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08.05.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Elektro-Lastenräder ersetzen Autos

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

5 Min. Lesedauer

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Schneller, günstiger und praktischer: Lastenräder mit Elektromotor sind gerade in Städten eine Alternative zum Auto. Vor allem für Kurier- und Expressdienste. Warum das Lastenrad groß im Kommen ist.

Vor zwei Jahren waren die iBullits der Firma "Urban e" etwas Besonderes im Straßenverkehr. Damals starteten Forscher des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Projekt "Ich ersetze ein Auto". Das Projekt sollte im Rahmen der BMU-Klimaschutzinitiative den Einsatz von Elektro-Lastenrädern im Kurier- und Expressdienst testen. Nun sind die Ergebnisse auf der Tagung "iKEP 2014 - Innovationstag der KEP-Branche" in Berlin vorgestellt worden. Das Resümee lautet: Elektro-Lastenräder können im innerstädtischen Güterverkehr zu mehr Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit von Kurier- und Expressdiensten beitragen.

Seit Juli 2012 waren 40 iBullits in acht Städten zu Testzwecken unterwegs. Eine Kurierfahrt mit dem Lastenrad war durchschnittlich vier Kilometer lang. An einem typischen Einsatztag legen die Lastenrad-Kuriere, elektrisch unterstützt, 90 Kilometer zurück. "Monatlich kamen die Fahrzeuge bei bis zu 8000 Aufträgen kontinuierlich zum Einsatz", sagt Johannes Gruber, Projektleiter im DLR-Institut für Verkehrsforschung. Das entspreche über acht Prozent aller von diesen Unternehmen durchgeführten Sendungen. Waren Lastenrad-Aufträge früher noch eine Nische, verschicken mittlerweile die Kurierfirmen deutlich mehr Lastenrad-Aufträge. In Berlin verzeichnen sie ein Plus von 43 Prozent. Während es für einige Kunden weiterhin keine Rolle spielt, womit ihre Sendung transportiert wird, fordern andere mittlerweile aktiv das Lastenrad an.

Potenziale noch nicht ausgeschöpft

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Elektro-Lastenrädern sind keine längst Exoten mehr, sondern mausern sich zu einer Alternative im städtischen Güterverkehr. Zum Beispiel setzt die Deutsche Post seit dem Jahr 2000 Elektrofahrräder der Pedelec-Klasse ein. Derzeit sind rund 6000 von ihnen deutschlandweit im Einsatz. Und eine aktuelle Studie des EU-geförderten Cyclelogistics-Projektes verdeutlicht die Potenziale: 51 Prozent aller motorisierten Transporte in europäischen Städten könnten auf Lastenräder verlagert werden. Insbesondere für Transporte bis 250 Kilogramm sei das Lastenrad oft schneller, günstiger und praktischer als das Auto. Und seit Kurzem widmet sich auch eine eigene Website des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) dem Thema: Das Portal informiert umfassend über Lastenräder im Wirtschaftsverkehr.

Auch die Kurierfahrer selbst scheinen von den E-Lastenrädern überzeugt. Die DLR-Verkehrsforscher haben die 46 iBullitt-Fahrer, die eines der Projektfahrzeuge im Durchschnitt 13 Monate regelmäßig genutzt haben, und auch weitere 48 Fahrrad- und 77 Autokuriere nach ihrer Einstellung zum Elektro-Lastenrad befragt. Das Bild ist positiv: Neun von zehn Kurieren halten den Einsatz von Elektro-Lastenrädern in ihren Städten für sinnvoll. Zudem ist die Mehrheit der Befragten jeden Fahrzeugtyps (sowohl Auto-, Fahrrad- als auch Lastenradkuriere) der Meinung, dass sich Elektro-Lastenräder grundsätzlich im Kuriergeschäft durchsetzen werden. "Damit hat sich das bereits positive Bild bestätigt, das die gleichen Kuriere in einer ersten Befragung im Jahr 2012 noch vor der praktischen Einsatzphase der Lastenräder geäußert haben", erklärt Johannes Gruber.

Elektro-Lastenrad versus Fahrrad versus Auto

Was macht also die Stärke der Elektro-Lastenräder aus? Sie sind Lückenfüller. Was zunächst negativ klingt, ist aber ihr Plus. Denn: Der Vorteil der Elektro-Lastenräder ist der Transport größerer und schwerer Sendungen, die bisher nur mit dem Auto bewerkstelligt werden konnten. Diesbezüglich gaben 84 Prozent der befragten Lastenrad-Kuriere an, große und schwere Güter zu transportieren, um Autos zu ersetzen - die Elektro-Lastenräder ermöglichen eine Zuladung von über 100 Kilogramm. Und gegenüber dem Fahrrad bietet das Elektro-Lastenrad die Möglichkeit, Aufträge und mehrere kleinen Sendungen zu kombinieren. Dadurch kann der Anteil der sogenannten "Lastkilometer" (die vom Kunden bezahlte Auftragsdistanz) an der Gesamtfahrstrecke erhöht werden. In Kombination mit den niedrigen Betriebskosten bietet dies einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kurieren und damit höhere Verdienstmöglichkeiten. Auch wird das Fahrrad gegenüber dem Elektro-Lastenrad als umweltfreundlicher bewertet.

Insgesamt sind die Kuriere mit dem Elektro-Lastenrad also zufrieden - nachteilig sind allein die Anschaffungskosten von bis zu 5000 Euro. Jedoch sollen nach dem Projektende alle Projektfahrzeuge von den Kurierunternehmen und den einzelnen Kurieren übernommen und weitergenutzt werden. "Wir können uns unsere Logistik ohne die iBullitts nicht mehr vorstellen", bekräftigt Stefan Kerscher von der Rapid Kurierdienste in München seinen Entschluss, weiter auf die Elektro-Lastenräder zu setzen. In einigen der beteiligten Standorte ist eine Ausweitung der Lastenradflotte vorgesehen, einige Wettbewerber im Kuriergeschäft bieten neuerdings ebenfalls Lastenrad-Transporte an.

Allerdings stellen die Wissenschaftler auch fest: Da nur wenige Autokuriere motiviert waren, langfristig auf ein Elektro-Lastenrad umzusteigen, waren die iBullitt-Nutzer vorwiegend frühere klassische Fahrradkuriere mittleren Alters. Gerade am Anfang ihrer Nutzungszeit behielten sie häufig ihre gewohnte, kleinteilige Sendungsstruktur bei. Jeder fünfte Lastenrad-Kurier ist auch der Meinung, dass sein Auftraggeber über nicht ausreichend große oder schwere Sendungen verfügt. Mit der Zeit berichten aber viele Nutzer von Lerneffekten, die zu einer besseren Auslastung der Fahrzeuge führt. So stiegen die Auftragszahlen je Lastenradkurier kontinuierlich. Insgesamt gaben die Kuriere an, dass etwa die Hälfte der von ihnen bewegten Güter nicht mit einem herkömmlichen Fahrrad zu transportieren gewesen wäre.

Baustein für klimafreundlichen urbanen Güterverkehr

Die Frage ist also, wie die Elektro-Lastenräder adäquat eingesetzt werden können. Hierbei seien sowohl die Kuriere als auch die Unternehmen gefragt, erläutert Johannes Gruber. Wichtig sei auch, dass das Wissen über die Potenziale der Fahrzeuge nicht nur beim Fahrer, sondern auch in der Kurierzentrale, bei den Callcenter-Mitarbeitern oder Disponenten, vorhanden ist. Darüber hinaus sollten weitere Logistikkonzepte mit einbezogen werden - etwa die Kombination mit mobilen Depots oder Mikro-Konsolidierungspunkten. Damit könnten die individuellen Stärken unterschiedlicher Transportmittel ökonomisch und ökologisch sinnvoll eingesetzt werden. Auf die intelligente Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel kommt es also an. Elektro-Lastenräder könnten sich hierbei als stützendes Element in der Kurierlogistik etablieren.

Welche Möglichkeiten das Fahrrad und (Elektro-)Lastenrädern im Wirtschaftsverkehr künftig noch haben, wird bereits im nächsten Projekt untersucht. Das Vorhaben namens WIV-RAD will die Rolle des Fahrrads als umweltfreundliches Transportmittel und die gewerbliche Fahrradnutzung untersuchen. Die Ergebnisse dieses Projekts sollen voraussichtlich im November 2015 veröffentlicht werden.

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