Skip to main content

21.05.2019 | Kleinwagen | Fahrbericht + Test | Online-Artikel

Fiat 500c Spiaggina und Abarth 595 Competizione: Die Schöne und das Biest

verfasst von: Sven Eisenkrämer, Patrick Schäfer, Marc Ziegler

7 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zweimal Cinquecento und doch vollkommen unterschiedlich: Wir haben den Fiat 500c Spiaggina '58 und den Abarth 595 Competizione getestet. Es sind Zeitmaschinen unter verschiedenen Vorzeichen.

Ein wunderschönes, azurblaues Cabrio mit elfenbein-beigen Einlagen trifft seinen Bruder, das aggressiv-rotes Monstrum mit viel Leistung bei geringem Gewicht. Springer Professional, ATZ und MTZ haben sich zu einem Vergleich zweier völlig unterschiedlichen Versionen einer Automobilikone hinreißen lassen. Wir stellen vor: Die Schöne und das Biest.

Der Fiat 500c in der Edition Spiaggina '58

Die Italiener haben mit dem Sondermodell Spiaggina '58 einen Cinquecento im Retro-Look im Angebot. In Anlehnung an das Jahr 1958 ist die Spiaggina auf 1.958 Stück limitiert. Sie nimmt sich den Fiat 500 Jolly zum Vorbild, ein offenes Strandauto aus den 50er Jahren. Der aktuelle 500c in der hellblauen Strand-Edition ist mit historischen Details ausgestattet und soll laut Fiat an eine Zeitmaschine erinnern. Historische Logos, Felgen im klassischen Design oder ein zweifarbiger Innenraum überdecken charmant die Tatsache, dass die aktuelle Generation des Fiat 500 selbst schon seit 2007 (und seit 2009 auch als Cabrio) über unsere Straßen rollt.

Motor + Antriebstechnik

Der 1.2-l-Vier­zylinder-Ottomotor mobilisiert 51 kW (69 PS). Mit offenem Dach flaniert es sich gemächlich dahin, mehr als fünf handgeschaltete Gänge werden nicht benötigt. Die Schöne entschleunigt und bietet sich vor allem für Ausfahrten nach Feierabend und am Wochenende an. Auf Schnellstraßen und Autobahnen wirkt der zusammen mit Pininfarina entworfene Spiaggina jedoch untermotorisiert. Dann wird aus Dolce Vita auch mal Frust, wenn man mit maximal 102 Newtonmetern Drehmoment hinter einem Lkw auf der rechten Seite klebt. Maximal sind 163 km/h drin, für die Beschleunigung auf 100 km/h werden lange 12,9 Sekunden benötigt – da ist das Faltdach schneller geöffnet, als die Landstraßengeschwindigkeit erreicht ist. Das feine, kleine Cabriolet ist primär für den urbanen Bereich oder für die (kurze) Fahrt zum Strand geeignet. Dafür wurde die Spiaggina ja auch – schon damals – gebaut.

Fahrwerk + Sicherheit

Die Spiaggina ist im Vergleich zu ihrem bösen Bruder selbstredend kein Rennwagen. Doch auch ihr kommen der kurze Radstand und der niedrige Schwerpunkt zugute. Das Fahrwerk ist im Mittel zwischen straff und komfortabel abgestimmt und gibt dem Fahrer realistische Rückmeldung zu Fahrbahn und Fahrverhalten. Den großen Fahrspaß durch Dynamik kann man bei diesem 500c nicht erwarten. Eine City-Funktion verstärkt die Servolenkung auf Knopfdruck und vereinfacht beim Manövrieren in engen Gassen die sowieso schon sehr leichtgängige Lenkung.

Reichweite + Verbrauch

Fiat gibt den Verbrauch mit 5,3 Liter im kombinierten Testzyklus an. Während unseres Tests lagen wir im Schnitt bei 6,8 Liter Verbrauch, was dem stetigen Hochdrehen auf kurvigen und bergigen Landstraßen wegen des fehlenden Zugs geschuldet ist, um vom Fleck zu kommen. Für die Kleine mit nur knapp über einer Tonne Gewicht ist das nicht sonderlich sparsam. Eine Schaltanzeige hilft beim Spritsparen, wenn man es möchte. Bei 35 Litern Tankinhalt reicht das Super-Benzin für etwa 500 Kilometer.

Bedienung + Konnektivität

In Relation gesehen fährt man mit dem Spiaggina wie damals in den 50er Jahren. Denn die 51 Kilowatt (69 PS) des heutigen Sondermodells führen zu einem beschwingt-gelassenen Fahrstil hinter dem großen Lenkrad. Zeitgemäß, aber unpassend zum Retro-Ansinnen wirken die digitalen Anzeigen im Kombiinstrument sowie des 7-Zoll-HD-Displays auf der Mittelkonsole. Integrierte Tomtom-Navigation, Apple Carplay, Android Auto und digitales Radio DAB gehören zur Serienausstattung. Über den FCA-Dienst U-Connect lässt sich das Smartphone noch stärker mit dem Fahrzeug verbinden. Früher gab es nicht mal ein Radio. 

Abarth 595 Competizione

In eine andere Dimension katapultiert wird man im bösen Bruder der Spiaggina, dem Abarth 595 Competizione. Nicht, dass dieses 500-Derivat moderner wirken würde. Aber Raum und Zeit spielen in diesem ungehobelten Kraftzwerg verrückt. Die einfache Verarbeitung und die günstigen Materialien (vom teuren Sichtcarbon oder den Sabelt-Sitzen abgesehen) passen zur Rennwagen-Atmosphäre mit brachialem Vorwärtsdrang, extremer Geräuschkulisse und brettharter Federung. Auch er geht auf historische Vorbilder zurück. "Carlo Abarth hätte seine Freude an diesem Sportgerät gehabt", heißt es bei Abarth. Denn der Abarth ist eine ganz andere Art von Zeitmaschine.

Motor + Antriebstechnik

Der 1,4-l-Ottomotor entfacht mit einem Garret-GT-1446-Turbolader eine Spitzenleistung von 132 Kilowatt (180 PS) bei 5.500 Umdrehungen pro Minute, das maximale Drehmoment von 250 Newtonmetern liegt bei 3.000 Umdrehungen an. Die vierflutige Record Monza Sportauspuffanlage röhrt und röchelt, während der Abarth in weniger als sieben Sekunden die 100-km/h-Marke knackt. Die erreichte Geschwindigkeit im Kleinstwagen wirkt teilweise furchteinflössend und erinnert an den Ritt des Baron Münchhausen auf der Kanonenkugel – erst bei 225 ist Schluss. Etwas Extra-Schub, Extra-Dezibel und Extra-Spaß bekommt der Abarth beim Druck auf den "Sport"-Knopf in der Mittelkonsole. 

Fahrwerk + Sicherheit

Dieses Biest fühlt sich nur auf einer Art von Wegstrecke zu Hause: Auf Landstraßen mit möglichst vielen Kurven. Die Fahrwerkabstimmung des tiefergelegten Koni-Sportfahrwerks mit FSD-System (Frequency Selectice Damping) im 595 Competizione erinnert ohne Übertreibung an Rennfahrzeuge für die Nordschleife. Hart gibt das Fahrwerk jede Unebenheit an den Fahrer weiter und macht das kleine Geschoss dadurch aber auch in Grenzbereichen berechen- und kontrollierbar. Der Radstand von 2,30 Meter, die Dualdrive-Servolenkung mit Sportfunktion und das im Performance-Paket angebotene mechanische Sperrdifferential Abarth D.A.M., das aus dem 695 Biposto abgeleitet wurde, tun ihr Übriges, damit ein Untersteuern des Hochleistungs-Gokarts lange verhindert wird. ESP, ASR, MSR und hydraulischer Bremsassistent mit Berganfahrhilfe sind Serie, aber moderne Assistenzsysteme fehlen. Von Geschwindigkeitsregelanlage, Spurhalteassistent oder Ähnlichem keine Spur. Nur Licht- und Regensensor, Parksensoren hinten sowie automatisch abblendbarer Innenspiegel sind optional bestellbar.

Reichweite + Verbrauch

Bei gleichgroßem Tank wie bei der Schwester (35 Liter) kommt der 595 keine 500 Kilometer weit. Doch der aufgeladene 1.4er unter der Haube ist auch kein Spritschlucker, wie man vielleicht erwarten könnte. Wir haben den Abarth im Schnitt mit 9,8 Litern Verbrauch auf 100 Kilometern gefahren, haben dabei aber nicht auf Sparsamkeit geachtet, sondern das Biest meist im Sportmodus bewegt. 

Bedienung + Konnektivität

Der Abarth kommt im Kern mit der gleichen Infotainmentlösung daher wie jeder andere 500 auch und profitiert damit von der Tomtom-Navigation und der fürs Kleinwagensegment durchaus gelungenen Smartphone-Anbindung des FCA-Konzerns.

Kosten + Nutzen

Die Spiaggina schlägt mit knapp 22.000 Euro Listenpreis zu Buche, ist allerdings wegen ihrer limitierten Auflage nicht mehr direkt bestellbar. Der beim 500 sowieso schon sehr kleine Kofferraum wird durch das Faltdach nochmals kleiner und ist eher als Notstauraum geeignet. Zwar hat man wegen der Träger links und rechts über den Köpfen kein echtes Cabriolet zur Verfügung, doch das offene Verdeck bietet zumindest ein luftiges Cabriofeeling. Ansonsten steht der Nutzen beim 500c im Hintergrund, das Aussehen zählt. Die Cinquecenti haben eine Rückbank, die aber kaum für ernsthaften Transport von ausgewachsenen Menschen geeignet ist. Beim Abarth wird der sowieso schon enge Durchstieg zur Rückbank durch die Sabelt-Sportschalensitze nicht eben großzügiger. 

Auf Kostenseite holen die Italiener beim 595 den ganz großen Hammer hervor. Unser Testwagen schlug mit 31.770 Euro eine ganz erhebliche Kerbe ins Wochenend-Spaßauto-Budget. So richtig alltagstauglich ist der Competizione schließlich nicht und taugt damit eher zum teuren Drittfahrzeug. 

Kritik + Fazit

Beide 500er haben, von der emotionalen Seite einmal abgesehen, einen eher begrenzten Nutzen. Der Spiaggina '58 sieht man vieles durchaus nach, was beim Abarth wirklich stört. So bestehen die Türverkleidungen und das gesamte Cockpit aus schnödem Hartplastik. Darüber können auch die aufgeklebten Carbonfurniere nicht hinwegtäuschen. Für knapp 32.000 Euro erwartet man schlicht etwas mehr Liebe zum Detail – wie sie die Italiener beim Design an den Tag gelegt haben. Dass eine Höhenverstellung für den Fahrersitz optional ist, ist frech. Kann man darüber hinwegsehen, ist der Abarth aber ein lustiges und ebenso schnelles Wägelein, das trotz seines prolligen Auftritts ausschließlich positiv wahrgenommen wird. Und: Vergleichbares in dieser Größe mit dieser Leistung und diesem Spaßfaktor findet man kein zweites Mal auf dem Markt. 

Wie die Spiaggina '58 ist auch der 595 Competitzione vor allem eins: Ein Liebhaber-Auto. Mehr braucht es aber auch nicht für den Erfolg der Schönen und dem Biest. 


Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

18.04.2019 | Kleinwagen | Fahrbericht + Test | Online-Artikel

Swift ja, Hybrid nein: Der Suzuki-Kleinwagen im Test

    Premium Partner