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2023 | Buch

Europäischer Republikanismus

Ein kohärenter Erklärungsansatz für wirtschaftliche und politische Integration in Europa?

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Über dieses Buch

In diesem Buch werden die aktuellen Theorien der europäischen Integration, wie Föderalismus, Neofunktionalismus und liberaler Intergouvernementalismus, mit ihren Stärken und Schwächen vorgestellt. Es wird dann argumentiert, dass die Kombination der republikanischen Theorie mit der Theorie des öffentlichen Gutes, der res publica der öffentlichen Güter, die europäische Integration besser erklären könnte. Die Theorie der öffentlichen Güter muss jedoch übernommen werden, um sie auf den europäischen Republikanismus anwendbar zu machen. Schließlich zeigt das Buch, wie dieser neue Rahmen weitere akademische Debatten beeinflussen kann, z. B. über Souveränität und Währungsintegration, externe Effekte eines gemeinsamen europäischen Marktes und die treibende Kraft der europäischen Integration. Da der republikanische Ansatz nicht einer rein wirtschaftlichen Logik folgt, bleibt Raum für politische Überlegungen und Motivationen.

In diesem aktuellen und interdisziplinären Buch verbindet der Autor viele wichtige Stränge der europäischen Integrationstheorie, der Geschichte, der Ökonomie und der Politikwissenschaften, die klar zu einem kohärenten analytischen Diskurs zusammengeführt werden. Seine Stärke liegt in der interdisziplinären Interaktion zwischen Politik und Wirtschaft sowie in theoretischen und praktischen Fragen, die für die öffentliche Debatte in Europa von hoher Relevanz sind.

Dieses Buch wird für Wissenschaftler und Studenten von Interesse sein, die sich für wirtschaftliche Integration sowie für Geschichte und politische Philosophie interessieren.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einführung
Zusammenfassung
Der Prozess der europäischen Intergation kann sowohl aus wirtschaftwissenschaftlicher als auch politikwissenschaftlicher Perspektive analyisiert werden, beide Sichtweisen widersprechen sich jedoch teilweise. Die beiden Perspektiven sollten jedoch nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern in einen theoretischen Gesamtrahmen integriert werden, um europäische Integration erklären zu können. Der europäische Republikanismus und die „res publica der öffentlichen Güter“ könnten diesen Rahmen liefern. Dieser Ansatz könnte auch ein neues Narrativ zur Schaffung einer europäischen Identität liefern.
Thilo Zimmermann

Defizite der gegenwärtigen Theorien der EI

Frontmatter
2. Föderalismus, Souveränität und Modernität
Zusammenfassung
Die der Ideen von Souveränität und Föderalismus sind eng miteinander verwoben und entwickelten sich in den verschiedenen Epochen des europäischen Modernisierungsprozesses der letzten 500 Jahre. In dieser Zeit wurden beide Konzepte mit Ideen des Republikanismus, Intergouvernementalismus, Nationalismus, Idealismus und Sozialismus kombiniert. Widersprüche führten jedoch zu einer Überbewertung der Souveränität, was die Schaffung einer europäischen Föderation schwierug machte. Die Überbetonung der Souveränität und des Nationalismus sowie das Fehlen internationaler oder europäischer Institutionen bereitete den Weg zu zwei Weltkriegen und der vollständigen Zerstörung des europäischen Staatensystems. Das Zusammenspiel von Souveränität und Föderalismus war daher nicht in der Lage, einen Weg zur europäischen Integration zu weisen; ein neuer Ansatz ist daher erforderlich.
Thilo Zimmermann
3. Die Obsoleszenz des Neofunktionalismus
Zusammenfassung
Nach dem Zweiten Weltkrieg schufen die Alliierten eine „funktionale“ internationale Ordnung. Der Neofunktionalismus oder „Funktions-föderalismus“ (funktional federalism) ist, wie der Name schon sagt, eine Kombination aus Föderalismus und der Theorie des Funktionalismus in den internationalen Beziehungen. Das Kapitel veranschaulicht, wie der Neofunktionalismus entwickelt wurde, um einen Weg zur Schaffung einer europäischen Föderation innerhalb der globalen „funktionalen“ geopolitischen Ordnung zu finden, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden war. Viele Probleme des heutigen europäischen Integrationsprozesses lassen sich durch die hybride Natur des Neofunktionalismus erklären. Der Neofunktionalismus stieß in den 1970er-Jahren an seine Grenzen, als zunehmende Kapitalströme die wirtschaftlichen Interdependenzen zwischen den Nationalstaaten erhöhten und die funktionale geopolitische Weltordnung unter Druck setzten. Der funktionale Föderalismus wurde obsolet, weil er diese neue Dynamik nicht erklären konnte.
Thilo Zimmermann
4. Liberalismus: Ist die Wirtschaft der Treiber von Integration?
Zusammenfassung
Die Theorie des liberalen Intergouvernementalismus wurde erfunden, um dem Phänomen der zunehmenden Interdependenzen seit den 1970er-Jahren zu begegnen. Es wird argumentiert, dass internationale Organisationen (wie die EU) von nationalen Regierungen geschaffen werden, um wirtschaftliche Interdependenz zu steuern. In diesem Kapitel wird gezeigt, dass das Konzept der wirtschaftlichen Interdependenz innerhalb des Europäischen Gemeinsamen Marktes und insbesondere innerhalb der Eurozone nicht mehr gilt. Es muss durch das Konzept der wirtschaftlichen Externalitäten ersetzt werden, diese bedürfen einer besonderen Form der Governace.
Thilo Zimmermann
5. Wie lassen sich die Probleme der EI-Theorie lösen?
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden neue Ansätze vorgestellt, die in den letzten Jahren entstanden sind, um die Schwächen der europäischen Integrationstheorie zu überwinden, die in den vorangegangenen Kapiteln erläutert wurden. Bei diesen Ansätzen handelt es sich um Multi-Level-Governance, den neuen Institutionalismus, den sozialen Konstruktivismus und die Theorie europäischer öffentlicher Güter. Das Kapitel kommt zu dem Schluss, dass ein neuer Ansatz erforderlich ist, der die Vorteile der neu entstehenden Theorien kombiniert und dazu beiträgt, die Schwächen der europäischen Integrationstheorie zu überwinden. Dieser neue Ansatz könnte das Konzept der Europäischen Republik sein, in der wirtschaftliche Externalitäten nach einem republikanischen Paradigma geregelt werden müssen.
Thilo Zimmermann

Europäischer Republikanismus

Frontmatter
6. Ansätze für eine europäische Republik
Zusammenfassung
Die republikanische Theorie hat in den letzten Jahren ein bemerkenswertes Revival in der politischen Philosophie erlebt. Die Einsichten der republikanischen Beiträge könnten auch für die Theorien europäischer Integration fruchtbar sein, wenn sie von kommunitaristischen Überzeugungen getrennt und Republikanismus und Gemeinwohltheorie in kohärenter Weise kombiniert werden. Insbesondere das Konzept einer „res publica der öffentlichen Güter“ scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein; allerdings gibt es noch einige Baustellen im Theoriegebäude, die es zur Zeit noch erschweren, den Ansatz auf die europäische Integration anwendbar zu machen.
Thilo Zimmermann
7. Eine politische Philosophie öffentlicher Güter
Zusammenfassung
Um die Theorie der öffentlichen Guter auf den republikanischen Diskurs anwendbar zu machen, muss sie überarbeitet werden. Dieses Kapitel veranschaulicht dabei insbesondere das Dichotomie- und Definitionsproblem der Gemeinwohltheorie. Das Problem der Dichotomie kann durch die Verbindung der Theorie des öffentlichen Gutes mit der politischen Philosophie gelöst werden. Die klassischen Merkmale des öffentlichen Gutes – Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität – werden nun, aufbauend auf dem sozialen Konstruktivismus von Searle, aus den Merkmalen einer geistigen und der materiellen Welt abgeleitet. Aufbauend auf dieser neuen Sichtweise der Theorie der öffentlichen Güter wird das Konzept einer Hierarchie von ineinandergreifendensozialen Institutionen und öffentlichen Gütern entwickelt, die von einem Souverän bereitgestellt werden müssen. Dieser Ansatz erlaubt es, ökonomische und politikwissenschaftliche Theorie zu verbinden und die europäische Integration unter dem republikanischen Gesichtspunkt einer res publica öffentlicher Güter zu erklären.
Thilo Zimmermann

Überwindung der Probleme der EI-Theorie

Frontmatter
8. Souveränität und monetäre Integration
Zusammenfassung
Dieses Kapitel zeigt, wie die Geldtheorie, insbesondere das Konzept der vier Funktionen des Geldes (nämlich Tauschmittel, Rechnungseinheit, Wertaufbewahrungsmittel und Zahlungsaufschub), in das Konzept einer Hierarchie ineinandergreifender sozialer Institutionen und öffentlicher Güter integriert werden kann. Dieser Ansatz unterstreicht die Verbindung zwischen staatlicher Souveränität und der Geldwirtschaft. Darauf aufbauend wird argumentiert, dass die Einführung des Euro in erster Linie dazu diente, die dritte und vierte Funktion des Geldes (Wertaufbewahrungsmittel und Mittel für zeitversetzte Zahlungen) zu integrieren. Theorien über optimale Währungsräume (OCAs), die sich hauptsächlich auf die zweite Funktion des Geldes (Rechnungseinheit) konzentrieren und Fragen der Souveränität vernachlässigen, sind daher nicht in der Lage, die europäische Währungsintegration vollständig zu erklären.
Thilo Zimmermann
9. Externe Effekte eines gemeinsamen Faktormarktes
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird beschrieben, wie die Einführung einer europäischen Währung und insbesondere eines gemeinsamen europäischen Faktormarktes zur Entstehung europaweiter Externalitätsprobleme führt. Das Konzept der Interdependenzen, auf dem der Neofunktionalismus aufbaut, ist daher im Falle der EU obsolet. Nach dem republikanischen Paradigma erfordern europaweite Externalitätsprobleme europäische Institutionen, um diese Probleme zu regeln. Mögliche Lösungen sind zum Beispiel ein größerer europäischer Haushalt, eine europäische Arbeitslosenversicherung, EU-weite Anlageprodukte für Privatkunden inklusive Euro-Bonds, eine Finanztransaktionssteuer und europaweite Lohnverhandlungen. Diese Lösungen bedürfen jedoch eines politischen Konsenses.
Thilo Zimmermann
10. Was treibt die europäische Integration an?
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird argumentiert, dass der europäische Republikanismus besser geeignet ist, die europäische Integration zu erklären, weil er impliziert, dass die Hauptantriebskraft der europäischen Integration nicht nur der wirtschaftliche Vorteil ist, sondern vielmehr die Furcht vor (wirtschaftlicher) Dominierung. Formen von Dominierung können nur durch die Herrschaft von (europäischen) Gesetzen vermieden werden. Der Republikanismus befasst sich jedoch auch mit wirtschaftlichen Problemen, da die „res publica“ der öffentlichen Güter und der Wohlfahrt im Mittelpunkt der Theorie steht. Der Republikanismus erlaubt es also, politische Aspekte mit wirtschaftlicher Rationalität zu verbinden.
Thilo Zimmermann
11. Schlussfolgerungen
Zusammenfassung
Aufgrund der im ersten Teil des Buches dargestellten Probleme hatten die bisherigen Theorien der europäischen Integration Schwierigkeiten, die europäische Integration zu erklären. Der europäische Republikanismus und die res publica öffentlicher Güter könnten einen theoretischen Rahmen bieten, um wirtschafts- und politikwissenschaftliche Theorien auf kohärentere Weise zu verbinden und eine neue Darstellung der europäischen Integration zu entwickeln.
Thilo Zimmermann
Backmatter
Metadaten
Titel
Europäischer Republikanismus
verfasst von
Thilo Zimmermann
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-031-44091-5
Print ISBN
978-3-031-44090-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-031-44091-5