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20.08.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Lücken des Elektromobilitätsgesetzes

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

6:30 Min. Lesedauer

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Ein Gesetzesentwurf soll die Elektromobilität fördern. Doch der Entwurf ist umstritten. Ein Nutzen für die Umwelt sei nicht gegeben, kritisieren viele Verbände. Stimmen zum geplanten Elektromobilitätsgesetz.

Der Entwurf eines Elektromobilitätsgesetzes (EMoG), den das Bundesverkehrsministerium in Zusammenarbeit mit dem Bundeumweltministerium vorgestellt hat, soll die Grundlage für eine Förderung von Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr schaffen. Das Gesetzgebungsverfahren soll aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Voraussichtlich im Herbst wird der Bundestag darüber entscheiden. Im Februar soll das EmoG in Kraft treten.

Mit dem Elektromobilitätsgesetz sollen erstmals Elektro- und Hybridfahrzeuge im Straßenverkehr privilegiert werden. Durch Bevorzugungen beim Parken, bei Parkgebühren, bei der Benutzung der Busspuren und durch Ausnahmen von Zufahrtsbeschränkungen sowie Durchfahrtverboten. Der Entwurf sieht auch unter anderem ein angehängtes "E" im polizeilichen Kennzeichnen für Elektroautos vor. Von den Privilegien sollen rein batterieelektrische Fahrzeuge, Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge und Fahrzeuge mit Brennstoffzelle profitieren. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung ihrem selbstgesteckten Ziel näher kommen und bis 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen bringen.

Der Teufel steckt im Detail

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Zwar bewerten viele Verbände in ihren Stellungnahmen die Bemühungen der Bundesregierung für einen klimafreundlichen Straßenverkehr grundsätzlich positiv. Die Anreize seien generell zu begrüßen, doch insgesamt nicht ausreichend. Der Teufel steckt im Detail. Auch seien die Maßnahmen viel zu spät gekommen, wie Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM), erklärt. Sie hätten als ordnungsrechtlicher Rahmen bereits zu Beginn der Markthochlaufphase schon vor einigen Jahren verabschiedet werden müssen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält den Gesetzesentwurf für unausgereift und fordert Nachbesserungen. "Dem Gesetz fehlt die umweltpolitische Ausrichtung. Die von Dobrindt geplante Privilegierung bestimmter Fahrzeuggruppen leistet keinen Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme", sagte der BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg anlässlich der am Montag ablaufenden Frist für Stellungnahmen von Verbänden und Institutionen zum Gesetz. "Eine Bevorzugung von Elektroautos muss den Verkehr vor allem in den Städten verringern helfen und zur Minderung der CO2-Emissionen beitragen. Wenn das nicht der Fall ist, bringen Privilegien mehr Nach- als Vorteile", erläutert Hilgenberg.

Busspuren für E-Autos in der Kritik

Würden beispielsweise wie vorgesehen Busspuren für Hybrid- und Elektrofahrzeuge freigegeben, behinderten diese Busse und gefährdeten Radfahrer, sagte Hilgenberg. Insbesondere dieses Privileg der Busspurnutzung ist bei einigen Städten auf Ablehnung gestoßen. Die Freigabe von Busspuren sei keine geeignete Maßnahme für eine nachhaltige und ressourcenschonende Mobilität, erklärte Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Busspuren müssten weiterhin Bussen, Taxen und Krankentransporten vorbehalten bleiben, um für diese einen schnelleren Verkehrsfluss zu ermöglichen. "Weitere Fahrzeuge auf diesen Spuren zuzulassen, würde den Öffentlichen Nahverkehr verlangsamen und damit viele Menschen betreffen", sagt Articus. „Ein viel effektiverer Ansatz wäre die sukzessive Einführung elektrischer Busse”, erklärt Christian Heep, Vizepräsident des BEM.

Auch schwere Plug-in-Hybride werden privilegiert

"Dobrindt will auch große und schwere Hybridautos auf Busspuren fahren lassen. Das bevorteilt bis zu drei Tonnen schwere Hybride gegenüber sparsamen Benzinern, die normale Fahrspuren benutzen müssen. Im Gesetzesentwurf fehlt jede Vorgabe zum Höchstgewicht der Autos und es fehlen Kriterien für die Antriebsenergien Strom und Wasserstoff", kritisiert der BUND-Verkehrsexperte Hilgenberg weiter.

Ein Hinweis auf die Verwendung erneuerbare Energien fehlt im Entwurf. Doch das wäre wichtig. Denn: Elektroautos sind nicht automatisch grüner als effiziente Benziner oder Diesel und verdienen somit nicht in jedem Fall Privilegien, gibt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) zu bedenken. Es komme maßgeblich darauf an, wie ein E-Auto betankt wird. Nur ein ausschließlich mit erneuerbaren Energien aufgeladenes Elektroauto erzeuge kein CO2 und auch grüner Strom könne nur einmal genutzt werden. Mit dem Ausbau der E-Auto-Flotte müssten gleichzeitig die Kapazitäten für die grüne Stromproduktion und die Stromnetze ausgebaut werden. Und selbst wenn ein Elektroauto stets mit grünem Strom lädt, brauche es 20.000 bis 30.000 Kilometer Fahrleistung bis die Klimagasemissionen für die Batterieproduktion ausgeglichen sind.

Dass auch schwere Plug-in-Hybride privilegiert werden sollen, kritisierte auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). "Mit einer rein elektrischen Reichweite von 50 km könnten die meisten Nutzer ihre Mobilitätsbedürfnisse abdecken und auf den Verbrennungsmotor verzichten. Das Gesetz soll nun aber schon für Fahrzeuge mit nur 30 km Reichweite gelten. In den Genuss der Privilegien kommen damit auch Fahrer großer Autos, die den Elektroantrieb nur beim Anfahren und weniger wegen der Emissionsfreiheit als vielmehr wegen des verstärkten Drehmoments verwenden", sagt Thomic Ruschmeyer, BEE-Vorstandsmitglied und Sprecher der AG Mobilität der Erneuerbaren-Verbände.

"Staatsprogramm zum Erwerb von Elektro- und Hybridautos"

Dobrindts Gesetz sei vor allem ein Staatsprogramm zum Erwerb von Elektro- und Hybridautos, sagt der BUND-Verkehrsexperte Hilgenberg. Den Autoherstellern gehe es primär darum, die künftig geltenden CO2-Grenzwerte zu erreichen. "Jedes zusätzlich verkaufte Hybrid-, Wasserstoff- oder reine Elektrofahrzeug ermöglicht den Herstellern deutscher Nobelkarossen, auch in Zukunft viel zu viele und viel zu schwere übermotorisierte Fahrzeuge zu produzieren", erklärt der BUND-Experte weiter.

Dringend erforderlich wären stattdessen strengere Verbrauchsvorgaben für sämtliche Neufahrzeuge, stärkere Anreize zum Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder sowie deutschlandweit einheitliche Regeln zur Einrichtung von Carsharing-Parkplätzen, erklärt die Umwelt- und Naturschutzorganisation.

Auch der BEE macht drauf aufmerksam, dass der Entwurf stark auf den Automobilbereich beschränkt sei. Regelungen für elektrische Zweiräder und Leichtkraftfahrzeuge wie S-Pedelecs und Elektro-Roller bis 45 km/h würden noch fehlen. Zudem fehle die Förderung multimodaler Verkehrsketten, kritisiert auch Kurt Sigl.

Kfz-Gewerbe fordert Plakette für E-Fahrzeuge

Zudem hat sich der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) bezüglich des Gesetzesentwurfs zu Wort gemeldet. Elektrisch betriebene Fahrzeuge sollten mittels einer Plakette gekennzeichnet werden, fordert der ZDK. Statt eines Sonderkennzeichens ließe sich mit der Plakettenlösung zusätzlicher bürokratischer Aufwand vermeiden, so ein ZDK-Sprecher. Außerdem sei nur so eine einheitliche Lösung möglich, da im Ausland zugelassene E-Fahrzeuge laut Gesetzesentwurf durch eine Plakette gekennzeichnet werden sollen. Nicht zuletzt sei die notwendige Infrastruktur für die Plakettenvergabe in Deutschland bereits vorhanden. "Wie bei Umweltplaketten sollte diese Vergabe über die Zulassungsbehörden, die Überwachungsorganisationen und die berechtigten Kfz-Betriebe erfolgen", schlägt der Sprecher vor. Eine Beschränkung der Ausgabe auf die Zulassungsbehörden lehne der ZDK hingegen ab.

Über die Regelungen des Gesetzesentwurfs hinausgehende Anreize zur weiteren Verbreitung von E-Fahrzeugen würde nach Überzeugung des ZDK die Möglichkeit der Sonderabschreibung bei gewerblich genutzten Fahrzeugen in Höhe von 50 Prozent der Anschaffungskosten im ersten Jahr der Nutzung schaffen. Unabdingbar sei ferner die Schaffung einer Ladeinfrastruktur, die für alle Elektrofahrzeuge genutzt werden könne, so der Sprecher. Deshalb dürfe es keine einseitige Ausrichtung der Schnellladeinfrastruktur auf die europäische CCS-Norm (Combined Charging Standard) geben, da ein hoher Anteil von Elektrofahrzeugen nur über eine so genannte CHAdeMO-Schnittstelle (CHArge de MOve) verfüge und an solchen Stationen folglich nicht geladen werden könnte. Das Beispiel anderer Länder zeige, dass Multicharger-Ladestationen, die beiden Standards gerecht werden, ohne ins Gewicht fallende Mehrkosten errichtet werden könnten, so der Sprecher. Auch der BEE fordert den Aufbau einer flächendeckenden und diskriminierungsfreien Schnellladeinfrastruktur, und zwar mit Grünstrom.

Kritik an der Vorgehensweise der Politik

Kritik ist aber nicht nur an den Inhalten des Gesetzesentwurfs geübt worden. BEM-Präsident Sigl kritisierte auch die Vorgehensweise bei der Entstehung: “Es ist nicht nachvollziehbar, warum die involvierten Branchenverbände nicht bereits im Vorfeld im Rahmen konstruktiver Arbeitsgruppen in die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs mit einbezogen worden sind”, betont Sigl und gibt zu verstehen, dass seitens der Ministerien wohl kein inhaltliches Feedback erwünscht war: “Den Branchenverbänden wurde zwar die Möglichkeit einer offiziellen Stellungnahme eingeräumt, der zeitliche Rahmen war mit zwei Wochen innerhalb der Urlaubszeit jedoch deutlich zu knapp bemessen. Es wird Zeit, dass die Wachstumsbranche rund um das Thema neue Mobilität mehr Gehör erhält. Nur so lässt sich das Ziel der Bundesregierung bis 2020 noch realisieren.”

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