Hybridantriebe, Remanufacturing und kundenorientierte Fahrzeugentwicklung: Auf dem Aachener Kolloquium wurden wieder nachhaltige Mobilitätslösungen diskutiert.
Bereits zum 33. Mal hat vom 7. bis 9. Oktober das Aachener Colloquium Sustainable Mobility stattgefunden. Nach der Ausstellungseröffnung durch Prof. Eckstein vom Institut für Kraftfahrzeuge und Prof. Pischinger vom Lehrstuhl für Thermodynamik mobiler Energiewandlungssysteme der RWTH Aachen University mit anschließender Postersession am Montag startete der Kongresstag mit den einleitenden Worten von Prof. Rüdiger, Rektor der RWTH Aachen University, der auf die Relevanz der weltweiten Vernetzung verwies. Die darauf folgenden Keynotes haben wir für Sie zusammengefasst.
Klimaneutrale Luftfahrt
Als erste Sprecherin eröffnete Dr. Sabine Klauke, CTO von Airbus, die Keynote-Session mit ihrem Vortrag "From Tarmac to Troposphere: High-tech for Future Flight". Als Vertreterin der Luftfahrtindustrie hob sie die gemeinsamen Herausforderungen in der gesamten Mobilität hervor, wobei die Defossilisierung und der Klimawandel im Fokus stehen, aber auch die Digitalisierung und der disruptive Wandel in der Entwicklung durch Deep Tech. Besonders im Kontext der erwarteten Verdopplung des Luftverkehrs bis 2050 wird klar, wie groß die Herausforderung einer Klimaneutralität der Luftfahrt im gleichen Zeitraum sein wird. Eine Technologie wird laut Klauke nicht ausreichen. Auch wenn die Effizienz von Flugzeugturbinen enorm gesteigert wurden, stehen weitere Effizienzsteigerungen, Leichtbau und neue Technologien nach wie vor weit oben im Lastenheft.
Zudem ist Sustainable Aviation Fuel (SAF) mit einem CO2-Reduktionspotenzial von 80 % eine wichtige Säule. Bisher können zumindest theoretisch 50 % des Flugkraftstoffs aus SAF bestehen, eine Freigabe für 100 % SAF steht noch aus. Tatsächlich sind aber die Produktionskapazitäten derzeit bei weitem zu gering. Die vollständige Elektrifizierung ist im Flugbetrieb kaum denkbar, eher wird über eine Mikrohybridisierung nachgedacht. Um das Ziel von Netto-Null zu erreichen, denkt man daher über die Wasserstoffverbrennung und Brennstoffzellen im Flugbetrieb nach. Erste Flugzeuge sollen Mitte der 2030er Jahre auf den Markt kommen und mit Flüssigwasserstoff betrieben werden. In Bezug auf die Digitalisierung ist vor allem der Verkehr am Boden auf Flughäfen ein großes Problem, weshalb Airbus hier eine Automatisierung anstrebt und Flugzeuge am Boden autonom fahren sollen. Auch die Quantentechnologie steht im Entwicklungsfokus, sei es durch die Möglichkeiten der Navigation auch ohne GPS und die Routenoptimierung, die letzten Endes wieder zur Emissionsreduzierung führt und die Sicherheit erhöht.
Remanufacturing implementieren
Die zweite Keynote hielt Dr. Holger Klein, CEO der ZF Group. Sein Vortrag "Driving Sustainability Innovation at ZF" zeigte die Sicht eines Zulieferers auf die Herausforderungen in Bezug auf nachhaltigen Transport. Die europäischen Ziele sind sehr ambitioniert und erfordern daher den Einsatz aller Technologieoptionen. Klein erachtet dabei etwa den Plug-in-Hybridantrieb als kaum relevant, was er am chinesischen Markt festmacht, wo BEV und Vollhybride den größten Anteil haben. Die große Chance liege daher in der Elektrifizierung des gesamten Portfolios, vom Kleinstfahrzeug bis hin zum Schwerlast-Lkw. Dadurch seien schnell Skaleneffekte zu erreichen.
Das Remanufacturing, also die Wiederverwendung von Produkten aus dem eigenen Angebot, ist für Klein enorm wichtig, da so bis zu 80 % der Produktionsemissionen vermieden werden könnten. Dafür müsse die Möglichkeit der Weiterverwendung allerdings bereits in die Entwicklung implementiert werden. Um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten, müssen für Klein drei Grundvoraussetzungen erfüllt werden. Zuerst müsse man den Wandel begrüßen und leben, dann werden die Rahmenbedingungen benötigt, um Investitionssicherheit zu erhalten und zu guter Letzt müsse es weltweite Kooperationen geben, die alle Sektoren und Weltregionen einschließt.
Kundenorientierte Entwicklung
Shunichi Inamijima zeigte in seinem Beitrag "Nissans strategic challenge towards carbon neutrality" den Weg des Herstellers zur Klimaneutralität bis 2050 auf. Dabei soll der gesamte Produktkreislauf betrachtet werden. Um die Verkaufszahlen von BEVs zu stärken, müssen vor allem Fahrzeuge produziert werden, die der Kunde auch zu kaufen bereit ist.
Daher richtet Nissan seine Produkte präzise auf die Zielmärkte aus und entwickelt neben den rein batterieelektrischen Fahrzeugen auch die eigene Hybridtechnologie e-Power weiter, um so Kunden den Einstieg ins elektrische Fahren zu erleichtern. Man habe erkannt, dass die größten Herausforderungen in der Ablehnung von BEVs aufgrund von Kundenbedenken seien, bei denen die Sorgen rund um die Batterie und die Reichweite dominierten. Daher müssten BEVs schlicht besser werden als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Möglichkeiten sind hier neue Batterietechnologien bis hin zur Feststoffbatterie, aber auch Sicherheits-, NVH- und Komfortverbesserungen. Neben der Optimierung der Produktionsstandorte sind Batterieüberwachung und das Batterierecycling elementare Säulen der Firmenstrategie.
Zukunft für Hybridantriebe
Zum Abschluss der Session sprach Ruiping Wang von Aurobay über "Powering a hybrid future". Aurobay ist als Teil von Horse Powertrain nun aktiv in insgesamt neun Ländern mit verschiedenen Entwicklungs-, Forschungs- und Produktionsstandorten. Während der chinesische Markt mittlerweile zu 45 % elektrifiziert ist, sind es weltweit lediglich 28 % (EU 30, US 21), womit sich ein gigantisches Wachstumspotenzial abzeichnet. Zudem steigt laut Wang die Nachfrage nach PHEVs in China besonders bei kleineren Fahrzeugen, in größeren Fahrzeugen wie SUVs sind REEVs (Range Extender Electric Vehicles) am stärksten nachgefragt. Das Portfolio von Aurobay umfasst letzten Endes daher jede Form der Elektrifizierung von Verbrennungsmotoren über verschiedene Hybridisierungsoptionen bis hin zu voll elektrischen Antrieben und Fahrzeugplattformen.
Über die vergangenen Jahre wurde die Effizienz der Verbrennungsmotoren deutlich gesteigert. In der kommenden Generation sollen bis 50 % Gesamteffizienz erreicht werden. Zukünftig sind auch der Einsatz von Methanol und Wasserstoff in den eigenen Verbrennungsmotoren geplant, wobei die Methanolverbrennung aktuell im Entwicklungsfokus steht. Klar scheint, dass der Hybridantrieb weltweit in Zukunft große Relevanz behalten wird. Wang spricht sich daher dafür aus, alle Technologieoptionen gemeinsam zu nutzen, um das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Als unabhängiger Antriebsentwickler kann Aurobay hier Kosten und Entwicklungsaufwände für OEMs verringern.
Über das Aachener Kolloquium
Das Aachener Kolloquium ist mit knapp 880 Teilnehmenden und rund 100 Vorträgen an zwei Vortragstagen eine der größten und renommiertesten Konferenzen im Antriebsbereich. In der 33. Auflage präsentieren sich im Rahmen des Kongresses rund 30 Firmen und Hochschulen. In diesem Jahr bestand zudem die Möglichkeit zu Testfahrten mit Produkten mehrerer Hersteller.