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13.09.2024 | Fahrzeugtechnik | Gastbeitrag | Online-Artikel

Die Mär vom wartungsfreien E-Auto?

verfasst von: Oliver Taskin

4:30 Min. Lesedauer

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Lange galten E-Autos als äußerst wartungsarm – doch wie sieht die Realität aus? Oliver Taskin von Steel Seal Germany ordnet ein, wie zuverlässig und wartungsanfällig E-Autos im Vergleich zu Verbrennern sind. 

Emissionsfreies Fahren, vereinfachte Motorentechnik und geringe Wartungskosten: Das ist das süße Versprechen der E-Autos. Die perfekte Lösung für den Spagat zwischen Klimawandel und der Aufrechterhaltung des Individualverkehrs. Doch das scheint nicht die ganze Wahrheit zu sein. Der Ruf der E-Autos als weniger wartungsanfällig bröckelt zusehends: Aktuelle Studien und Erfahrungsberichte skizzieren diverse Schwierigkeiten. Dazu kommen noch die Herausforderungen im Umgang mit der verhältnismäßig neuen Technologie. Besonders fehleranfällig ist das Zusammenspiel zwischen Fahrzeug und den begleitenden Apps oder dem Infotainmentsystem. Es braucht eine natürliche Lernphase, die dazu führt, dass viele Besitzer in den ersten Monaten ihres E-Auto-Daseins häufiger als gedacht die Hilfe von Fachleuten in Anspruch nehmen müssen.

Auch das Fahrgefühl ist ein völlig anderes: Sowohl das Fehlen von Motorgeräuschen als auch das direkte Drehmoment sowie das regenerative Bremsen erweisen sich für viele Autofahrer selbstverständlich zu Beginn als noch ungewohnt. Auch beim Laden hakt es noch im nicht vorhandenen Getriebe – zu wenig Ladesäulen, unterschiedliche Anschlüsse, komplizierte Lade-Apps und vieles mehr. Hier haben die Anbieter und die Bundesrepublik im Allgemeinen noch viel Nachholbedarf.  

Komplizierte Werkstattbesuche

Eben zur Werkstatt um die Ecke und den Wagen schnell flottmachen lassen? Bei Elektroautos ist das nicht ganz so einfach. Denn nicht jede Werkstatt und jeder Mechaniker darf die modernen Fahrzeuge reparieren. Dafür braucht es Fachleute, die spezielle Schulungen in Hochvolttechnik vorweisen können. Der Aufwand für freie Werkstätten ist dabei beträchtlich. Bei Verbrennern können auch sachkundige Laien so manches Problem selbst lösen, was bei einem E-Auto schlicht nicht möglich ist. Hier ist alles so verbaut, dass nur eine fachkundige Person rankommt. Und das zu Recht: Ein Arbeiten bei solch einer Spannung ist gefährlich und erfordert spezielle Maßnahmen wie etwa Spezialwerkzeuge und Schutzmaterial.

Zudem sind die einzelnen Komponenten recht verschachtelt und nicht so einfach zu tauschen wie bei einem klassischen Verbrenner – allen voran die komplizierte Vernetzung von Hard- und Software. Um die Batterien zu temperieren, gibt es verschiedene Kühl- und Wärmekreisläufe, Pumpen, Wandler und äußerst viele Sensoren. Eingriffe an der Hochvolttechnik sind aber nicht nur gefährlich, sondern auch oft teuer. Denn gehen Teile kaputt, wird die Instandsetzung meist hochpreisig und dauert lange. Reparaturkosten von E-Autos fallen im Durchschnitt um etwa ein Drittel höher aus als bei konventionellen Fahrzeugen. Wenn dann sogar das Herzstück des E-Autos – die Batterie – erneuert werden muss, schießen die Kosten schnell in den fünfstelligen Bereich.  

Preiskampf und Qualität

Schon länger tobt der Kampf um den E-Auto-Markt, China drückt den Preis und europäische Anbieter müssen mitziehen. Das führt dazu, dass Hersteller versuchen zu sparen, wo es nur geht; das öffnet wiederum Tür und Tor für Qualitätsprobleme. Im TÜV-Report 2024 geht der Tesla Model 3 als einer der Schwächsten aus dem Rennen – er schließt mit den meisten Mängeln ab und ist dabei sogar schlechter als der Dacia Logan, der Dauerverlierer unter den getesteten Autos. Beim Tesla zeigten sich die Bremsen und die Achsenaufhängung auffällig: Die Bremsscheiben waren fast viermal öfter defekt als die im Schnitt aller getesteten Kandidaten. Zunächst ungewöhnlich, da bei einem E-Auto die Bremsen generell weniger zum Einsatz kommen – es genügt meist, einfach den Fuß vom Gas zu nehmen, und der Motor bremst in seiner Funktion als Generator. Genau da liegt aber auch die Krux: Durch die seltenere Nutzung setzen die Bremsen früher Rost an. 

Andere E-Auto-Hersteller haben diese Problematik teils schon gelöst, wie etwa Volkswagen: Ein spezieller Bremsbelag soll das Material schützen. Zudem kann das generell höhere Gewicht der Elektroautos Probleme bei Fahrwerk und Achsaufhängung hervorrufen. Auch die Reifen nutzen sich wohl schneller ab, da sie größeren Belastungen ausgesetzt sind. Wie sich die höhere Belastung auf Achsen und Reifen auf die allgemeine Lebensdauer auswirkt, ist bisher noch nicht abzusehen. Für die Zukunft hängt viel davon ab, wie sehr sich die Hersteller von der Konkurrenz unter Druck setzen lassen und dann eventuell an der Qualität sparen. 

Goodbye DIY?

All diese Herausforderungen werfen zumindest die Frage auf, ob der Ruf von Elektroautos als wartungsarme und zuverlässige Fahrzeuge tatsächlich gerechtfertigt ist. Hinzu kommt ein – vor allem für den deutschen Markt relevanter – weiterer Aspekt: der fehlende Do-it-yourself-Gedanke. Im "Schrauberland" Deutschland kennen es viele Autobesitzer gar nicht anders, als kleinere Reparaturen oder Wartungsarbeiten an ihren Fahrzeugen selbst durchzuführen. Ob beim Ölwechsel, Austauschen von Zündkerzen oder bei der Beseitigung von Leckagen im Kühlsystem. Mit speziellen Hilfsmitteln lassen sich teils schon komplexere Probleme an einem Verbrenner, wie etwa eine defekte Zylinderkopfdichtung, ohne Demontage einfach und kostengünstig selbst reparieren. Bei E-Autos fällt dieser Aspekt völlig weg und sorgt so bei vielen daher für mehr Kosten für die Unterhaltung der Fahrzeuge.

Wer sich für ein Elektroauto entscheidet, sollte sich der potenziellen Herausforderungen bewusst sein und darauf einstellen, dass die versprochene Leichtigkeit im Umgang mit der neuen Technologie nicht immer der Realität entspricht. E-Mobilität bringt zweifellos bereits Vorteile mit sich, doch die Vorstellung von wartungsfreier Fortbewegung scheint zum jetzigen Zeitpunkt noch in weiter Ferne.

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