Skip to main content

2020 | Buch

Ethnographie und Diversität

Wissensproduktion an den Grenzen und die Grenzen der Wissensproduktion

herausgegeben von: Dr. Halyna Leontiy, Dr. Miklas Schulz

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Erlebniswelten

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Im Mittelpunkt des Bandes steht die ethnografisch orientierte Forschungspraxis. Sie wird im Spiegel der in den Kultur- und Sozialwissenschaften aktuell kontrovers verhandelten Konzepte Diversität und Intersektionalität reflektiert. Besondere Aufmerksamkeit wird der Frage gewidmet, wie Forschende mit dem methodischen Problem der Produktion, Reproduktion und Reflexion von Kategorien umgehen. Welche Kategorien werden schon an das ‚Feld‘ herangetragen, später revidiert oder verfestigt und welche Kategorien begleiten schließlich den Interpretationsprozess und welche konstituieren die Ergebnisdarstellung? Wie und warum entstehen sie? Und nicht zuletzt: Wie werden durch (Forschungs-)Kategorien spezifische Erlebniswelten menschlicher Vielfalt mit hervorgebracht oder transformiert?
Der InhaltKonzeptionelle Grundlagen • Diversität und Inklusion in Bildungskontexten • Interkultur in der Diversität • Diversität im Spannungsfeld von Körper, Geschlecht und Behinderung
Die HerausgebendenDr. Halyna Leontiy ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung (ZGD) an der Universität Tübingen und seit November 2019 Gastwissenschaftlerin am Interdisziplinären Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (InZentIM) der Universität Duisburg-Essen.Dr. phil. Miklas Schulz vertritt seit dem Sommersemester 2019 die Professur Inklusive Pädagogik und Diversität am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen und ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter (beurlaubt) am Institut für Sonderpädagogik an der Leibniz Universität Hannover.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Die Vielfältigkeit der Diversität – Eine Einführung
Zusammenfassung
„Diversität“ ist als Begriff in der kultur-, sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschung immer stärker präsent. Der Begriff Diversity entstammt ursprünglich dem Bereich der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre. Man kämpfte damals gegen Rassismus und für Chancengleichheit unterschiedlicher benachteiligter Gruppen.
Halyna Leontiy, Miklas Schulz

Konzeptionelle Grundlagen

Frontmatter
Die Normativität der Vielfalt: Cultural diversity und die Institutionalisierung der globalen Personenkategorien race, gender und disability
Zusammenfassung
Ausgangspunkt des Beitrags ist ein Verständnis von Diversität als globale politische Norm, die sich u. a. in der zunehmenden Vervielfältigung weltgesellschaftlicher Selbstbeschreibungen widerspiegelt. Die Adaption der Diversitäts-Norm in den Sozialwissenschaften zeigt sich in der seit den 1990er Jahren zunehmend intensiven Auseinandersetzung mit den (De-)Konstruktionsprozessen von Personenkategorien (z. B. Geschlecht, Ethnizität etc.) sowie der Analyse der Interferenzen und sozialen Folgen verschiedener kategorialer Zugehörigkeiten. Im Unterschied zu den meisten dieser Ansätze, die sich auf nationale bzw. lokale Kontexte von Personenkategorien beschränken, schlägt der Beitrag eine weltgesellschaftstheoretisch erweiterte Perspektive zur Analyse globaler Personenkategorien vor. Eine Personenkategorie hat dann eine globale Reichweite, wenn vor dem Hintergrund eines weltweiten Beobachtungsraums Ähnlichkeiten von Personen aus aller Welt festgestellt und – trotz zahlreicher anderer Unterschiede zwischen ihnen – als relevant eingestuft werden. Auf der Basis einer qualitativen Analyse von UN-Dokumenten wird anhand von drei Fallbeispielen (race, gender und disability) die globale Institutionalisierung dieser drei Personenkategorien im Kontext der internationalen Politik und des Rechts rekonstruiert. Ziel des Beitrags ist sowohl die Dekonstruktion der mit Diversitätsdiskursen verbundenen normativen Implikationen als auch eine dezidiert wissenssoziologisch ausgerichtete Diversitätsforschung anzustoßen.
Marion Müller
Diversitätsmanagement als ‚traveling concept‘. Prinzipielle Überlegungen zur Erforschung der Translation des Diversitätsmanagements aus der Perspektive einer reflexiven Diversitätsforschung
Zusammenfassung
In dem Beitrag werden prinzipielle Überlegungen zur vergleichenden Erforschung von Transformationsprozessen bei der expliziten Bearbeitung von Vielfalt in Form des Diversitätsmanagements (DiM) angestellt. Aus der Perspektive der reflexiven Diversitätsforschung werden methodologische Vorsichtsregeln identifiziert. Dabei wird weder – wie im World-Polity-Ansatz – unterstellt, dass es zu einer inkrementellen Harmonisierung des Umgangs mit Diversität in Form eines ‚typischen‘ DiM komme, noch wird – wie im Multiple Modernities-Ansatz – unterstellt, dass lokale Formen des DiM notwendig bestimmten, lokalen Pfadabhängigkeiten folgten. Vielmehr wird eine methodologische Heuristik, ja im Grunde ein Programm zur Erforschung des Zusammenspiels zwischen globalen und lokalen Prozessen bei der Diffusion und damit Transformation am Beispiel des DiM in Unternehmen entwickelt.
Andrea D. Bührmann
Diverse Differenzordnungen in der postkolonialen Matrix – eine Suchbewegung
Zusammenfassung
Die Situiertheit von Wissen und der subjektive Sinn von Beforschten wurde in den vergangenen Jahren sowohl in der sozialwissenschaftlich-interpretativen wie in der ethnographischen Forschung zunehmend bearbeitet. Auch im Feld der sich formierenden Diversitätsforschung spielt die Situiertheit von Forschenden wie Beforschten eine wichtige Rolle. Der Beitrag postuliert, dass eine Einordung des forschenden wie beforschten Subjektes nicht ohne Bezug zu ungleichheitsgenerierenden Differenzordnungen möglich ist. Als theoretischer Bezugspunkt werden hierzu Anregungen aus der Postkolonialen Theorie aufgegriffen und ausgelotet, inwiefern die Diskussion um diversity davon profitieren könnte. Die Konzeption des Subjektes als ein fragmentiertes, durch Mehrfachzugehörigkeiten definiertes, nimmt dabei eine besondere Stellung ein. Am Beispiel der Begebenheiten um das Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft im Jahre 2018 wird der Zusammenhang von Differenzordnungen, Ein- und Ausschlüssen, und damit der theoretischen Reichweite von Diversitätskonzeptionen kritisch beleuchtet.
Katherine Braun, Yvonne Franke
The Discourse of Diversity and the World Music: Tensions Between Stimulating and Controlling the Difference
Abstract
The discourse of diversity and the world music seem to experience a tension between incentive and control of the difference: on the one hand, plurality is cultivated, given the interest for ethnicities and cultural specificities apparently irreducible to a single term; on the other, singularity is encouraged, as there is an effort to gather the entire cornucopia of contingencies and idiosyncrasies within one single frame of rigid borders. In the case of the discourse of diversity, there is an attempt to reconcile the universal discourse with the particular discourse. As for the “world music” there is a quest for a variety of sounds, as well as a need to shelter this myriad of immiscible styles under the aegis of a single same kind of music. In face of this balance between centripetal and centrifugal forces, I ask: how can the discourse of diversity and the world music, simultaneously, stimulate and restrain difference?
Pedro Martins de Menezes

Diversität und Inklusion in Bildungskontexten

Frontmatter
Differenzpraktiken und Otheringprozesse in inklusiven Unterrichtssettings mit Schulassistenz
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert Praktiken der Differenzherstellung in inklusiven Unterrichtssettings mit Schulassistenz. Vor dem Hintergrund der theoretischen Analyseperspektive des Othering werden die Ergebnisse einer ethnographisch angelegten Studie entlang zweier beispielhafter Sequenzen aus Beobachtungsprotokollen diskutiert. Entlang rekonstruierter machtvoller, reglementierender Praktiken wird aufzeigt, wie die Differenzkonstruktionen durch die den Schulassistent*innen zugestandene Entscheidungs- und Definitionsmacht in Bezug auf einzelne Kinder gerahmt werden. Ebenso werden strukturell wirksame Otheringprozesse deutlich, die vor dem Hintergrund schulischer Leistungs- und Verhaltensnormen und der inklusiven Schule als Institution wirksam werden und zeigen, welche Rolle Schulassistenz in Bezug auf die Stabilisierung eines wenig inklusiven Bildungssystems innehat.
Katrin Ehrenberg, Bettina Lindmeier
Potenziale ethnographischer Differenz- und Inklusionsforschung vor dem Hintergrund schulischer Inklusionsprogrammatik am Beispiel des Lachens
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund des Spannungsfeldes, das sich aus dem normativ an Bildungsorganisationen herangetragenen, teilhabeorientierten Anspruch „Inklusion“ und der in diesen Organisationen eingelagerten Praktiken, Strukturen und Kulturen der Selektion ergibt, umfasst dieser Artikel rekonstruktive Forschungsperspektiven, die Akteurspraktiken zugänglich machen. In diesem Beitrag werden hierzu ethnographische Analysebeispiele herangezogen, die sich auf das Schüler*innenhandeln in schulisch-unterrichtlichen Settings sowie auf Kooperationsvorstellungen in der Schulsozialarbeit beziehen. Dabei werden insbesondere Ambivalenzen von Praktiken des Lachens herausgearbeitet und abschließend potenzielle methodologische Beiträge für eine rekonstruktive Inklusions- und Differenzforschung diskutiert.
Florian Weitkämper, Paula Bock, Andreas Köpfer
Diskursive Praktiken des Differenzierens und Normalisierens. Eine Heuristik für eine diskursanalytische Ethnographie
Zusammenfassung
In der ethnographischen Differenzforschung wird sich für die Prozesse des Werdens und Gewordenseins von Differenzordnungen interessiert, dabei allerdings erst allmählich mehr als eine Differenzkategorie systematisch verfolgt. Für eine Weiterentwicklung einer ethnographischen Forschung zu Differenz wird in dem Beitrag eine Heuristik zur Rekonstruktion von diskursiven Praktiken des Differenzierens und Normalisierens vorgeschlagen. Die Heuristik lässt sich an verschiedenen Datensorten einer Ethnographie – an Interviews, Feldprotokollen, Dokumenten, ethnographischen Gesprächen – für die Frage einsetzen, wie welche Differenzen in diskursiven Praktiken z. B. des Aufrufens, Zuschreibens, und Kategorisierens hervorgebracht bzw. aktualisiert werden und wie darin welche Konstruktionen von Differenz und Normalität aufgerufen, bestätigt, vergessen oder modifiziert und in Kraft gesetzt werden. Gefragt wird, wie die Reproduktion und/oder Verschiebung von Bedeutungen in diskursiven Praktiken des Differenzierens entstehen. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Stand ethnographischer Differenzforschung in der Erziehungswissenschaft wird die Heuristik zunächst theoretisch fundiert und sodann ihr Einsatz an einem Interviewausschnitt exemplarisch veranschaulicht. Insgesamt wird es mit ihr möglich, diskursive Praktiken des Differenzierens als (permanente) Arbeit an der De/Stabilisierung einer schulischen Ordnung zu beobachten.
Kerstin Rabenstein, Marian Laubner, Mark Schäffer
„Du bist doch braun, du sprichst Spanisch.“ (…) „Nein, ich bin englisch“. Bearbeitung von Diversität in Alltagspraktiken einer Kindertagesstätte
Zusammenfassung
Auszüge aus einer ethnographischen Studie zu Mehrsprachigkeit und Literalität in einer Kindertagesstätte werden vorgestellt mit der Leitfrage: Wie wird Diversität in Alltagspraktiken in einer Kindertagesstätte bearbeitet, die von Mehrsprachigkeit und Migration geprägt ist? Zunächst wird Diversität definiert als Gesamtheit aller in Praktiken relevant gemachten Differenzkonstruktionen. Anschließend werden aus der Datenanalyse generierte Differenzkonstruktionen aufgezeigt, die sich auf Sprachen, Hautfarbe, Generation, Positionen innerhalb der Kita, Sozialisationsfeld und Literalität beziehen. Situative Positionierungen entlang dieser Differenzkonstruktionen etwa in Hinblick auf Sprachen (‚Englisch‘ versus ‚Deutsch‘ oder ‚Spanisch‘) sind vielschichtig und geschehen angelehnt an übersituativ relevante Diskurse oder konträr zu diesen.
Evamaria Zettl

Interkultur in der Diversität

Frontmatter
Grenzen der Interpretation. Wie kann und soll man in der qualitativen Sozialforschung mit interkulturellen Daten umgehen?
Zusammenfassung
In dem Beitrag wird die Frage diskutiert, wie interkulturelle Daten sozialwissenschaftlich interpretiert werden können. Dabei wird die These entfaltet, dass die Interpretation von interkulturellen Daten sich nicht grundsätzlich, sondern nur graduell von der Interpretation intrakultureller Daten unterscheidet. Allerdings ist es sinnvoll, bei der Interpretation interkultureller Daten kulturvertraute Ko-Interpreten miteinzubeziehen. Zudem wird erläutert, dass die Hermeneutik mit ihrer Prämisse von Einheit der Kultur von Untersuchten und Untersuchern auch bei der Interpretation intrakultureller Daten unter Druck geraten ist.
Jo Reichertz
Wie erforscht man die Zugehörigkeit? – Umgang mit der Vielfalt vorhandener Kategorien. Georgischsprachige Ingiloer in Aserbaidschan
Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit der Frage der methodologischen Herangehensweise ethnologischer Forschung und geht der Frage nach, wie die Forschungsperspektive hervorgebracht und strukturiert wurde. Anhand empirischer Forschungsmaterialien im Kontext der multiplen Zugehörigkeit und des Minderheitenstatus der Ingiloer in Aserbaidschan in Bezug zur eigenen Staatsbürgerschaft wird aufgezeigt, welche konkreten Kategorien im „Feld“ vorgefunden wurden und welche Kategorien den Interpretationsprozess begleitet haben. Zudem wird geschildert, wie und warum diverse Kategorien (identitätspräsentierenden Zuschreibungen und Selbstbeschreibungen) überhaupt gebildet wurden und wie mit dieser Vielfalt umgegangen wurde.
Nino Aivazishvili-Gehne
Getting to Know Islam? – Diversitätskategorien in der Produktion ethnographischen Wissens
Zusammenfassung
Im Anschluss an Debatten zur Vergleichbarkeit ethnographischer Daten (Bollig und Kelle 2012) und der Relevanz meta-ethnographischen Wissens (Kakos und Fritzsche 2017) unternimmt der Beitrag die Rekonstruktion eines komparativ angelegten ethnographischen Forschungsprozesses im Kontext des DFG-Projektes „Die Pädagogik der Gülen-Bewegung“ (vgl. Geier und Frank 2016a, b, u. a.). Auf Grundlage zweier Protokolle unterschiedlicher Forscherinnen zum Abend eines religiösen Gesprächskreises (sohbet) für Studentinnen wird auf den Ebenen von Datenerhebung und Interpretation die Frage gestellt: Wie verändert sich der Gegenstand sohbet angesichts unterschiedlich interaktiv agierender Forscherinnen im Feld, des von ihnen zu- und miteinander produzierten ethnographischen Wissens, seiner jeweiligen und kontrastiven Interpretation sowie der darin aufgerufenen Diversitäts- bzw. Differenzkategorien? Die präsentierten Ergebnisse zeigen, dass es einerseits unterschiedliche Formen ethnographischen Schreibens und andererseits die gesellschaftliche Positioniertheit (Hall 1994) der Forscherinnen sind, mit welchen Spielräume und Grenzen eröffnet und gezogen werden, um das Feld und seine Praktiken aus Perspektive der Ethnographinnen, des Feldes und der Interpretierenden (als muslimisch) zu charakterisieren.
Thomas Geier, Magnus Frank, Laura Schalück, Dorothea Schmidt
„…wobei dieses Verpflichtungsgefühl auch dabei ist“ – Kategoriale Mehrfachzugehörigkeit und Vergemeinschaftungsprozesse beim Zugang zum Forschungsfeld
Zusammenfassung
Im Zentrum des Beitrags steht die Frage nach dem Umgang mit der Mehrfachkategorisierung und Kategoriengenerierung, die bereits während der ersten Schritte beim Zugang zum Forschungsfeld „Plattdeutscher Nachmittag“ (im Kontext der Beforschung von Spätaussiedler/innen aus der ehemaligen Sowjetunion) vollzogen werden. Expliziert wird dies anhand der hermeneutischen Interpretation von zwei Datensorten: eines Anschreibens seitens der Forscherin an eine relevante Person im Forschungsfeld sowie eines Gedächtnisprotokolls nach der Kontaktaufnahme mit dieser Person. In Anbetracht der besonderen Interaktionsdynamik, die sich zwischen der Forscherin und der Person aus dem Feld entwickelt, stellt sich des Weiteren die Frage nach den Prozessen, die im Laufe dieser Interaktion die Zugangsregeln zur Feldforschung und somit das Feld selbst konstituieren.
Halyna Leontiy

Diversität im Spannungsfeld von Körper, Geschlecht und Behinderung

Frontmatter
Teilnehmendes Zuschauen, Autor*innenschaft & Repräsentation: Reflexionen einer repräsentationskritischen und ethnografischen Lektüre des Cybathlon 2016
Zusammenfassung
Im diesem Beitrag werden Etappen eines repräsentationskritischen und ethnografisch orientierten Forschungsprojekts zu Bedeutungsproduktionen im Kontext des Cybathlon 2016 einer reflexiven Problematisierung unterzogen. Ausgangspunkt hierfür bilden Diskussionen um Produktions-, Repräsentations- und Inszenierungsweisen wissenschaftlicher Autor*innenschaft, wie sie etwa im Zentrum der Writing Culture-Debatte stehen. Es wird gezeigt, dass sowohl die Ebene der grundlegenden, ein Forschungsprojekt initiierenden Entscheidungen als auch die der methodisch-konzeptuellen Konturierung des Feldzugangs und die der Ergebnisproduktion mit je eigenen Ambivalenzen und Konfliktlinien durchsetzt sind. Davon ausgehend werden abschließend Überlegungen zu Konsequenzen für den vor allem inszenatorischen Umgang mit solchen konfliktuellen und ambivalenten Aspekten und Autor*innenschaft aufgezeigt.
Felix Kappeller
Ob ‚Frauen‘ ‚Fighter‘ sein können. Zur Un-/Möglichkeit von Geschlechter-Gleichheit und Diversität im Mixed Martial Arts
Zusammenfassung
Im Training des Kampfsports ‚Mixed Martial Arts‘ (MMA) werden weibliche Trainierende in spezifisch invisibilisierter Weise sozial konstruiert und exkludiert: Durch formale Rahmenbedingungen des Trainings erfolgt zunächst keine solche Konstruktion und Exklusion. Und durch den Trainings-Diskurs erfolgt zwar vergeschlechtlichte Differenzierung. Deren Relevanz wird aber gleich wieder partiell negiert. Geschlechtsdifferenzierung und damit einhergehende soziale Exklusion erfolgen damit vor allem praktisch, und zwar, indem weiblichen Trainierenden im Sparring kämpferischer Widerstand verwehrt wird. Dies wiederum liegt daran, dass die Interaktionsordnung des Sparrings den Trainierenden ihre kämpferischen Bewegungen als ihre Entscheidungen zurechnet – und dies vor dem Hintergrund der Uneindeutigkeit der Zeichenhaftigkeit eben dieser Bewegungen.
Michael Staack
Doing Identity im Spannungsfeld von Dis-/Ability. Ein (Macht-)Spiel um Deutungsweisen in Interaktionen
Zusammenfassung
In seinem Beitrag untersucht Miklas Schulz als blinder Wissenschaftler über autoethnografisch angelegte Reflexionen die Entstehung (nicht) behinderter Identität. Am Beispiel der Wohnungssuche zeigt er auf, inwieweit die soziale Identität auch als Resultat einer getroffenen Entscheidung für die situative (Nicht-)Relevanz körperlicher Dimensionen gelten muss. Dafür wird der Goffmanschen Stigmatheorie eine kritische Reflexionsebene erweiternd an die Seite gestellt, die die gesellschaftlich wirkenden Wissensbestände in die Untersuchung miteinbezieht. So ausgerüstet lässt sich das Identitätsspiel, seine Taktiken und Strategien machtkritisch einfangen, um so die ihm inhärenten Paradoxien zu betonen.
Miklas Schulz
Soziale Differenzierung = soziale Ungleichheit? Eine lebensweltanalytische Ethnographie im Sportklettern unter Berücksichtigung der Nullhypothese
Zusammenfassung
Im Sportklettern werden Teilhabeoptionen wie auch -positionen über Leistung verhandelt. So werden Individuen nach körperlichen (und vermeintlich geschlechtlichen) Fähigkeiten, Wissensbeständen und Motivationslagen differenziert. Anhand einer Akteurstypisierung stellt die Autorin dar, dass soziale Ordnung über Bewegungskompetenz hergestellt wird und Geschlechtermuster – zusätzlich oder stattdessen – relevant gemacht werden. Mit steigendem Können rücken zwar Geschlechterdifferenzierungen in den Hintergrund. Dennoch werden sie rasch reaktiviert, sobald Menschen Kompetenzdifferenzen (noch) nicht anders erklären können. Geschlechtliche oder geschlechtslose Differenzierung wird somit selten absichtsvoll zur geschlechtlichen Diskriminierung eingesetzt, jedoch kann sie einen solchen Effekt haben.
Babette Kirchner
Metadaten
Titel
Ethnographie und Diversität
herausgegeben von
Dr. Halyna Leontiy
Dr. Miklas Schulz
Copyright-Jahr
2020
Electronic ISBN
978-3-658-21982-6
Print ISBN
978-3-658-21981-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-21982-6