Skip to main content

30.08.2024 | Fachkräftemangel | Interview | Online-Artikel

"Die Unternehmenskultur muss authentisch sein"

verfasst von: Lea Sommerhäuser

6 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

In der heutigen schnelllebigen digitalen Landschaft ist der Bedarf an qualifizierten IT-Profis so hoch wie nie zuvor. Was den IT-Experten im Arbeitsumfeld wichtig ist und wie Unternehmen sich für diese Bewerbergruppe attraktiver aufstellen können, verrät HR-Expertin Stephanie Krüger im Interview.

springerprofessional.de: Frau Krüger, der IT-Fachkräftemangel ist nach wie vor ein leidiges Thema. Was schreckt begehrte IT-Experten häufig bei Arbeitgebern ab?

Stephanie Krüger: IT-Experten sind weiterhin in den verschiedensten Branchen stark nachgefragt und haben häufig die Wahl zwischen verschiedenen Jobangeboten. Dennoch halten viele Unternehmen an ihren Gewohnheiten fest, statt auf die Situation zu reagieren. Es ist notwendig, die Attraktivität der Jobangebote zu hinterfragen, sie mit der Konkurrenz zu vergleichen und den Marktverhältnissen anzupassen. Die Gründe, weshalb sich IT-Fachkräfte gegen bestimmte Arbeitgeber entscheiden, beginnen schon beim Bewerbungsprozess: IT-Experten bevorzugen schnelle und transparente Prozesse mit klarer Kommunikation und zeitnaher Rückmeldung, anstelle eines ineffizienten und unpersönlichen Rekrutierungsprozesses.

Gehalt, Bonus, Urlaub, flexible Arbeitsmodelle: Welche Faktoren sind den Arbeitssuchenden anno 2024 besonders wichtig?

Die angespannte Situation bei IT-Stellen hat dazu geführt, dass wir ziemlich genau wissen, worauf IT-Fachkräfte Wert legen und was ihnen wichtig ist. Indem Unternehmen Faktoren wie finanzielle Anreize (Aktienoptionen oder Gewinnbeteiligungen), flexible Arbeitszeitmodelle (Homeoffice und Remote-Arbeit, auch außerhalb Deutschlands), Work-Life-Balance (Sabbatical-Optionen, Freizeitausgleich, Unterstützung bei der Kinderbetreuung), ausreichend Weiterbildungsmöglichkeiten (z.B. regelmäßige Schulungen und Zertifizierungen), Gesundheit und Wohlbefinden (auch zur mentalen Gesundheit) in einem positiven und unterstützendem Arbeitsklima berücksichtigen, können sie ihre Attraktivität für arbeitssuchende IT-Experten im Jahr 2024 noch deutlich steigern und talentierte Mitarbeiter langfristig binden. Das klingt eigentlich ganz einfach, oder?

Was sollten IT-Unternehmen mit Blick auf das Recruiting und die Mitarbeiterbindung anders machen?

Die Bedürfnisse der Mitarbeiter ernst zu nehmen – sei es hinsichtlich sinnstiftender Arbeit oder der Work-Life-Balance –, ist ungemein wichtig. Häufig werden diese Themen nur zu Employer-Branding-Zwecken entwickelt, bei Neueinstellungen thematisiert und im Arbeitsalltag dann halbherzig oder gar nicht erfüllt. Die Unternehmenskultur muss authentisch sein und gelebt werden. Grundsätzlich darf der Wert der vorhandenen Belegschaft nicht aus den Augen verloren werden – die meisten Fachkräfte bekommen regelmäßig lockende Abwerbungsangebote, dem kann man als Unternehmen nur entgegenwirken, wenn die Mitarbeiter zufrieden sind. Zudem sollte der Recruiting-Prozess modernisiert werden: Datengetriebenes Recruiting hilft bei der Identifikation passender Talente und mithilfe von Active Sourcing können Kandidaten individuell und persönlich angesprochen werden – das kann ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: IT-ler erwarten schnelle und transparente Prozesse – es ist dringend notwendig, dass Entscheidungszeiten verkürzt und Bewerbungsprozesse vereinfacht werden.

Inwieweit können IT-Lösungen beim Recruiting helfen?

Da gibt es wirklich viele Möglichkeiten: Durch den Einsatz von IT-Lösungen können Unternehmen ihren Recruiting-Prozess effizienter gestalten, die Qualität der Einstellungen verbessern und eine positive Kandidatenerfahrung schaffen. Man sollte aber immer im Auge behalten, dass auch Empathie und Kultur eine große Rolle im Recruiting und Employer Branding spielen, wenn man wirklich punkten will. Und ganz wichtig: Allein die Anschaffung von IT ist nicht die Lösung – sie muss auch in Unternehmensprozesse integriert sein und von den HR-lern verstanden und genutzt werden. Effizienter gestaltet sich der Bewerbungsprozess durch Bewerber-Management-Systeme, die Bewerbungen automatisch verwalten und nachverfolgen. Hilfreich sind dabei auch Tools, die Vorstellungsgespräche selbstständig planen. Um vorherzusagen, welche Kandidaten am besten zur Unternehmenskultur und den Anforderungen passen, eignen sich Predictive Analystics. Ich empfehle auch den Aufbau von Talentpools, die bestehende Mitarbeiter ebenso berücksichtigen wie Bewerber, um Profile für potenzielle Kandidaten zu erstellen. Für eine große Reichweite und gezieltes Sourcen eignen sich soziale Plattformen wie Linkedin, Github und Stack Overflow, wo durch Programmatic Job Advertising Stellenanzeigen automatisch platziert werden können. Employee Referral Programs unterstützen dabei, Mitarbeiterempfehlungen zu fördern. Um die Kandidatenerfahrung zu verbessern, sind eine personalisierte Kommunikation durch automatisierte E-Mails und Benachrichtigungen, Tools zur Einholung und Auswertung von Feedback der Bewerber sowie die Möglichkeit, dass Bewerber den Status ihrer Bewerbungen in Echtzeit verfolgen können, unerlässlich. Unterstützung bei der Vorauswahl und Bewertung der Bewerber erhalten Arbeitgeber durch Video-Interview-Plattformen, Künstliche-Intelligenz-gestützte (KI) Tools zur Analyse der Lebensläufe sowie Online-Assessment-Tools zur Bewertung der Fähigkeiten von Bewerbern. Damit die Entscheidungsfindung leicht gemacht ist und die Zusammenarbeit und Kommunikation im Rekrutierungsteam effizient erfolgt, ist der Einsatz von Collaboration-Tools wie Slack, Microsoft Teams oder Trello sowie Dashboard- und Reporting-Tools zur Nachverfolgung von KPIs und zur Unterstützung datenbasierter Entscheidungen unerlässlich. Bias-Freie-Algorithmen und anonymisierte Bewerbungen helfen, Diversität und Inklusion zu fördern.

Welche Rolle spielt hierbei konkret Künstliche Intelligenz?

Sie wird im Recruiting immer wichtiger. Viele der genannten IT-Lösungen arbeiten bereits (teilweise) mit KI bzw. haben diese integriert. Aber auch hier gilt: Die menschliche Komponente ist vor allem im Recruiting und der Mitarbeiterbindung (Retention) mindestens genauso wichtig. Wenn beide zum Team werden und sich gegenseitig richtig verstehen, dann bieten sich tolle Möglichkeiten für die Zukunft. Wichtig ist: Rekrutierungsteams müssen in der Lage sein, KI-generierte Ergebnisse zu hinterfragen und zu korrigieren. Denn gerade aktuell sind viele Ergebnisse noch fragwürdig und zu diskutieren. Fakt ist aber auch: KI wird besser werden und wir fangen lieber schon jetzt an, sie ins Team einzubinden, als die wichtige Transformation zu verpassen. Ganz konkret kann KI, wenn sie sinnvoll eingesetzt wird, die wichtigsten Aspekte im Recruiting abdecken: vom Lebenslauf-Screening über Video-Interview-Analysen und Assessments, 24/7-KI-Chatbots als Ansprechpartner der Bewerber und der Erkennung von Mustern und Fähigkeiten bis hin zur Datenanalyse und Entscheidungsunterstützung. Besonders spannend finde ich persönlich Predictive Workforce Analytics, wodurch KI die Mitarbeiterbindung und Karriereentwicklung analysiert und Vorhersagen über bevorstehende Kündigungen treffen, aber ebenso Weiterbildungsmöglichkeiten empfehlen kann.

Welche Schlüsseltrends werden in den kommenden Monaten noch hohe Wellen im HR-Sektor schlagen?

Durch die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Branchen von Industrie bis IT können wir Schlüsseltrends identifizieren. Ein ganz klarer Trend ist in den Bereichen Employee Experience und Wellbeing erkennbar: Das Wohlbefinden der Mitarbeiter, wozu mentale Gesundheit, physische Fitness und Work-Life-Balance zählen, und personalisierte Mitarbeiterlebnisse stehen im Fokus. Doch auch die Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. Unternehmen investieren verstärkt in messbare DEI-Strategien, um eine inklusivere und gerechtere Arbeitsumgebung zu schaffen. Ein weiterer aktueller Trend liegt im Bereich der Corporate Social Responsibility (CSR), indem Unternehmen neben ihrer sozialen Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern, nachhaltige HR-Praktiken- und Richtlinien entwickeln, um ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Weitere Entwicklungen sind im Upskilling und Reskilling zu beobachten. Der Bedarf an kontinuierlicher Weiterbildung wird in vielen Bereichen massiv steigen, um den Anforderungen der sich schnell ändernden Arbeitswelt gerecht zu werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen verstärkt auf die Entwicklung ihrer bestehenden Mitarbeiter setzen (müssen), um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und sich selbst schnell genug weiterentwickeln zu können. Außerdem – welch Überraschung – wird uns auch im Recruiting der Trend zum Einsatz von KI-Technologien und Big Data weiter begleiten. Die Analyse von Daten hilft dabei, datenbasierte und personalisierte HR-Strategien zu entwickeln, die Bedürfnisse der Mitarbeiter besser zu verstehen und effizientere Prozesse durch Automatisierung zu etablieren, um bessere Personal- und Budgetentscheidungen zu treffen und zu verargumentieren.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

Premium Partner