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25.09.2012 | Fahrzeugtechnik | Interview | Online-Artikel

"Leichtbau und Effizienz spielen eine große Rolle"

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

5:30 Min. Lesedauer

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Die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs wird nicht nur in der Großserie immer wichtiger, sondern auch im Rennsport. Der elektrifizierte Antriebsstrang findet sich zunehmend auch im Motorsport wieder. Das kann Synergieeffekte stärken. Springer für Professionals sprach mit Michael Trzesniowski, Autor des Buches Rennwagentechnik und Dozent an der FH Joanneum in Graz am Studiengang Fahrzeugtechnik - Automotive Engineering, über Nachhaltigkeit im Rennsport.

Springer für Professionals_In Zeiten der Debatten um CO2-Emissionen und Klimaschutz schärft sich der Blick der Öffentlichkeit für nachhaltige Mobilität. Können Sportwagen und Rennsport-Aktivitäten heute überhaupt noch als Aushängeschilder für Unternehmen gelten?

Trzesniowski_Ich glaube sogar, mehr als man denkt. Gerade im Rennsport ist Effizienz ein wichtiges Thema. Je kleiner der Tank sein kann, desto leichter wird das Rennfahrzeug und desto weniger Tankstopps sind nötig. Man hat durchaus einen Wettbewerbsvorteil, wenn man auf den Verbrauch schaut und dieser bildet sich dann 1:1 in den CO2-Emissionen ab. Effizienz heißt ja auch Reibungs- und Verschleißreduktion. Das sind Themen, die gerade im Rennsport sehr wichtig sind. Der Rennsport hat den Vorteil, dass er die Entwicklung rasch vorantreiben kann im Gegensatz zur Serie. Man kann hier einiges ausprobieren und der Rennsport ist eine technische Spielwiese für die Ingenieure. Große Hersteller tun gut daran, einen kleinen Rennstall zu betreiben, um Querverbindungen herzustellen.

Dann nehmen Sie auch bei Sport- und Rennfahrzeugen einen Wandel hin zu mehr Effizienz wahr?

Effizienz wird immer stärker thematisiert. Es gibt genügend Formelklassen, die grün werden wollen. Die Formel 1 wird jetzt andere Motoren bekommen und andere Reifen, sogenannte Green Tyres, die länger halten sollen. Dann macht man sich Gedanken über nachwachsende Faserwerkstoffe für die Fahrzeuge. Entscheidend ist das Marketing. Wenn man grüne Technik, die auch im Rennsport erfolgreich war, richtig bewirbt, dann kommt diese auch beim Endverbraucher gut an. Der Kunde braucht zu lange, um die grüne Technik selbst zu entdecken. Das muss man im wahrsten Sinn des Wortes auf die Fahrzeuge drauf schreiben.

Drei wesentliche Erweiterungen hat die dritte Auflage Ihres Buches erfahren. Allesamt aus dem Bereich des Antriebs. Sie gehen nun näher auf Abgasturboaufladung, Hybrid- und Elektroantriebe ein. Kann der Rennsport Wegbereiter für die Hybridtechnik sein?

Gerade der Motorsport. Der Hybrid ist die typische Übergangslösung zwischen dem einen Extrem, dem reinen Verbrennungsmotor und dem anderen Extrem, dem reinen Elektroantrieb. Audi hat mit dem R18 E-tron Quattro und dem Schwungradspeicher eine schöne Lösung in Le Mans gezeigt, wie man sie auch später in der Serie nutzen könnte. Das Unternehmen hat demonstriert, dass die Hybridlösung wirklich vorteilhaft war, denn sie haben neben dem Hybridfahrzeug gleichzeitig ein Fahrzeug mit reinem Verbrennungsmotor ins Rennen geschickt. Gewonnen hat aber der Hybrid. Der Kunde und die Öffentlichkeit können also sehen: Das macht Sinn, nicht nur aus sportlicher, sondern auch aus ökologischer Sicht.

Dann befruchten sich Serien- und Rennsportentwicklung vor allem im Bereich des Antriebs?

Ja. Das hängt aber auch von der Formelklasse ab: Je mehr der Fokus auf der Langstrecke liegt, desto eher ist die Technik relevant für die Serie. Sprintwettbewerbe sind hingegen nicht so seriennah. Doch auch im Bereich der Werkstoffe und Verfahren, wie zum Beispiel bei der Zylinderkopfherstellung und -bearbeitung, gibt es Synergieeffekte. Ebenso bei der Verwendung von Kunststoff, hier insbesondere beim Einsatz von CFK. Leichtbau und Effizienz sind also die Themen, die eine große Rolle spielen. Und die Lösungen aus diesen Bereichen fließen dann auch in die Serie ein.

Welche Rolle spielt der Systemgedanke in der Motorsportentwicklung? Bisher gab es im Prinzip zwei separate Lager: eines für den Antrieb und eines für das Fahrwerk. Kann man die Elektrifizierung als Bindeglied zwischen beiden ansehen?

Die Elektrifizierung könnte ein Bindeglied sein. Dass es zwei Lager gibt, hängt ja damit zusammen, dass die meisten Hersteller den Motor nicht selbst entwickeln, weil er zu kompliziert ist. Daher kauft der Chassis-Hersteller den Motor dazu. Schon haben wir zwei Lager. Im Endeffekt muss aber ein Systemdenken vorhanden sein, sonst funktioniert die Fahrzeugentwicklung nicht gut. Gerade bei der Elektrifizierung muss man Vieles neu überdenken, wie den Antriebsstrang, das Fahrwerk, die Energiespeicherung, die Software und das Batteriemanagement etc. Man muss das Auto quasi neu erfinden, damit man nicht den gleichen Fehler wie früher macht: Früher nahm man eine Kutsche, spannte die Pferde aus und baute einen Verbrennungsmotor ein. Jetzt macht man es so: Man baut den Verbrennungsmotor aus und den Elektromotor ein. Doch geschickter wäre es, auch mal an alternative Lösungen zu denken: Den Motor ganz anders einzusetzen, zum Beispiel als Radnabenmotor. Bei Elektrofahrzeugen brauche ich auch keinen Tank, der aussieht wie ein Behälter.

Sie sind Gründer des Formula-Student-Racingteams an der FH Joanneum in Graz. Was macht die Faszination der Formula Student aus?

Es fasziniert mich, dass das Reglement so weit gesteckt ist. Es gibt unterschiedlichste Lösungen für die gleiche Aufgabenstellung. Gerade weil die Studenten unbedarft sind, liefern sie tolle Lösungen, von denen sich manch ein Formel-1-Konstrukteur noch einiges abschauen kann. Mit einer einfachen Lehrveranstaltung würde man nie in vergleichbarer Art und Weise die Energie und die Motivation der Studenten wecken. Die Studenten, die bei der Formula Student mitmachen, haben selbst den Antrieb etwas zu leisten, sie machen freiwillig Kurse und Seminare, die außerhalb der Universität angeboten werden, und arbeiten am Wochenende. Das ist nachhaltige Lehre. Dazu kommt, dass die Teams durch Sponsoren unterstützt werden, die die Mittel für die Entwicklung eines Fahrzeugs bereitstellen. Alleine mit den Mitteln der Hochschule würden wir uns maximal vier Reifen kaufen können.

Welche Herausforderungen kommen auf die Rennwagentechnik in den kommenden Jahren noch zu?

Da der Umweltgedanke so stark in den Vordergrund rückt, wird sich der Rennsport der Frage nach seiner Berechtigung stellen müssen. Der Motorsport muss sich von dem Image lösen, dass die Fahrzeuge nur laut sind, viel Kraftstoff verbrennen und zur Gaudi durch die Gegend fahren. Wenn es dem Rennsport gelingt zu zeigen, dass die Rennwagen effizient in der Entwicklung und im Betrieb sind, dass der Rennsport im Gegensatz zur Serie auf unkonventionelle Weise rasch entwickeln kann, dann kann er sich seine Berechtigung auch zukünftig sichern.

Herr Trzesniowski, herzlichen Dank für das Gespräch.

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