02.12.2024 | Erneuerbare Energien | Im Fokus | Online-Artikel
Präzise Wetterprognosen sparen Kunden Stromkosten
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Mit dem wachsenden Anteil von Wind- und Solarenergie im Strommix wird die Energieerzeugung zunehmend wetterabhängig. Präzise Wettervorhersagen und meteorologisches Know-how sind daher für Energieunternehmen unverzichtbar – und für die Kunden günstiger.
Wind und Sonne sind mitunter launisch. Deswegen bedarf es präziser Prognosen des mit ihrer Kraft produzierten Stroms für die Netze.
Frank Urbansky
Falsche Prognosen beim Wetter können für die Energiewirtschaft, vor allem für Netzbetreiber und Stromerzeuger, erhebliche Kosten und Risiken nach sich ziehen. "Die Auswirkungen meiner Arbeit spüre ich unmittelbar. Das Wettergeschehen gibt mir laufend Rückmeldungen, ob Prognosen eingetroffen sind oder nicht. Die Folgen sind messbar in Euro", erklärt Malte Rieck, Meteorologe im Energiehandel von Vattenfall in Hamburg.
Rieck gehört zum Team "Vorhersage und Optimierung", das Wetterdaten nutzt, um europaweit die Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen vorherzusagen. Neben den eigenen Anlagen prognostiziert das Team auch die Erzeugung externer Anlagen in der sogenannten Direktvermarktung. Die Überwachung der Kraftwerke und Prognosen erfolgt rund um die Uhr durch das Dispatch-Team, das im Schichtbetrieb arbeitet.
Kostenkontrolle dank Vorhersagen
Strom wird entweder im sogenannten "Day-Ahead"-Modus für den nächsten Tag oder "Intraday" am selben Tag gehandelt. "Für den Folgetag prognostizieren wir die Stromerzeugung unserer Anlagen so exakt wie möglich und platzieren daraufhin Gebote an der Strombörse", erläutert Rieck. Um 12 Uhr geben alle Stromanbieter täglich ihre Gebote für die Liefermengen des Folgetages ab, basierend auf der erwarteten Nachfrage bilden sich die Preise.
Eine hundertprozentig exakte Prognose der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sei aber unmöglich, da Wetterbedingungen immer eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen. Ziel sei es dennoch, die Fehlerquote so gering wie möglich zu halten und besser zu prognostizieren als die Wettbewerber.
Dazu ein Blick auf dem börsennotierten Strommarkt: Abweichungen zwischen Prognose und tatsächlicher Erzeugung werden, soweit möglich, Intraday gehandelt, also kurz vor der Lieferung, um Zeitvorteile zu nutzen. Dies hilft, die Kosten für Ausgleichsenergie – eine zusätzliche Gebühr für Abweichungen zwischen gehandeltem und tatsächlich erzeugtem Strom – zu minimieren. Wenn man die Ausbeute aus Wind- und Solarparks genau prognostizieren kann, führt das zu weniger Ausgleichsenergiekosten und damit über Umwege zu niedrigeren Netzentgelten, die jeder Stromkunde zahlen muss
Volatile Märkte machen es schwierig
Nun macht die zunehmende Wetterabhängigkeit den Strommarkt volatiler. Rieck berichtet, dass die Schwankungen der Einspeiseleistung aufgrund der Wetterbedingungen in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Während es 2015 noch etwa 200 Stunden gab, in denen sich die Einspeiseleistung um 5 Gigawatt veränderte, werden es bis 2025 etwa 1.000 Stunden sein. "Der Markt ist volatiler geworden, Preissprünge fallen heftiger aus", so Rieck.
Morgens analysiert Rieck regelmäßig die aktuelle Wetterlage und prüft mögliche Risiken, wie Gewitter, Böen, Nebel, Wolkenbildung oder Extremwetterereignisse, die Sicherheitsabschaltungen von Windkraftanlagen oder Schnee auf Solarpaneelen erfordern. "Das Ziel ist, diese Risiken frühzeitig zu erkennen und sich darauf vorzubereiten."
Ein weiteres Beispiel sind Solarspitzen zu Mittagszeiten im Sommer, die zu einem Überangebot führen und negative Strompreise verursachen können – eine Situation, in der Anbieter für die Bereitstellung von Strom zahlen müssen.
Für eine präzise Stromvermarktung kombiniert das Team kontinuierlich Wetterdaten, Strommodelle und weitere Informationen, zunehmend unterstützt durch Künstliche Intelligenz (KI). Dabei wird ein Mix aus verschiedenen Modellen genutzt, um die Prognosequalität zu optimieren. Der Bedarf an präzisen Daten steigt kontinuierlich, da Unternehmen wie Vattenfall in einem intensiven Wettbewerb stehen, die besten Wetter- und Stromprognosen zu erstellen. "Es ist ein riesiger Wettbewerb", so Rieck. Die großen Datenmengen können längst nicht mehr manuell verarbeitet werden. Vattenfall setzt daher auf ein stark automatisiertes Prognosesystem.
Flexibilität mit Speicherlösungen
Die langfristigen Auswirkungen des Wetters auf den Strommarkt sind für Rieck bereits absehbar. "In Zukunft wird man nicht umhinkommen, mehr Energie zu speichern oder zu regulieren." Speicherlösungen wie Großbatterien, Pumpspeicherkraftwerke oder Wasserstofftechnologien werden eine entscheidende Rolle spielen. Gleichzeitig müssen Stromverbraucher flexibler werden, etwa durch dynamische Tarife oder Smart Meter, die sich an das Stromangebot anpassen.
"Der Strommarkt wird sich künftig auf mehr Flexibilität einstellen müssen – sei es erzeugungsseitig oder nachfrageseitig", fasst Rieck zusammen. Die Kombination aus präzisen Wetterprognosen, Automatisierung und innovativen Speicherlösungen wird entscheidend sein, um die Herausforderungen der erneuerbaren Energien im Strommarkt zu bewältigen.