ab, die von der Politik gesetzt werden. Durch das Kapitalanlagegesetz oder das Kleinanlegergesetz werden Genossenschaften eingeschränkt investiv tätig zu werden. Durch Ausschreibungen und die verpflichtende Direktvermarktung wird die vielfältige Betreiberstruktur bei Erneuerbaren Energien-Anlagen wieder zentralisiert. Durch die Änderungen im EEG in den vergangenen Jahren ist der Zubau von Photovoltaik dramatisch eingebrochen – von 7,6 Gigawatt im Jahr 2012 auf 1,9 Gigawatt 2014, das ist ein Rückgang um 75 Prozent. Diese Zahlen zeigen, wie schwierig das Geschäftsfeld Photovoltaik geworden ist. Aber ich möchte nicht nur meckern, wir haben es ja selbst vorgemacht und neue Geschäftsfelder wie Stromlieferung für uns erschlossen. Aber natürlich hoffen wir, dass wir in Zukunft auch wieder neue Solarprojekte umsetzen können - am liebsten auf den vielen Mehrfamilienhäusern, die es überall gibt.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt