Erneuerbare Energien können in einem ökologisch und ökonomisch sinnvollem Strommix über Ländergrenzen hinweg Energie bereitstellen. Entscheidend hierfür ist die zuverlässige Erzeugung, Speicherung und Verteilung des Stroms. Im Projekt Supergrid haben Fraunhofer-Institute erforscht, wie ein solches Strom- und Verteilnetz zwischen Nordafrika und Europa funktionieren kann. Die Ergebnisse des "Übermorgen-Projekts Supergrid" wurden in einer Studie veröffentlicht.
Vier Szenarien für den Ausbau der erneuerbaren Energien
Um den Status quo in Nordafrika und Südeuropa zu ermitteln, wurde das bestehende Elektrizitätssystem abgebildet und das Solar- und Windpotenzial in einem geografischen Informationssystem analysiert. Weitere Maßnahmen waren:
- Ermittlung eines wirtschaftlichen Kraftwerkparks;
- Modellierung von Übertragungsnetzstrukturen.
Auf dieser Basis sind vier Szenarien für den Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2050 entstanden. Sie gehen von unterschiedlichen Annahmen für die Stromnachfrage vor Ort, den Stromexport nach Europa, die Reduktion von CO2-Emissionen und die Energieeffizienz aus. "Die Szenarien zeigen, dass eine Dekarbonisierung der Stromsysteme in Europa und Nordafrika ökonomisch sinnvoll machbar ist", so Prof. Dr. Werner Platzer, Projektleiter und Bereichsleiter am Fraunhofer ISE. "Hohe Anteile an erneuerbaren Energien – bis nahezu 100 Prozent – werden in jedem Szenario bis 2050 erreicht."
Solarthermischen Kraftwerke im Fokus
Solarthermischen Kraftwerken, auch Concentrated Solar Power oder CSP, kommen in einem erneuerbaren Energiesystem in der MENA-Region eine große Bedeutung zu, da ihre Kapazität regel- und planbar ist. Die Entwicklung von Hochtemperaturspeichern für CSP-Kraftwerke ist dabei interessant. Die Kostenreduktion durch billigere Speichermaterialien wie Salzschmelze und effizientere Systeme ist wichtig, ebenso das Design von Speicherkomponenten und die Optimierung des Gesamtsystems.
Im Projekt Supergrid wurde eine Simulationsplattform für CSP-Kraftwerke geschaffen. Konzentrator- und Receivertechnologie, das Wärmeträgermedium, der Speichertypus sowie die Leistungsfähigkeit solarthermischer Kraftwerkskonzepte wurden evaluiert. Verschiedene Speichermaterialien und -komponenten wurden analysiert und Prototypen geprüft.
Leistungselektrik ist für den Netzausbau bedeutend
Ein Ausbau der erneuerbaren Energien bringt in jedem der vier entwickelten Szenarien einen Ausbau des Gleichstrom (DC)-Übertragungsnetzes mit sich. Eine Lösung ist ein vermaschtes überlagertes Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Stromnetz (HGÜ), das den Transport der fluktuierenden Leistung aus erneuerbaren Kraftwerken über lange Strecken ermöglicht. Die Errichtung eines HGÜ-Netzes leistet einen signifikanten Beitrag zur Netzstabilität. Da solche vermaschten HGÜ-Netze bislang nicht existieren, wurden sie ebenfalls von den Fraunhofer-Forschern modelliert und in eine ganzheitliche Betrachtung der Netzbetriebsführung integriert.
Eine Schlüsseltechnologie beim Ausbau der DC-Übertragungsnetze wird die Leistungselektronik sein. Daher wurden im Projekt Supergrid auch neue Detaillösungen erarbeitet, um den Anforderungen an Leistungselektronikbauteile im Bereich der Mittelspannung gerecht zu werden.
Mit der Integration von Erneuerbaren Energien in der MENA-Region beschäftigen sich auch die Springer-Autoren Abdul Salam Darwish und Sabry Shaaban. Im Buchkapitel "Solar and Wind Energy–Present and Future Energy Prospects in the Middle East and North Africa" zeigen sie die politischen Klimaziele der einzelnen Länder auf und bewerten deren Potential. Sie sehen eine Unterstützung Europas als notwenig an, um Projekte in der Region zu entwickeln und umzusetzen.