Viele deutsche Start-ups stehen vor dem Problem, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Mehr als die Hälfte der Jungunternehmen (53 Prozent) konnte bereits einmal eine Stelle nicht besetzen, weil kein qualifizierter Bewerber gefunden wurde. Vor allem IT-Fachkräfte sind ein rares Gut: Zwei von drei Gründern (65 Prozent) geben an, dass es besonders schwierig sei, qualifizierte Entwickler, Programmierer oder Big-Data-Spezialisten zu finden.
Dies ist das Ergebnis einer Umfrage, die der IT-Branchenverband Bitkom zwischen März und Mai 2017 unter 252 Gründern von IT- und Internet-Start-ups durchgeführt hat. "Das Ziel, mehr junge Menschen für die Informatik zu gewinnen, etwa indem flächendeckend ein Schulfach Informatik eingeführt wird, ist nicht nur bildungspolitisch bedeutend, sondern auch konkrete Start-up-Förderung", erklärt Bitkom-Präsident Achim Berg. "Und für Fachkräfte aus dem Ausland, die vermehrt insbesondere in die Ballungszentren kommen, muss eine Willkommenskultur entwickelt werden."
Der Kampf um die besten Köpfe
Bei der Suche nach qualifiziertem Personal konkurrieren Start-ups mit Mittelständlern ebenso wie mit Konzernen, nicht nur aus dem IT-Sektor. Denn qualifizierte Entwickler werden in fast jeder Branche gesucht. Start-ups haben dabei teilweise Nachteile: "Die Jobsicherheit der Mitarbeiter ist geringer, das Unternehmen ist ein lebendiger Change-Prozess, es gibt wenig klare Strukturen, feste Prozesse und gegebenenfalls auch ein geringeres Gehalt als in einem traditionellen Konzern", erklären die Springer-Autoren Nicole Bogott, Stefan Rippler und Branko Woischwill auf Seite 127 in dem Kapitel "Auf dem Weg ins Start-up" ihres Buchs "Im Startup die Welt gestalten".
Jobs bei Start-ups hätten aber auch eine Reihe von Vorteilen:
"So eigenständig wie in einem Start-up arbeitet man selten in mittelständischen oder großen Unternehmen. […] Das Klima in einem Startup ist nicht selten familiär, kommuniziert wird meist auf Augenhöhe, der Platz für eigene Ideen ist riesig und in schnell wachsenden Gründungsunternehmen gewinnt man mit geeigneter fachlicher Qualifikation auch schnell an Führungserfahrung." Nicole Bogott, Stefan Rippler und Branko Woischwill in "Im Startup die Welt gestalten" (Seite 127).
Innovative Recruiting-Strategien
Um qualifiziertes Personal zu finden, haben Start-ups spezielle Methoden der Personalgewinnung entwickelt. In dem Kapitel "Recruiting-Strategien von Start-ups" seines Buchs "Kulturbasiertes IT-Recruiting" zeigt Springer-Autor Frank Rechsteiner anhand von Praxisbeispielen und Interviews mit Gründern, wie sich Start-ups auf dem Personalmarkt behaupten. So setzen sie beispielsweise auf "Recrutainment":
"Beim Recruitainment handelt es sich um eine von Start-ups entwickelte Methode der Kandidatensuche, die sich auch bei gestandenen Personalern immer größerer Beliebtheit erfreut. Verknüpft werden klassische Formen des Recruitings mit Infotainment und Unterhaltung. […] Anders als zum Beispiel beim klassischen Vorstellungsgespräch steht beim Recruitainment das gemeinsame Erleben in lockerer Atmosphäre im Vordergrund." Frank Rechsteiner in "Kulturbasiertes IT-Recruiting" (Seite 28).
Auch durch Social und Mobile Recruiting, sei es über Facebook, Karrierenetzwerke wie Xing und Linkedin oder spezielle Karriere-Apps, gewinnen Start-ups erfolgreich Fachkräfte. Ein weiteres Mittel sind Mitarbeiter-Beteiligungsmodelle. Springer-Autor Rechsteiner: "Diese Art der direkten Gewinnbeteiligung motiviert die Mitarbeiter und übrigens auch die Kandidaten enorm. In diesen Start-ups gibt es am Ende nicht einen Millionär, sondern alle Mitarbeiter partizipieren am Erfolg." (Seite 37)
Auch Spieleprogrammierer und -designer werden dringend gesucht
Innovative Prinzipien der Rekrutierung nutzen zunehmend jedoch auch große Konzerne. Je nach Sparte bleibt es selbst den Global Playern nicht erspart, sich selbst als Bewerber um die Fachkräfte zu positionieren. Ein aktuelles Beispiel liefert auch der Bereich der Computerspiele-Entwicklung. Wenn vom 22. bis 26. August 2017 nun die Gaming-Branche in Köln zur weltgrößten Computerspiel-Messe, der Gamescom, zusammenkommt, platzieren sich Unternehmen dort auch, um Nachwuchs zu finden. Programmierer und Spieledesigner sind schließlich gefragtes Gut in dieser Milliardenbranche, genau wie IT-Sicherheitsspezialisten an anderen Stellen in Konzernen. Da versucht man beispielsweise, mit umgekehrten Vorstellungsrunden sein Unternehmen bestmöglich den Programmierern von heute und von morgen zu präsentieren. Der Spieß hat sich gedreht.