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06.03.2015 | Fahrzeugtechnik | Interview | Online-Artikel

"Das Paket 'Hybrid' muss wirtschaftlich dargestellt werden"

verfasst von: Wolfgang Siebenpfeiffer

6 Min. Lesedauer

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Zwei Herausforderungen werden die Automobilentwicklung der kommenden Jahre entscheidend prägen: die steigenden Anforderungen an niedrige CO2-Werte sowie die neuen Fahrerassistenzsysteme auf dem Weg zum teilautomatisierten und automatisierten Fahren. Neben den OEMs sind hier auch die Zulieferer entscheidend gefordert. ATZ / MTZ sprach in Genf mit Karl-Friedrich Stracke, President Fahrzeugtechnik & Engineering bei Magna Steyr über die Sicht eines der großen globalen Zulieferer auf diese Themen.

Sie geben für das Konzeptfahrzeug Mila Plus einen sehr niedrigen CO2-Wert von 32 g/km an. Wie kommt dieser Wert zustande? Im NEFZ oder im WLTP?

Stracke: Der Wert ist im NEFZ über ein Rechenmodell gerechnet und wir sind ziemlich sicher, dass wir das auch so homologieren können. Dabei ist sowohl der reine Batteriebetrieb mit rund 75 Kilometer Reichweite beim Mila Plus, als auch der Betreib mit Verbrennungsmotor berücksichtigt. Wir können entweder über die Vorderachse oder im Allradmodus rein elektrisch und in Verbindung mit dem Verbrennungsmotor zur Erreichung größerer Reichweiten fahren.

Mit der Einführung des WLTC-Testzyklus und der RDE-Gesetzgebung kommen auf die Pkw-Hersteller Zusatzbelastungen und Aufwendungen für die Markteinführung neuer Motor-, Fahrzeug- und Abgasnachbehandlungskonzepte zu. Wie teuer werden Fahrzeuge zukünftig? Was können denn die Zulieferer zu Technik- und Kostenreduzierung beitragen?

Unser Anspruch ist, den Automobilherstellern technische Vorschläge machen, wie die CO2-Ziele optimaler erreicht werden können. Wir haben dazu auf der R&D-Schiene eine ganze Menge neuer Technologien bereitgestellt und versuchen diese mit den OEMs frühzeitig zu besprechen und damit in den neuen Architekturentwicklungen Berücksichtigung zu finden. Konkret heißt das: Research & Development muss weiter forciert werden, um damit den Automobilhersteller dabei zu unterstützen, die aggressiven CO2-Ziele in der Zukunft - 95 Gramm bis 2020 und dann bis 2025 eventuell 75 Gramm - kosteneffizient zu erreichen. Mit technischen Maßnahmen ist das sicherlich möglich, indem man verstärkt eine Elektrifizierung des Antriebsstrangs vorantreibt, aber das geht natürlich mit immensen Kosten einher. Ergo brauchen wir verbesserte ICS, verbesserte Verbrennungsabläufe, somit alle technologischen Features, die man darstellen kann, gepaart mit niedrigen Batteriekosten, damit das Paket Hybrid wirtschaftlich dargestellt werden kann. Das ist das, was die Automobilhersteller von den Zulieferern erwarten.

Sind die verschiedenen Betriebsmodi (reinelektrisch fahren, elektrisch unterstützt mit Verbrenner fahren, reiner Verbrennungsmotorantrieb) Ihrer Ansicht nach im WLTP ausreichend berücksichtigt?

Man kann das mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Der Vorteil beim WLTP ist, dass er die Realität besser abbildet. Deshalb sage ich, die teilweise hohen Abweichungen des NEFZ gegenüber der Realität, was derzeit auch von vielen Verbraucher- und Umweltorganisationen bemängelt wird, werden im WLTP nicht mehr passieren, da er wesentlich dichter an den tatsächlichen Verbräuchen dran ist. Aus Kundensicht ist das somit gut. Sind die Betriebsmodi ausreichend berücksichtigt? Ich denke, ja, weil dieser Fahrzyklus dem Kundennutzen eher entspricht. Es ist natürlich eine Herausforderung für die Hersteller und Zulieferer, keine Frage.

Vor vielen Jahren wurde in Österreich ein Netzwerk mit sogenannten Kompetenzzentren unter der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) organisiert. Unter anderem sollten weniger Bürokratie sowie kürzere Entscheidungswege in Industrie und Politik für agilere Umsetzung von F&E-Projekten sorgen. Wie bewerten Sie heute die Arbeit der FFG im Vergleich zu den vergleichbaren Rahmenbedingungen in Deutschland?

Ich kenne beide Rahmenbedingungen sehr gut. In meiner neuen Verantwortlichkeit für die Magna Steyr in Graz kann ich sagen, wir verfügen einerseits mit dem ACstyria eine Automobilorganisation, die uns extrem gut in Österreich unterstützt. Zweitens haben wir mit der Universität Graz ein von Magna gesponsertes Forschungsinstitut gegründet. In diesem Institut versuchen wir einen guten Technologietransfer zu realisieren, das heißt wir vergeben dort Technologieprojekte und lassen diese entwickeln, um sie zeitnah in die Serie einzubringen. Dieser Transfer mit der Universität Graz klappt sehr gut. Auf der anderen Seite haben wir auch weitergehende Forschungsprojekte mit der Universität Wien oder beispielsweise der Universität Leoben, mit denen wir auch sehr eng und erfolgreich zusammenarbeiten. Deswegen meine ich, Forschungsprojekte in Österreich werden besser unterstützt, auch finanziell beim R&D, als in Deutschland. Und die Nähe der Universitäten zur Industrie und zur Wirtschaft ist sehr eng. Hier existiert eine große Bereitschaft, gemeinsam technologisch weiterzukommen und den technologischen Vorsprung für Österreich zu sichern. Ich glaube, dass hier sogar ein Vorteil gegenüber der deutschen Förderungsstruktur besteht.

Durch Materialsubstitution an der richtigen Stelle lässt sich Gewicht einsparen, doch ist CFK für die Serie zu teuer. Auf der Werkstoffseite ist Aluminium längst etabliert. Welches sind neben der Funktionsintegration aktuell die nächsten Schritte für den Leichtbau?

Meines Erachtens ist das Thema Multimaterialmix und die intelligente Vernetzung der richtigen Materialien an der richtigen Stelle die zukunftsweisende Leichtbautechnologie. Ganz einfach, weil wir entsprechend den lokalen Anforderungen an das Automobil mit dem richtigen Material an der richtigen Stelle arbeiten müssen. Wenn ich zum Beispiel die Seitencrash-Anforderungen in der B-Säule betrachte, dann wird sich das bis auf weiteres nicht mit CFK darstellen lassen. Ja, wir werden Hybridwerkstoffe sehen, nämlich CFK mit Stahl kombiniert. Im Moment sind hier die hochfesten Stähle noch dominant. Zukünftig wird sich das wahrscheinlich durch intelligente Hybridbauweisen ablösen lassen. Bis auf weiteres glaube ich sehr wohl, dass wir einen intelligenten Mix sehen aus Magnesiumgussteilen an den wichtigen Knoten, um die Struktur zu generieren, gepaart mit Stahl und auch mit Aluminium, wo wir es brauchen. Das kann man dann, wie es in Kürze einige Wettbewerber zeigen werden, mit CFK kombinieren. Dies erfordert aber eine völlig neue Verbindungstechnologie. Diese erarbeiten wir gerade mit Unterstützung der OEMs. Wir sind aber hier in der Vorreiterrolle indem wir sagen, wir wollen das kalte Fügeverfahren für den Rohbau einführen. Das bedeutet kleben und nieten als primäre Verbindungselemente und das Schweißen möglichst langfristig vermeiden. Das ist im Moment unser Anspruch und unsere ganzen Bestrebungen gehen dahin, in R&D-Projekten Klebstoffe und weitergehende Nietverfahren zu entwickeln, um diese unterschiedlichen Werkstoffe miteinander zu verknüpfen.

Wird durch das automatisierte Fahren die passive Sicherheit verzichtbar, und bringt das wieder Einsparpotenziale beim Gewicht? Wie sieht der Übergangszeitraum aus?

Im Übergangszeitraum werden wir sicherlich die passive Sicherheit mit der aktiven Sicherheit vernetzt sehen. Wir werden nicht sofort das Gewicht aus den Fahrzeugen herausbekommen, um zugunsten der aktiven Sicherheit die passive zu reduzieren. Das wird nicht passieren! Das ist auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Seite nicht darstellbar. Daher sehe ich in der Übergangszeit folgendes Szenario: die passiven Maßnahmen müssen als Grundvoraussetzung in der Struktur des Fahrzeugs vorhanden sein. Dazu kommt die die aktive Sicherheit zunächst einmal im semi-autonomen Fahren realisiert. Ich meine nicht das automatische Parken, bei dem ich voraussetze, dass es kommt. Aber wenn wir mal teilautonomes Fahren auf der Autobahn nehmen, werden sicher 10 bis 15 Jahre vergehen bis sich das zu einem autonomen Prozess entwickelt hat. Bis dahin sehe ich beides als absolut notwendig an. Man kann jetzt noch nicht die passiven Sicherheitsmaßnahmen reduzieren zugunsten der aktiven Sicherheit. Beides wird kohärent existieren.

Herr Stracke, wir danken für das Gespräch.

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