Bei dem entwickelten Prototyp handelt es sich um Glasmodule mit der Dicke einer normalen Fensterscheibe. Diese wurden mit dünnen Kanälen versehen, durch die eine farblose Speicherflüssigkeit auf Wasserbasis fließt. Die nur wenige Millimeter tiefen und breiten Kanäle verlaufen parallel und sind bei Anpassung der optischen Eigenschaften der Flüssigkeit im Glas kaum sichtbar. So kann eine Scheibe im Prinzip eine oder mehrere beliebige Scheiben einer herkömmlichen Doppel- oder Dreifachverglasung ersetzen. Dafür sind dann allerdings zusätzliche Flüssigkeitskanäle und Anschlüsse in der Rahmenkonstruktion notwendig.
Die Flüssigkeit dient dabei zunächst als Puffer- und Speichermedium für Wärme, kann darüber hinaus aber auch weitere Funktionen wie zum Beispiel einen Farbwechsel oder einen solarthermischen Wärmeaustausch übernehmen.
Entwickelt wurde der Prototyp von Materialwissenschaftlern im Rahmen eines an der Friedrich-Schiller-Universität Jena koordinierten Forschungsvorhabens. In ihm arbeiten Universitäten und Industrieunternehmen zusammen. Die Lösung wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Advanced Science" vorgestellt.
Wärmeregulierung funktioniert
"Die Module lassen sich einerseits als Fensterverglasung einsetzen, wofür eine möglichst geringe Sichtbarkeit der Kanalstrukturen entscheidend ist. Andererseits können sie direkt in Gebäudefassaden integriert werden", erklärt Prof. Dr. Lothar Wondraczek vom Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Universität Jena.
Im Rahmen des Projekts zeigten die Forscher außerdem, dass das Prinzip der Wärmeregulierung funktioniert: Wärmebildaufnahmen und weitere Untersuchungen an ersten Glasmodulen belegen, dass – durch den kontinuierlichen Flüssigkeitsfluss durch die Kapillaren – je nach Anwendungsziel Wärme sowohl aufgenommen als auch abgegeben werden kann. Temperaturschwankungen könnten innerhalb weniger Minuten ausgeglichen werden, heißt es – wobei die Glasmodule und Fenster als großflächige Kühler, Heizer oder Luftwärmetauscher zum Beispiel für den Betrieb einer Wärmepumpe verwendet werden könnten.
Anpassungsfähige Fassadenkonstruktionen
Im Kapitel "Fassaden aus Glas" des Springer-Fachbuchs "Frick/Knöll Baukonstruktionslehre 1" heißt es demnach auch: "Neuere Entwicklungen experimentieren darüber hinaus mit 'polyvalenten', aktiv auf sich verändernde Umgebungsbedingungen reagierenden Eigenschaften von Glas und können möglicherweise die Anwendungsbereiche für anpassungsfähige Fassadenkonstruktionen erweitern." Ziel der neuartigen Ansätze sind hierbei laut den Autoren, flexibel reagierende, aktiv und passiv steuerbare, membranartige Hüllen zwischen Innen- und Außenklima im Gegensatz zu herkömmlichen statisch konzipierten Trennschichten von innen nach außen.
Nach den Laborversuchen testet das Konsortium rund um die Jenaer Wissenschaftler das System nun über ein Jahr in Modellgebäuden – in Skandinavien, Südeuropa, Jena und Weimar.