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01.03.2013 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Aerodynamik: von Torpedos, Tropfen und Stromlinie

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

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Die Aerodynamik trägt heute entscheidend zur Energieeffizienz von Fahrzeugen bei. Vor rund 100 Jahren geriet sie erstmals in den Fokus der Wissenschaft. Schon früh dachten sich Ingenieure Torpedo- und Tropfenformen für Fahrzeuge, vor allem für Rennwagen, aus. Doch erst nach der zweiten Ölkrise vor rund 30 Jahren bekam die Aerodynamik wirklich hohe Priorität bei der Fahrzeugentwicklung . Heute steht die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs im Vordergrund.

Die Entwicklung der ersten Personenwagen fokussierte angesichts der geringen möglichen Geschwindigkeiten nicht den Wind. Selbst die ersten "richtigen" Pkw, wie sie zum Beispiel Daimler unter der Marke Mercedes ab 1901 auf den Markt brachte, stemmten sich zerklüftet dem Fahrtwind entgegen. So hatte der Mercedes Simplex von 1902 eine Stirnfläche von rund 3 Quadratmeter. Dies und sein cw-Wert von 1,05 führten dazu, dass der Wind fast zehn Mal so viel Widerstand fand wie bei einem modernen Personenwagen.

Inspiration aus dem Flugzeugbau

Vom aufkommenden Flugzeugbau inspiriert, begann die Fachwelt aber schon kurz nach dem ersten Weltkrieg sich auch mit der Aerodynamik der Automobile zu beschäftigen. Im Jahr 1921 präsentierte Flugzeugkonstrukteur Eduard Rumpler (1872 bis 1940) seinen Tropfenwagen. Der schmale Aufbau des Wagens führte zu einer Stirnfläche von 2,4 Quadratmeter; die Tropfenform minimierte die Verwirbelungen an der Front und vor allem im Nachlauf. Mit einem cw-Wert von 0,28 und dem resultierenden Luftwiderstand von 0,67 Quadratmeter setzte der Tropfenwagen ein deutliches Zeichen. Auch Paul Jaray (1889 bis 1974), der als ebenfalls als "Vater der Stromlinienform" gilt, stammte aus der Luftfahrt. Ebenfalls im Jahr 1921 beantragte er ein Patent. Danach standen die Räder erstmals nicht mehr frei, sondern wurden in den Karosseriekörper einbezogen, das Fließheck diente der Minimierung von Wirbeln am Heck.

Größter Nachteil der Jaray’schen Stromlinie war das lang auslaufende Heck – je länger, desto strömungsgünstiger. Doch dieser "tote" Raum war ungünstig für die praktische Umsetzung. Die Lösung fand in den 30er-Jahren Wunibald Kamm (1893 bis 1966), erster Professor für Kraftfahrwesen an der Technischen Hochschule Stuttgart und 1930 Gründer des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS). Kamm schnitt das Stromlinienheck scharf ab und entwickelte mit dem K-Wagen 1938 bis 1941 den Prototyp eines aerodynamisch innovativen Personenwagens. Noch heute ist die Bezeichnung "Kamm-Heck“ für die scharfe Abrisskante ein Begriff

Kraftstoffverbrauch im Fokus

In den 1950er-Jahren ließen steigender Wohlstand und sinkende Kraftstoffpreise die Anstrengungen um geringe Fahrwiderstände in den Hintergrund treten. Fahrleistungen wurden durch großvolumige Motoren erreicht. Erst die zweite Ölkrise 1980 brachte ein Umdenken und lenkte die Aufmerksamkeit der Industrie wieder auf die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. Ein Mittel dafür ist die Senkung des Luftwiderstands. Audi setzte mit dem 100 (cw 0,30) im Jahr 1982 ein erstes Zeichen, darauf Mercedes-Benz im Jahr 1984 mit der E-Klasse W124 (cw 0,29) und Opel zeigte im Jahr 1991 mit dem Calibra (cw 0,26), was bei einem Coupé möglich ist. Trotz widriger Rahmenbedingungen zum Beispiel durch wachsende Reifenbreiten und den steigender Kühlluftbedarf starker Motoren, zeigt der Trend bei der Windschnittigkeit seither nach unten.

Je windschnittiger ein Fahrzeug ist, desto geringer ist sein Kraftstoffverbrauch. Doch auch Sicherheit und Komfort verbessern sich durch die Beseitigung störender Luftwirbel. Denn geringe Auftriebswerte sorgen für gute Straßenlage, und geringe Windgeräusche erhöhen den Komfort für die Passagiere.

Seither wird beim cw–Wert an der zweiten Stelle hinter dem Komma gefeilt. Eine Verbesserung des cw-Wertes um 0,01 bedeute nach Angaben des Herstellers Daimler im Fahrzyklus (NEFZ) ein Gramm CO2/km weniger Kraftstoffverbrauch, im gemittelten Realverbrauch seien es schon zwei Gramm und bei 150 km/h bereits fünf Gramm CO2/pro Kilometer. Dazu erläutert Dr. Teddy Woll, Leiter Aerodynamik bei Mercedes-Benz: "Gelingt es, den cw-Wert um zehn Tausendstel zu senken, sinkt der Kraftstoffverbrauch im Kundenmittel um ein zehntel Liter, bei ganz schnellem Autobahntempo um bis zu 0,4 Liter je 100 Kilometer. Um diesen Spareffekt durch Leichtbaumaßnahmen zu erzielen, müsste man die Autos um mindestens 35 Kilogramm abspecken."

Doch der cw–Wert allein ist nicht entscheidend für den Luftwiderstand. Denn zweite bestimmende Größe ist die Stirnfläche des Fahrzeugs, seine Querschnittsfläche in Strömungsrichtung. Hier sind den Aerodynamikern weitestgehend die Hände gebunden, da Autos unter anderem aus Gründen des Komforts immer breiter und höher werden.

Aerodynamische Optimierung heißt daher auch, nicht nur den Luftwiderstand zu senken, sondern auch möglichst geringen Auftrieb zu erzeugen. Zentral ist dabei nicht nur der absolute Wert an Vorder- und Hinterachse, sondern eine möglichst harmonische Abstimmung der Werte für vorne und hinten. Nur so ändert sich das Fahrverhalten nicht bei höheren Geschwindigkeiten.

Zudem sind Windgeräusche eine Disziplin der Aerodynamik. Basis für ein niedriges Windgeräuschniveau im Innenraum sind winddicht abschließende Tür- und Fensterdichtungen. Zunehmend rücken auch weitere Quellen für die Entstehung von Windgeräuschen in den Fokus, etwa an den Außenspiegeln oder beim Übergang von Motorhaube zur Frontscheibe und zum Dach.

Größte Fortschritte in puncto Aerodynamik sind nach Woll in der jüngeren Vergangenheit bei der Durchströmung des Motorraums, der Um- und Durchströmung der vorderen Räder und Radhäuser sowie im Bereich des Unterboden erzielt worden.

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