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30.05.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der Baum und das Axiom konstanter Spannung

verfasst von: Andreas Burkert

3 Min. Lesedauer

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Die Bionik ist eine faszinierende Variante eines Innovationsprozesses. Während einige Entwickler Fische beobachten, schaut ein Professor vom KIT auf Bäume. Daraus hat er ein Werkzeug entwickelt, um potenzielle Bruchstellen zu entschärfen - ohne ein Computerprogramm bemühen zu müssen.

Forscher, die auf Bäume starren. Professor Claus Mattheck hat lange genug auf Bäume geschaut. Aus seinen Beobachtungen heraus hat er dann ein einfaches "Denkwerkzeug" entwickelt. "Mit der Methode der Zugdreiecke, einer rein graphischen Methode zum Abbau von Kerbspannungen, können potenzielle Bruchstellen entschärft werden", erklärt Mattheck seine Entdeckung. Das Ergebnis ist eine Universalform der Natur. Mattheck ist Professor am Institut für Angewandte Materialien des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), Abteilung Biomechanik, und hat als Koautor soeben die Enzyklopädie des Visual Tree Assessment "Die Körpersprache der Bäume" herausgebracht.

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Inzwischen optimieren viele Industrieunternehmen ihre Bauteile mit Matthecks Denkwerkzeugen. Es gibt sogar dazu bereits mit der "VDI 6224" eine Richtlinie zur "Bionischen Optimierung - Anwendung biologischer Wachstumsgesetze zur strukturmechanischen Optimierung technischer Bauteile". Zahlreiche Entwicklungen wie der Klettverschluss oder der Lotuseffekt bestätigen den Erfolg dieser Wissenschaft. So bedienen sich verstärkt auch die Automobilentwickler der Bionik. Sie nutzen die Forschungserkenntnisse unter anderem für neuartige Gestaltungsprinzipien im Leichtbau.

Automobiltechnik profitiert stark von der Bionik

Aus gutem Grund, wie Springer-Autor Professor Bernd Klein in seinem Buch Leichtbau-Konstruktion erklärt. Seiner Ansicht nach ist nachweisbar, "dass biologische Bauweisen stets mit möglichst geringster Energie hergestellt werden, stets massearm und langlebig sind. Dies ist auch insofern notwendig, da der Materialaufwand jeweils mit der Stoffwechselleistung produziert wird, für die erforderliche Beweglichkeit eine günstige Massenverteilung und abgestimmte Steifigkeiten anzustreben sind". So wurde bis heute bei vielen technischen Lösungen die Natur mit Erfolg kopiert - etwa bei Stützkonstruktionen, Schaumstoffe, Sandwich- oder Faserverbundbauweisen, die erst neuartige Strukturkonzepte ermöglicht haben.

Klein gibt sich zuversichtlich, dass die Bionik noch für weitere Fortschritte in der Automobiltechnik sorgen wird. Immerhin stellt die Natur mit 1,5 Millionen Tier- und 0,5 Millionen Pflanzenarten ein unendliches Reservoir für technisch-funktionale Lösungen mit hohem Leistungsvermögen dar. So verfügt beispielsweise der Chitinpanzer des Käfers auf Grund seiner Sandwichstruktur über eine enorme Druckfestigkeit; der Weizenhalm zeigt als rohrförmige Verbundkonstruktion eine extreme Knickfestigkeit, und selbst große Schädelstrukturen von Säugetieren (Büffel, Elefant) sind durch Pneumatisierung (Schaumstoff) ungeahnt leicht.

Bionik erfordert Mut

Um das Erfolgsmodell Natur auf technische Applikationen zu übertragen genügt es allerdings nicht, der Interdisziplinarität durch die entsprechende Zusammensetzung eines Projektteams aus Biologen und Technikern zu entsprechen. Interdisziplinarität muss "im eigenen Kopf anfangen", meint Jürgen Bertling. Er glaubt, dass dabei vor allem der unverkrampfte Zugang zur Biologie eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreich betriebene Bionik ist. "Bionik, das ist technische Entwicklung auf Basis der an einem biologischen Vorbild durch umfassende und detaillierte Analysen gewonnenen Erkenntnisse. Diesem Anspruch kann man nur mit einem inter- und transdisziplinären Ansatz gerecht werden", schreibt er im Kapitel "Bionik als Innovationsstrategie" aus dem Buch Innovationen durch Wissenstransfer. Wohlwissend, dass man die Interdisziplinarität in dieser Form nur selten antreffen wird.

Bertling kritisiert, das die reale Welt der Wissenschaft gekennzeichnet ist durch Ausdifferenzierung und Spezialisierung. "Dies spiegelt sich vor allem in einer spezifischen Fachsprache und in sozialen Strukturen in Form von Fachgremien, Publikationsorganen und vor allem der wissenschaftlichen Selbstkontrolle im Rahmen des Gutachterwesens wider", schreibt er. Ein interdisziplinärer Ansatz, wie die Bionik ihn darstellt, ist aber nur selten an den jeweiligen disziplinären Mainstream anschlussfähig. Bionik erfordert daher nicht zuletzt auch einen gewissen Mut des einzelnen Akteurs, sich mit eigenen Ideen und Erkenntnissen zwischen die wissenschaftlichen Communities zu platzieren.

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