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22.07.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Dicke Luft um Diesel-Abgase

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

6:30 Min. Lesedauer

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Der Dieselmotor ist umstritten. Spart der Selbstzünder Kraftstoff oder verschmutzt er die Luft mit Rußpartikeln? Jedenfalls bekommen die Befürworter des Dieselmotos mit einer Studie der UNECE neuen Auftrieb: Demnach haben moderne Dieselmotoren nur einen geringen Einfluss auf die Feinstaubbelastung. Die OECD sieht die Rolle der Dieselfahrzeuge dagegen kritischer. Dass der Feinstaub aber schädlich für die Gesundheit ist, bleibt ohne Zweifel.

Dieselfahrzeuge in Europa und den USA tragen im Vergleich zu Wirtschaftsbereichen wie Handel, Institutionen und Haushalte nur gering zur Feinstaubbelastung bei, wie aus der Studie "Dieselmotoremissionen: Mythos und Wirklichkeit" der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) hervorgeht. Man könne mit einem hohen Grad an Zuverlässigkeit schließen, dass die Behauptung, die Belastung des Menschen durch Dieselfahrzeuge im Straßenverkehr verursache ein höheres Lungenkrebsrisiko, irreführend sei, wie aus der Studie hervorgeht. "In der Europäischen Union sind andere Wirtschaftsbereiche, hauptsächlich Handel, Institutionen und Haushalte, für 83 Prozent der Feinstaubbelastung verantwortlich. In den USA und Kanada sind es 97 Prozent."

Allerdings würden diese Ergebnisse nicht bedeuten, dass Maßnahmen zur Senkung der Umweltbelastung durch den Transportsektor aufhören könnten. Im Gegenteil: "Sie müssen auf aggressive und gezielte Weise fortgeführt werden", liest man in der UNECE-Studie. "Die Entwicklung neuer sauberer Dieseltechnologien für Pkw, Lkw, Busse, Bau- und landwirtschaftliche Fahrzeuge hat in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer Senkung der Feinstaub- und Stickoxidbelastung um mehr als 90 Prozent geführt", sagt Allen Schaeffer, Geschäftsführer des Diesel Technology Forums.

Straßenverkehr verursacht in den OECD-Ländern rund die Hälfte aller Luftverschmutzungskosten

Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich mit dem Thema beschäftigt, genauer mit den Kosten der Luftverschmutzung und den Gesundheitsfolgen des Straßenverkehrs. Die OECD ist mehr von der Schädlichkeit der Abgase von Dieselfahrzeugen im Straßenverkehr überzeugt.

Wie aus dem OECD-Bericht The Cost of Air Pollution: Health Impacts of Road Transport hervorgeht, würden Todesfälle und Erkrankungen durch Luftverschmutzung China, Indien und die größten Industrienationen rund 3,5 Billionen US-Dollar im Jahr kosten. Doch welcher Anteil der durch diese Todesfälle und Gesundheitsprobleme verursachten Kosten entfällt auf Umweltbelastungen durch Pkw, Lkw und Motorräder auf den Straßen? Vorläufige Erkenntnisse ließen laut OECD darauf schließen, dass der Straßenverkehr in den 34 OECD-Ländern wahrscheinlich für etwa die Hälfte der Gesamtkosten in Höhe von 1,7 Billionen US-Dollar verantwortlich ist. Besonders problematisch seien in diesem Zusammenhang die Emissionen von Dieselfahrzeugen. Auch Großstädte in China und Indien würden zunehmend unter Abgasen leiden, weil die wachsende Zahl von Autos und Lastwagen jegliche Versuche zunichtemache, die Emissionen einzudämmen.

Für die Kalkulation der Luftverschmutzungskosten ziehen die Autoren des Berichts jenen Betrag heran, den die Menschen in verschiedenen Ländern zu zahlen bereit wären, wenn sie dadurch einen vorzeitigen Tod durch Krebs, Herz- oder Atemprobleme vermeiden könnten. Für die OECD-Mitgliedstaaten kommen sie so auf etwa 1,7 Billionen US-Dollar. In China liegen die Kosten der Luftverschmutzung für die Gesellschaft danach bei nahezu 1,4 Billionen US-Dollar und in Indien bei 500 Milliarden US-Dollar.

Was lässt sich dagegen tun? Zum Beispiel rät die OECD-Studie dazu, Diesel nicht steuerlich zu bevorzugen. Der Bericht spricht sich zudem dafür aus, die Umweltbelastung im Straßenverkehr zu reduzieren, etwa durch schärfere Emissionsstandards, Investitionen in öffentliche Fahrradverleihe und Elektroautos sowie erweiterte Mautsysteme. Die OECD geht davon aus, dass über 3,5 Millionen Menschen jährlich infolge verschmutzter Außenluft sterben. Die WHO prognostizierte vor wenigen Wochen sogar das Doppelte.

Rußfilter-Nachrüstung, Erdgas und LPG für emissionsarmen Straßenverkehr

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert seit Längerem Maßnahmen gegen hohe Feinstaubwerte und kritisiert die unzureichende Abgasreinigung von Millionen immer noch ungefilterter Dieselmotoren in Fahrzeugen und Baumaschinen. In der Schweiz sind laut DUH hingegen sämtliche Baumaschinen und -fahrzeuge seit vielen Jahren mit Rußpartikelfiltern ausgestattet. In Deutschland aber würden sie mit einer generellen Sondergenehmigung die Luft in den Innenstädten verschmutzen. Auch seien laut DUH Ottomotoren mit Direkteinspritzung gefährlicher für Umwelt und Gesundheit als bislang angenommen.

Eine weitere Lösung, um die Luftqualität zu verbessern, kommt vom Deutschen Verband Flüssiggas. Durch den Einsatz von Autogas (LPG) ließe die Luftverschmutzung durch den Verkehr drastisch reduzieren, sagt Andreas Stücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbandes Flüssiggas. "Autogas weist im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen drastisch niedrigere Emissionswerte bei Feinstaub und Stickstoffdioxid auf, verbrennt CO2-reduziert und wird deutlich niedriger besteuert als Benzin und Diesel", erläutert Stücke weiter. In Deutschland werden aktuell aber nur mehr als 500.000 Kraftfahrzeuge mit Autogas betrieben, wie das Kraftfahrtbundesamt (KBA) angibt. Aber auch das Abgas eines Erdgasmotors ist sehr sauber. Der Anteil an giftigen Kohlenwasserstoffen ist gegenüber Benzin deutlich verringert. Darüber hinaus werden bei der Verbrennung praktisch keine Rußemissionen erzeugt, ein Partikelfilter ist demnach nicht erforderlich. Rund 79.000 Erdgasfahrzeuge sind laut KBA in Deutschland zugelassen.

Wirksamkeit von Umweltzonen: eine Frage der Messung

Auch die Umweltzonen sollen gegen verkehrsbedingte Luftqualitätsprobleme angehen. Allerdings wird die Wirksamkeit der Umweltzonen immer wieder diskutiert, wobei eine Bewertung der Verbesserung der Luftqualität durch Umweltzonen neben der Messung der Gesamtmasse von der Größenverteilung von Partikeln in Verbindung mit deren chemischen Zusammensetzung abhängt. Oftmals beziehen sich Untersuchungen allein auf eine Massenobergrenze (PM 10 beziehungsweise PM 2,5 ). Die Effekte der stofflichen Zusammensetzung sowie der Partikelgröße, Partikeloberfläche und Partikelteilchenzahl werden oft nicht ausreichend berücksichtigt, wie zum Beispiel das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen im Beitrag "Ist die Einführung von Umweltzonen tatsächlich eine sinnvolle Maßnahme zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung?" erläutert.

Das Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA) hat zum Beispiel festgestellt, dass eine Feinstaubreduktion in Umweltzonen durch Fahrverbote für Fahrzeuge ohne Umweltplakette kaum festzustellen sei. Untersucht wurden in 19 deutschen Städten in 6 Bundesländern die Feinstaubmesswerte der Kategorie PM 10.

Dass die Umstellung auf "Grün" bereits zu einer signifikanten Minderung von gesundheitsgefährdenden Ruß und der Anzahl ultrafeiner Partikel in der Luft führt, sagt hingegen das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (Tropos) in Leipzig. Das würden positive Beispiele wie Berlin oder Leipzig zeigen. Die Einführung der Umweltzone in Leipzig wurde vom Tropos mit Sondermessungen an fünf Messstationen begleitet, wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erklärt. Das Fazit: "Die Umweltzone in jetziger Form funktioniert und verbessert die Luftqualität in Städten erheblich", sagt Dr. Wolfram Birmili vom Tropos. Erste Analysen der Messdaten hätten deutlich die Reduzierung der ultrafeinen Partikel (PM 0,1), zu denen auch Ruß gehört, gezeigt.

Bei der PM10-Massenkonzentration konnte hingegen keine signifikante Abnahme registriert werden, geht aus dem Beitrag "Signifikante Minderung von Ruß und der Anzahl ultrafeiner Partikel in der Außenluft als Folge der Umweltzone in Leipzig" vom Tropos hervor. Die Analyse kommt zum Schluss, dass die Umweltzone für die Reduzierung der gesundheitlich als hochrelevant eingestuften Teilmengen des Aerosols (Ruß, ultrafeine Partikel) aber einen deutlichen Nutzen bringen kann. Selbst wenn dies bei der Betrachtung der gesetzlich geregelten PM10-Massenkonzentration nicht erkennbar sei.

Plakettenpflicht für Dieselmaschinen und -fahrzeuge

Doch auch diese positiven Beispiele könnten weiter optimiert werden, sagt der VCD. Bislang seien Baumaschinen, Binnenschiffe und dieselbetriebene Schienenfahrzeuge, die für weit mehr als ein Viertel der Luftverschmutzung in Städten verantwortlich sind, aus der Umweltzonenregelung ausgeschlossen. Ihr Betrieb unterliege keinerlei Einschränkungen. Aus Sicht des VCD brauche es hier eine dringende Veränderung. "Für Dieselmaschinen und -fahrzeuge bedarf es ebenso eine Plakettenpflicht und Nachrüstverpflichtungen", sagt Heiko Balsmeyer, Projektleiter des EU-Projektes Clean Air beim VCD.

Für gesunde Luft bleibt also noch viel zu tun. Und zwar in allen Sektoren: von der Holzheizung, über Autos und Lkw bis hin zum großen Kraftwerk.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2012 | OriginalPaper | Buchkapitel

Abgasemission

Quelle:
Dieselmotor-Management

01.03.2014 | Entwicklung

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