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15.10.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

ICCT: Dieselfahrzeuge stoßen zu viel Stickoxid aus

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

5 Min. Lesedauer

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Die Abweichungen zwischen offiziellen Verbrauchsangaben und Realverbrauch sind auf durchschnittlich 38 Prozent gestiegen. Doch nicht nur bei CO2 - und damit dem Kraftstoffverbrauch - gibt es eine Diskrepanz, sondern auch bei den Stickoxid-Werten, wie der ICCT jetzt bekannt gab.

Zwischen dem realen Kraftstoffverbrauch der Autos in Europa und den offiziellen Angaben der Hersteller klafft eine immer größere Lücke. Nach der kürzlich veröffentlichten Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) ist sie mittlerweile auf 38 Prozent im Jahr 2013 angewachsen. 2001 waren es noch acht Prozent. Die CO2-Emissionen im Alltagsbetrieb neuer Pkw lagen um etwa ein Drittel höher als die unter Laborbedingungen ermittelten offiziellen Werte.

Die Daten des ICCT zeigen, dass sich die Diskrepanz zwischen Herstellerangaben und Realverbrauch insbesondere seit der Einführung der CO2-Grenzwertgesetzgebung der EU 2007 und der CO2-bezogenen Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland 2009 deutlich erhöht hat, sagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Seit Einführung der CO2-Grenzwerte für Neuwagen sind deren Verbrauchswerte auf dem Papier jährlich um vier Prozent gesunken. Nur die Hälfte dieser Minderung komme laut ICCT auf der Straße an. Um die Klimaschutzziele der EU und Deutschlands erreichen zu können, müssten die Verbrauchsangaben realistisch sein.

Fehlende Kontrolle in Deutschland

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Nach Ansicht der DUH sind diese Abweichungen im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass sich die Zulassungsbehörden insbesondere in Deutschland auf die Herstellerangaben blind verlassen und - anders als beispielsweise in den USA - auf jegliche Überprüfung seitens der Behörden verzichten.

Ohne eine solche Feldüberwachung werde auch das in der EU ab 2017 vorgesehene neue Messverfahren für die Zulassung von Fahrzeugen, das Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure (WLTP), die hohen Abweichungen kaum verringern könnten. In den USA führen bereits Abweichungen von weniger als 5 Prozent zu Strafzahlungen und Korrekturen der Herstellerangaben, berichtet die DUH. In Deutschland dagegen folge selbst auf eine Abweichung von 50 Prozent keine Überprüfung, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

"Flexibilitäten werden ausgenutzt"

Die ICCT betont hingegen, dass sie mit ihrer Studie nicht einzelne Fahrzeughersteller anprangern möchte. Der NEFZ-Fahrzyklus sei ursprünglich nicht dafür entwickelt worden, Kraftstoffverbrauch oder CO2-Emissionen zu ermitteln, sondern zum Messen von Luftschadstoffen. Er enthalte Flexibilitäten, die genutzt werden könnten, um im Test einen unrealistisch niedrigen Kraftstoffverbrauch zu erzielen. Es scheine, als ob Fahrzeughersteller - im Rahmen der legalen Möglichkeiten - diese Flexibilitäten in zunehmendem Maße ausnutzen, so der ICCT.

Vielmehr soll der neue weltweit harmonisierte Fahrzyklus (WLTP) für die Zukunft realistischere Werte versprechen. Ein wichtiger Punkt bei der Einführung des neuen Testverfahrens sei die Umrechnung bestehender CO2-Flottenziele und CO-basierter Steuern vom bisherigen NEFZ in den neuen WLTP, wie auch Andreas Burkert in seinem Report "WLTP heizt die CO2-Debatte an" aus der ATZ 7-8-2014 erläutert. Doch der neue Fahrzyklus wird auch nicht alle bestehenden Probleme lösen können. Daher betont der ICCT, dass es wichtig sei, den WLTP-Labortest durch zusätzliche Maßnahmen zu ergänzen. So beispielsweise das Testen und Regulieren der Effizienz von Klimaanlagen im Fahrzeug. Diese werden weder im NEFZ noch im WLTP berücksichtigt. Ferner sollten auch Fahrzeugtests auf der Straße unter realen Fahrbedingungen erfolgen, sagt der ICCT.

Der erste offizielle Entwurf der im Rahmen der neuen europäischen Verbrauchsprozedur WLTP entwickelten neuen Fahrzyklen (WLTC) wird im Kapitel "Verbrauch in Fahrzyklen und im Realverkehr" aus dem Buch Energiemanagement im Kraftfahrzeug detailliert beschrieben und bewertet.

Steuermindereinnahmen durch Kraftstoffmehrverbrauch

Die enormen Mehrverbräuche sind auch ein Problem für die Kfz-Steuereinnahmen: "Die Steuermindereinnahmen durch den Kraftstoffmehrverbrauch von Pkw zwischen Einführung der CO2-bezogenen Kfz-Steuer 2009 und dem Ende des Jahres 2013 betragen 860 Millionen Euro", sagt Urs Maier, Projektmanager Verkehr und Luftreinhaltung. Dieser Rechnung zugrunde gelegt seien die vom ICCT ausgewerteten Daten von www.spritmonitor.de sowie die Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes.

Für einen durchschnittlichen Kunden betragen die Mehrkosten für Sprit etwa 450 Euro pro Jahr, verglichen mit einer Situation, in der Test- und Realverbrauch eins zu eins übereinstimmen würden, gibt der ICCT an.

ICCT: Dieselfahrzeuge stoßen zu viel Stickoxid aus

Doch es gibt nicht nur eine Diskrepanz bei CO2-Emissionen, sondern auch bei Stickoxiden (NOX). Bei modernen Diesel-Pkw weichen die offiziellen Zertifizierungs- beziehungsweise Typprüfwerten für NOX und die entsprechenden realen Emissionswerten im Alltagsbetrieb deutlich voneinander ab, erklärt der ICCT. Die Belastung aus Dieselabgasen für Mensch und Umwelt sind nach Angaben der ICCT-Studie wesentlich stärker als bislang angenommen. Der Grund: Im Durchschnitt lagen die realen NOX-Emissionen der getesteten Fahrzeuge in etwa sieben Mal so hoch wie das gesetzliche Limit laut Euro 6 Norm. Umgerechnet auf die Neufahrzeugflotte entspreche dies einem durchschnittlichen NOX -Wert von 560 mg/km - verglichen mit dem gesetzlichen Limit von 80 mg/km.

Der überwiegende Teil der beobachteten Überschreitungen konnte weder “extremen” noch “untypischen” Fahrsituationen zugeordnet werden, erläutert das ICCT. Stattdessen habe man stark erhöhte NOX-Emissionen bei Motorlasten, wie sie auch im Alltagsbetrieb vorkommen - zum Beispiel leichte Steigung -, oder auch bei der normalen Regeneration der Abgasnachbereinigungssysteme beobachtet.

Zudem würden große Unterschiede zwischen dem Emissionsverhalten der getesteten Fahrzeuge darauf hinweisen, dass die Technologien für saubere Diesel-Pkw bereits heute existieren.

Straßentests mit Hilfe von PEMS-Messgeräten

Nach Angaben der ICCT bereitet die Real Driving Emissions (RDE) Arbeitsgruppe der Europäischen Kommissionen derzeit die Einführung von Straßentests mit Hilfe von PEMS-Messgeräten vor. Diese PEMS-Tests sollen nach Meinung der ICCT verpflichtender Teil der Zulassungsprüfung für neue Pkw in der EU werden. Die Ergebnisse der neuen ICCT-Studie bekräftigten, dass ein solcher Ansatz zur Verbesserung der Typprüfung neuer Pkw dringend notwendig sei.

Bereits im Jahr 2011 zeigte eine britische Studie, dass sich die realen NOX-Emissionen von Diesel-Pkw mit Übergang von der Euro 3-Norm auf die Euro 4- und schließlich Euro 5-Norm nur minimal reduzierten.

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