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27.02.2023 | Fabrikplanung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Industrie 4.0 verlangt nach Smart Services

verfasst von: Christoph Berger

5:30 Min. Lesedauer

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Der Industrie 4.0-Ansatz ist inhaltlich äußerst breit gefächert. Sämtliche Facetten haben aber eine Schnittmenge: die Digitalisierung. Die lässt sich auch für das Zusammenspiel der Industrieunternehmen mit ihren Kunden nutzen.

Im Kapitel Industrie 4.0 and IoT Technologies des Springer-Fachbuchs Virtual Product Creation in Industry schreibt Rainer Stark, dass sich in der neuen Industrie 4.0-Wirklichkeit nicht nur die bestehenden Fertigungsprozesse verbessern müssen, es würden sich auch innovative Geschäftsmöglichkeiten mit datengesteuerten und plattformbasierten Geschäftsmodellen ergeben: "Die Digitalisierung der Industrie ermöglicht es Unternehmen, Produkt-Service-Systeme (PSS) zu schaffen. PSS sind eine Kombination von physischen Produkten mit menschenbasierten oder automatischen Dienstleistungen, die Datendienste nutzen, so genannte Smart Services." Dabei würden diese PSS der neuesten Generation den neuen Grundsätzen von "Everything-as-a-service", abgekürzt XaaS, folgen. Stark schreibt weiter: "Solche modernen PSS haben bereits ihren Weg in die Industrie gefunden, zum Beispiel durch Modelle wie "Pay/Power-by-the-Hour", "Pay-per-Use" oder "Pay-per-Load" für Maschinen. Diese Konzepte würden die Umsatzgenerierung auf den gesamten Produktlebenszyklus ausdehnen und zu fortschrittlicheren Diensten wie Software-Updates über "Over-the-Air" (OTA) führen.

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Alles wird zum Service

Ein Beispiel für ein solches XaaS-Modell ist ein 2021 von DMG Mori eingeführtes digitales Geschäftsmodell. Der Werkzeugmaschinenhersteller brachte damals Payzr auf den Markt. Damit können Kunden Maschinen abonnieren statt erwerben, Innovationszyklen beschleunigen und zugleich hohe Investitionskosten vermeiden, heißt es in einer dazugehörigen Mitteilung. Bezahlt werde nur, was genutzt werde. Für den Bereich Equipment-as-a-Service beinhalte das eine monatliche Grundgebühr sowie eine nutzungsbasierte Gebühr pro Spindelstunde. Das Modell sei zudem im Software-as-a-Service-Bereich zu bekommen. Payzr steht übrigens für Pay with zero Risk. Die Kunden erhalten genau das, was sie brauchen, heißt es.

Hinter diesem Motto steckt der Gedanke, den Kunden ins Zentrum zu stellen. Der steckt auch hinter "Servitization". Dabei werden dem angebotenen Produkt Dienstleistungen hinzugefügt. Nach erfolgreicher Zusammenführung von Produkt und Dienstleistung entsteht das bereits erwähnte PPS. Fast alle Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes hätten begonnen, Servitization als Chance zu begreifen, heißt es im Kapitel Servitization and Modern Business Models des Springer-Fachbuchs Life-Cycle Management of Machines and Mechanisms, mehr als 20 % hätten sie bereits eingeführt.

Kunden müssen mitziehen

Neben der Digitalisierung, die zu strukturellen Veränderungen von Märkten, Kunden und Unternehmen führe, seien zudem die Intensität des Wettbewerbs, der damit verbundene Preisdruck, kürzere Produktlebenszyklen und die zunehmende Konvergenz der Produktangebote wesentliche Treiber für diesen Wandel, heißt es in dem Kapitel weiter. Die Autoren schreiben: "Unternehmen glauben, dass zunehmende Dienstleistungen die Möglichkeit bieten, auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren, ein höheres Maß an Differenzierung zu erreichen und die Kundenbeziehung zu stärken." Die Technologie spiele dabei dahingehend eine wichtige Rolle, da ihr Einsatz die Entwicklung neuer, integrierter Produkt-Service-Angebote in der Fertigung ermögliche: Predictive analytics, Fernwartung, mobile Plattformen, Überwachung des Verbrauchs, Dashboarding und die Integration von Sensornetzen.

Bei all dem spielt die Einbeziehung der Kunden eine entscheidende Rolle. Außerdem müssten in Anbetracht der Abhängigkeit vieler Produktunternehmen von verschiedenen Vertriebspartnern der kulturelle Wandel möglicherweise auch die Unternehmen im breiteren Geschäftsnetz einbeziehen. Somit verlangt das Konzept von den Herstellern, sich neu zu erfinden, um wettbewerbsfähig zu bleiben, wie die Autoren des Kapitels The Role of Digitalization, Servitization and Innovation Ecosystem Actors in Boosting Business Model Innovation – A Literature Review im Springer-Fachbuch Innovations in Industrial Engineering II schreiben. Insgesamt würden die Unternehmen mehr Wert auf das Kundenerlebnis legen.

Smarte Produkte brauchen breite Datenbasis

Ein Beispiel aus dem Bereich Fernwartung liefert das Kapitel Einsatzmöglichkeiten von AR-Technologie bei der Instandsetzung von Industrieanlagen im Springer-Fachbuch Digitalisierung von industriellen Dienstleistungen. Statt bei einer Schadenfeststellung in einer Industrieanlage ein Ticket beim Anlagenhersteller zu eröffnen und einen Termin mit einem Servicetechniker zu vereinbaren, der die Reparatur dann vor Ort durchführt, könnte auch eine Remote-Service-Anwendung eingesetzt werden. Was allerdings Video-Lösungen und Augmented-Reality-Anwendungen voraussetzt. So "können weniger erfahrende Technikerinnen und Techniker die Anlagen reparieren und dabei vom impliziten Wissen der Remote-Experten profitieren". Die Techniker vor Ort werden aus der Ferne von den Anlagenexperten des Herstellers also fachgerecht angeleitet.   

Die Potenziale derartiger Smart Services scheinen erkannt, allerdings ist laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA für viele Unternehmen eine Herausforderung, Ansprüche dieser Art zu identifizieren und ihre Produkte daran anzupassen. Die Ergebnisse zeigten, dass die meisten Produktdaten bislang über klassische Wege und nicht über das Internet of Things (IoT) erfasst werden: Zum Beispiel aus Feedback des Vertriebs (20,4 %) oder von Wartungseinsätzen vor Ort (18,5 %). Erst danach würden Rohdaten über IoT (8,1 %) und vorverarbeitete Produktdaten über IoT (7,1 %) folgen. Für die datengestützte Produktentstehung sei demnach ein vollständig digitalisiertes Umfeld nicht zwingend notwendig. Doch smarte Produkte könnten in kurzer Zeit eine viel größere Datenbasis bereitstellen. Daraus resultiere ein Kreislauf: Die Daten aus smarten Produkten helfen im nächsten Schritt dabei, verbesserte smarte Produkte zu entwickeln. Doch genau solche smarten Produkte seinen noch eine Seltenheit. Wobei die befragten Unternehmen in diesem Bereich in den kommenden fünf Jahren einen spürbaren Anstieg erwarten.

Wo ist die methodische Vorgehensweise bei der Datenanalyse?

Außerdem sind nach Ansicht der IPA-Forscher noch einige weitere Hürden zu überwinden: Diese Entwicklung, die für einen Anstieg der Datengrundlage sorgen soll, trifft bisher noch auf eine fehlende methodische Vorgehenswese bei der Datenanalyse. Über zwei Drittel (68,4 %) der befragten Personen hätten angegeben, dass in ihrem Unternehmen keine systematische Vorgehensweise zur Analyse etabliert sei. Was die Gefahr des Scheiterns in Bezug auf datengestützte Entwicklungen in sich berge. Zudem müsse die Bereitschaft zum Teilen der Daten steigen: So sind zwar mehr als die Hälfte der Befragten (56,6 %) grundsätzlich bereit, ihre erhobenen Produktdaten mit anderen – etwa mit anderen Herstellern – zu teilen, gleichzeitig gaben 42,6 Prozent der Befragten an, dass sie derzeit nur bei wenigen Kunden Daten erfassen dürfen. Doch ohne Daten wird es mit den Smart Services nicht funktionieren. Da wird es bei Herstellern und Kunden ein Umdenken hin zu mehr Kollaboration geben müssen. Nur dann werden alle von den neuen Möglichkeiten profitieren können.

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