Im Markt für Solarmodule scheint es ein Auf und Ab zu geben. Stefan Horstmann, COO bei IBC Solar, erklärt, wie es dazu kommt und wie Unternehmen der Solarbranche dem entgegensteuern können.
springerprofessional.de: Wie schätzen Sie aktuell den Markt für PV-Module in Deutschland und der EU ein?
Stefan Horstmann: Mal ein Vergleich vornweg: Die Situation 2013/2014 war schwieriger, insbesondere mit dem sogenannten 'Solar-Coaster', wie er oft genannt wird. Das beschreibt die starken Schwankungen in der Branche sehr treffend. Heute befinden wir uns ebenfalls in einer schwierigen Phase. Der große Unterschied ist, dass der Markt nicht komplett eingebrochen ist. Es gibt weiterhin Bedarf und wir spüren sogar einen Anstieg der Nachfrage. Viele Prognosen sagen voraus, dass der Markt in den nächsten Jahren weiterwachsen wird.
Deshalb würde ich das Wort 'Krise' hier mit Bedacht verwenden. Der Markt ist intakt.
Um die aktuelle Lage richtig einzuschätzen, ist es wichtig, auch die letzten zwei Jahre zu betrachten, Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg stieg der Bedarf nach Energieunabhängigkeit und damit nach PV-Modulen. Jeder in der Kette – vom Endkunden bis hin zu den Herstellern – hat auf diesen Nachfrageboom reagiert. Der Endkunde hat mehrere Solarteure angefragt, und diese haben wiederum versucht, Material zu sichern. So wurde aus einem Auftrag schnell das Dreifache an Planungen, weil jeder sicherstellen wollte, dass er bedient werden kann. Die daraus resultierende Überproduktion, vor allem in Asien, führte zu sinkenden Preisen und steigenden Lagerbeständen. Wir sehen jetzt, dass der Preisboden wohl erreicht ist. Diese Entwicklungen haben einen Konsolidierungsprozess in der Branche angestoßen.
Dieser Prozess wird letztendlich dazu führen, dass qualitativ hochwertige Produkte auf dem Markt bestehen bleiben. Um die Solarindustrie gesünder und stabiler zu machen, muss es jedoch zwangsläufig zu Insolvenzen oder eben Konsolidierungen bei Fachhändlern und Installationsbetrieben kommen. Das ist ein notwendiger, wenn auch bedauerlicher Teil dieser Bereinigung.
Wo liegen die Hauptgründe für die aktuelle Volatilität?
Förderung und externe Kaufanreize haben nach wie vor einen erheblichen Einfluss. Die Industrie ist noch nicht an dem Punkt, wo sie komplett ohne diese Anreize funktionieren kann, was wir uns alle wünschen würden. Und: Trotz vieler Versprechen, den Bürokratismus zu verringern – zum Beispiel durch das Solar-Paket – dauert es noch sehr lange, bis Verbesserungen bei den Leuten ankommen, die täglich damit arbeiten müssen.
Ein weiteres Problem ist die Komplexität der Wertschöpfungskette in der Solarindustrie. Das Ungleichgewicht in den Produktionskapazitäten weltweit macht es schwierig, eine Balance zwischen Nachfrage und Angebot zu erreichen. Zusätzlich spielt die Logistik eine große Rolle. Wir sehen aktuell wieder eine ähnliche Entwicklung wie 2021, als sich durch Probleme im Suezkanal die Seefracht verteuerte. Die Preise steigen wieder, was sich auf die Verfügbarkeit in Europa auswirkt und letztlich auch den Ausbau verzögert.
Ein dritter wichtiger Faktor ist, wie schnell Preisveränderungen und Förderungen in der Kette weitergegeben werden. Die Preise für Solarmodule sind schon letztes Jahr gefallen, aber bis das beim Endkunden ankommt, vergeht viel Zeit. Jetzt sind wir in einer Phase, in der Fachhandwerker wieder um Aufträge kämpfen müssen, was vor einem Jahr noch undenkbar war.
Wie begegnete IBC Solar dem in der Lagerhaltung?
In unserem Logistikkonzept setzen wir auf zentrale Lagerhaltung. Das hilft uns, die Verfügbarkeit effizient zu steuern. Bei Überbeständen haben wir dadurch automatisch weniger Lagerkapazitäten, weil wir nicht an vielen Orten gleichzeitig Lagerbestände halten. Das hat sich als strategisch sinnvoll erwiesen.
Ein weiterer Faktor ist unser Qualitätsfokus im Produktportfolio, der uns hilft, auch in schwierigen Zeiten Bestände besser zu managen. Solarmodule sind oft das erste Produkt, das betroffen ist, und das erste, das sich wieder erholt. Momentan sehen wir jedoch eine Stagnation, besonders bei Wechselrichtern, die langsamer im Kapazitätsaufbau waren. Dieses Problem wird uns wahrscheinlich noch ins nächste Jahr begleiten.
Insgesamt hat sich das Bestellverhalten unserer Installateure stark verändert. Früher wurde mit einem Vorlauf von Monaten gearbeitet, heute reden wir von Wochen, da die Verfügbarkeit hoch ist und der Fokus auf dem besten Preis liegt.
Sie sprachen von einer besseren Qualität…
Ja, es hat im Modulbereich ein wesentlicher Technologiewechsel stattgefunden, von PERC zu TopCon in den Jahren 2022/23. Das hat zusätzlich für Bewegung in den Lagerbeständen gesorgt. Der klassische 'Phase-in, Phase-out'-Prozess hat hier nicht optimal funktioniert. Ein Trend bei der Ausführungsebene sind zudem Glas-Glas-Module, die die Effizienz steigern sollen, aber das ist kein großer Technologiewechsel. Auch die Kapazität der Module entwickelt sich stetig weiter.
Die Industrie und vor allem die Hersteller müssen genau darauf achten, wie sie neue Produkte in den Markt einführen, damit sie zu den Beständen in der Kette passen. Das ist eine schwierige, aber wichtige Aufgabe.
Wie sichert sich IBC Solar in der Produktion ab?
2020 noch gab es unterschiedliche Einschätzungen, ob Lithium und Silizium für die Solarindustrie ausreichend vorhanden sind. Heute wissen wir, dass die Rohstoffe da sind. Wir können weltweit mindestens doppelt so viel produzieren, wie momentan nachgefragt wird. Glas, Silizium und Aluminium für die Module sind also kein Problem. Bei Wechselrichtern und Batterien sieht es anders aus. Batterien hängen stark von der Entwicklung der Elektromobilität ab, und Wechselrichter teilen sich Standardbauteile mit der Automobilindustrie. Hier gab es 2021 Engpässe. Aktuell ist die Nachfrage aus der Automobilbranche geringer, daher sehen wir kurzfristig keine Verfügbarkeitsprobleme.
Spielt auch das Thema Recycling in Ihrer Produktion eine Rolle?
Wir arbeiten eng mit den Herstellern zusammen, um den Recycling-Prozess zu verbessern. Glas und Aluminium lassen sich gut recyceln. Allerdings: Wir arbeiten mit einem Verbundmaterial, das unter sehr starker und lang einwirkender Hitze zusammengebacken wird. Hier stoßen wir noch an technische Grenzen, es sind aber noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
Und zum Schluss: Wer sind aktuelle die Treiber im Markt?
Wenn wir uns die drei Segmente anschauen – Residential (Eigenheime bis 30 kW, meist um 15 kW), C&I (Commercial und Industrial) und Freiflächenanlagen ab 1 MW –, dann ist der Residential-Bereich der schwächste. Zwar gibt es Wachstum, aber im Vergleich zu 2021/22, als der Eigenheimbereich durch den Wunsch nach Autarkie stark angezogen hat, hat es sich jetzt deutlich verlangsamt. Die Unsicherheit der Menschen und die finanziellen Möglichkeiten spielen da eine Rolle. Im C&I-Bereich sehen wir gutes Wachstum, vor allem durch den Eigenbedarf in Gewerbebetrieben wie Bäckereien oder Werkstätten. Und bei den großen Power Plants gibt es ebenfalls positive Entwicklungen.
Ein wichtiger Treiber in allen Bereichen, besonders für die Zukunft, ist die Kombination mit Speicherlösungen. Während das im Residential-Bereich seit etwa zwei Jahren Standard ist, kommen jetzt auch große Speicher in den größeren Segmenten dazu. Hier arbeiten Hersteller weltweit daran, um in produktionsfreien Zeiten Energie verfügbar zu machen.
Das Ganze funktioniert natürlich nur richtig gut mit einem intelligenten EMS (Energiemanagementsystem), das steuert, wann der Speicher geladen wird, wann das Auto geladen wird, und wie der Strom optimal genutzt wird. Diese smarten Steuerungen werden die Zukunft prägen und sind ein entscheidender Faktor für das Wachstum in der Solarbranche.