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2017 | Buch

Festschrift für Franz-Josef Dahm

Glück auf! Medizinrecht gestalten

herausgegeben von: Christian Katzenmeier, Rudolf Ratzel

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Die Festschrift ehrt das medizinrechtliche Lebenswerk von Franz-Josef Dahm. Die Bandbreite der Themen spiegelt die Vielschichtigkeit dieses Rechtsgebiets wieder: Vertragsarzt- und Berufsrecht, Patientenrechte, Haftungsrecht, Gesellschaftsrecht, Disziplinar- und Strafrecht, das Recht der Selbstverwaltung sowie Krankenhausrecht. Die Festschrift ist eine Fundgrube für all diejenigen, die sich ein Bild von aktuellen medizinrechtlichen Fragestellungen verschaffen wollen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Rechtliche Rahmenbedingungen im Praktischen Jahr des Medizinstudiums

Über die medizinischen und juristischen Fachgrenzen hinaus hat in jüngerer Zeit eine Entscheidung des LG Bielefeld für mediales Aufsehen und Verunsicherung unter angehenden Medizinern gesorgt. Das Gericht hatte einen Medizinstudenten im Praktischen Jahr (sog. PJ’ler) wegen fahrlässiger Tötung eines Säuglings verurteilt. Der Student hatte dem an Krebs erkrankten Säugling ein zur oralen Vergabe vorgesehenes Antibiotikum aufgrund einer falsch verstandenen Anweisung versehentlich venös appliziert, woraufhin der Säugling infolge eines anaphylaktischen Schocks verstorben war. Insbesondere in juristischen Fachkreisen Beachtung gefunden hat dagegen eine Entscheidung des OLG Karlsruhe, in der das Gericht die Übertragung der Selbstbestimmungsaufklärung des Patienten auf PJ’ler für zulässig erachtet. Die Entscheidungen geben Anlass, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Ausbildung im Praktischen Jahr des Medizinstudiums einer näheren Betrachtung zu unterziehen.

Claudia Achterfeld
Die Arztstelle und Sonderbedarfsarztstelle in der vertragsärztlichen Versorgung im Lichte der Bedarfsplanung

Angestellte Ärzte eines Vertragsarztes und die in einem MVZ angestellten Ärzte werden entsprechend ihrer Arbeitszeit im Rahmen der Bedarfsplanung auf den Versorgungsgrad angerechnet (§ 21 Abs. 3 S. 1 Bedarfsplanungs‐Richtlinie). Diese Regelung ist wenig überraschend, da angestellte Ärzte neben Vertragsärzten an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mitwirken. Bedarfsplanerisch kann dann zwischen dem Umfang der Anrechnung und der bedarfsplanerischen bzw. räumlichen Verortung der Arztstelle („Sitz“ der Arztstelle) unterschieden werden. Während sich zum Anrechnungsumfang für die Tätigkeit von angestellten Ärzten klare Regelungen in der Bedarfsplanungs‐Richtlinie finden, sucht man solche für die bedarfsplanerische Verortung vergeblich, so dass sich insbesondere beim Auseinanderfallen der Tätigkeitsorte des dem die Arztstelle zugeordneten Vertragsarztes und des bei ihm angestellten Arztes bisher ungeklärte Fragen ergeben. Bisher ungeklärte Fragen ergeben sich auch bei Arztstellen, die auf einem festgestellten Sonderbedarf begründet sind. Insbesondere stellen sich die Fragen, mit welchen Anrechnungsfaktoren angestellte Ärzte im Sonderbedarf tätig werden können und ob eine Nachbesetzung bei einer Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf erfolgen kann. Mit diesen Fragen beschäftigen sich die nachfolgenden Ausführungen.

Stefan Bäune
Wahlärztliche Behandlung und Einwilligung ad personam

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Einwilligung des Patienten auf einen bestimmten Arzt limitiert ist, wurde früher nur stiefmütterlich behandelt. Und dies, obwohl die Antwort von großer haftungsrechtlicher Tragweite ist, denn bei einer wirksamen Einwilligung ad personam ist die Einwilligung des Patienten auf einen bestimmten Arzt beschränkt. Wird der Eingriff dennoch von einem anderen Arzt vorgenommen, so trägt die Behandlungsseite die Verantwortung für den nachteiligen Ausgang dieses sogenannten eigenmächtigen Heileingriffs selbst dann, wenn die Behandlung – wie es jetzt in § 630a Abs. 2 BGB normiert ist – nach den „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ erfolgt ist. Diese Verantwortung hat eine strafrechtliche und eine arzthaftungsrechtliche Seite. Im Arzthaftungsprozess ist zudem der von der Behandlungsseite erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, dass der Eingriff durch den „richtigen“ Arzt, dem der Patient zuvor durch die limitierte Einwilligung sein Vertrauen geschenkt hatte, zu derselben Gesundheitsbeschädigung geführt hätte, nicht erheblich. Denn dies würde dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses beim ärztlichen Eingriff widersprechen, mit dem auch das Vertrauen des Patienten in die ärztliche Zuverlässigkeit und Integrität geschützt wird, wenn er seine absolut geschützten Rechtsgüter im Verlaufe der ärztlichen Behandlung zur Disposition stellt.

Albrecht W. Bender
Das Grundrecht auf Gesundheit – Ausblick auf einen latenten Standard

In diesem Beitrag wird dargelegt, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu „Hartz IV“ und dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ein eigenständiges Grundrecht auf Gesundheit ergibt, welches direkt aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG erwächst. Das Grundrecht ist Teil des „Sammelgrundrechts“ auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Grundrecht auf Gesundheit ist ein normgeprägtes Leistungsgrundrecht, das heißt, es unterliegt grundsätzlich in Tatbestand und Rechtsfolge dem Ausgestaltungsvorbehalt des Gesetzgebers. Jedoch existiert ein außer‐ bzw. vorrechtlicher Grundrechtsgehalt, der auch ohne gesetzgeberisches Zutun im Sinne einer Minimalleistungsgarantie Geltung beansprucht. Diese Garantie definiert einen latenten Standard, der insbesondere in folgenden drei Punkten zum Ausdruck kommt:1. Amtshaftungsansprüche der durch das Versorgungsraster nach § 5 SGB V, § 48 SGB XII, § 193 Abs. 3 und 5 VVG i.V. m. § 152 VAG (Basistarife der privaten Krankenversicherungen) oder § 4 AsylbLG fallenden Personen;2.Mindeststandard in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V und der angelehnten § 48 SGB XII und § 193 Abs. 3 und 5 VVG i.V. m. § 152 VAG (Basistarife der privaten Krankenversicherungen), der unter anderem eine Alterspriorisierung ausschließt;3.Teilentzug der Legitimität des Wirkens des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 91 SGB V.

Matthias Bernzen
Angemessene Vergütung oder Zuweiserentgelt? – Eine berufsrechtliche Spurensuche

Zu wenigen Fragen ist vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen und auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes so viel geschrieben worden wie zur Angemessenheit der Vergütung. Dass gerade die Angemessenheit der Vergütung zum Thema geworden ist, verwundert auf den ersten Blick nicht. Ist doch die Angemessenheit der Vergütung in jeder Hinsicht ein Reizthema im deutschen Gesundheitswesen und gibt immer wieder Anlass zu nicht zuletzt weltanschaulichen Erwägungen. Auf den zweiten Blick erstaunen diese Aktivitäten, weil die Frage keineswegs neu ist. Sie begegnet in einem anderen rechtlichen Gewand, nämlich dem des Strafrechts, das ändert aber nichts daran, dass es sich um eine altbekannte berufsrechtliche Problematik handelt. Allerdings scheint dieser berufsrechtliche Bezugspunkt bei den derzeitigen Diskussionsbeiträgen aus dem Blick zu geraten. Da ist von „Vernunftstrafrecht“, und von „nicht zu rechtfertigendem Taxendenken“ die Rede; die Strafrechtswissenschaft beginnt, mit ihrer Begriffswelt das berufsrechtliche Terrain zu überlagern. Der vorliegende Beitrag unternimmt daher den Versuch, das Reizthema der Angemessenheit der Vergütung auf den berufsrechtlichen Kern zurückzuführen und aus dem Berufsrecht Lösungsansätze zu entwickeln.

Horst Bonvie
Die persönliche Leistungserbringung bei der Behandlung von Privatpatienten im Krankenhaus im ambulanten und stationären Bereich

Ärzte sind im Zweifel vertraglich verpflichtet, die aufgrund des Behandlungsvertrages gegenüber dem Patienten geschuldete ärztliche Leistung in Person zu erbringen, sei es als Vertragspartner des Patienten, sei es als Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners des Patienten. Dies gilt sowohl für niedergelassene Ärzte als auch für Krankenhausärzte. Die Reichweite der Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung insbesondere bei der Behandlung von Privatpatienten ergibt sich teilweise aus Rechtsprechung und Literatur, vielfach fehlen höchstrichterliche Entscheidungen, was zur Folge hat, dass vieles umstritten ist. Der nachfolgende Beitrag befasst sich ausschließlich mit der persönlichen Leistungserbringung von Krankenhausärzten bei Privatpatienten im Rahmen der ambulanten und stationären Patientenversorgung und erfasst damit zwangsläufig nur einen Ausschnitt der Thematik. Die Pflicht des Krankenhausarztes zur persönlichen Leistungserbringung bei der Behandlung von Privatpatienten ergibt sich aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen.

Tilman Clausen
Qualitätsprüfung bei neuen Behandlungsmethoden in der stationären Versorgung – § 6 Abs. 2 KHEntgG: Von den Anforderungen im Schrifttum bis zur Schaffung der §§ 137c Abs. 3 und 137h SGB V –

Die Qualitätsprüfung bei neuen Behandlungsmethoden in der stationären Versorgung hatte sich in der Schiedsspruchpraxis zu § 6 Abs. 2 KHEntgG bereits 2012 in weitem Umfang etabliert. Der Gesetzgeber hat durch den im Juli 2015 eingefügten § 137c Abs. 3 SGB V nachgezogen: Die Darlegungslast dafür, dass die neue Methode das ″Potential″ einer Behandlungsalternative bietet, liegt beim Krankenhaus. Es muss aussagekräftige wissenschaftliche Unterlagen vorlegen, die die Prognose hinreichender Heilungschancen und nicht unverhältnismäßiger Risiken belegen.

Thomas Clemens
Die Bedeutung der Patientenaufklärung in der forensischen Praxis

Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) vom 26.2.2013 wurde der Behandlungsvertrag normiert, um die Rechte und Pflichten von Patienten und Behandelnden festzulegen und hierdurch Rechtssicherheit zu schaffen. Von großer Bedeutung für die Behandlerseite ist die in § 630e BGB näher beschriebene Aufklärungspflicht, weil für diese im Arzthaftungsprozess besondere Darlegungs‐ und Beweislastregeln gelten. Während der Patient den Beweis für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers zu erbringen hat, sieht § 630h Abs. 2 BGB vor, dass der Arzt die umfassende Aufklärung des Patienten über die vorgenommene Maßnahme zu beweisen hat, um sich nicht der Gefahr einer Haftung auf Schadensersatz auszusetzen. Der Patient muss allerdings den Beweis dafür erbringen, dass die von ihm geltend gemachte Gesundheitsverletzung durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht wurde. Gemäß § 630e Abs. 1 BGB ist der Behandelnde „verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahmen sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können“. Die Wertstellung dieser Vorschrift spiegelt sich in den aktuellen gerichtlichen Entscheidungen zur Patientenaufklärung wider.

Regine Cramer
Die Ewigkeitsgenehmigung für medizinische Versorgungszentren am Beispiel der kontingentierten Abrechnungsgenehmigung gem. § 121a SGB V

Eine der maßgeblichen Änderungen im Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, die der Jubilar beruflich begleitet und mitgeprägt hat, ist die Einführung des medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) im Jahr 2004. Er hat dieser Innovation frühzeitig Kontur und Struktur gegeben. Inzwischen ist das MVZ – übertragen auf die ansonsten hochfrequenten Änderungen im Gesundheitswesen – im reifen Alter angekommen. Trotz Nach‐ und Neujustierungen im Gründerkreis und der praktischen Handhabung durch den Gesetzgeber, bleibt das MVZ als institutionalisierter Leistungserbringer Fremdkörper im durch die Freiberuflichkeit geprägten ambulanten vertragsärztlichen Versorgungssektor und dessen regulatorischen Rahmen. Bemerkenswert ist dabei, dass von dem ursprünglich angedachten Zweck einer zentralisierten, fachübergreifenden aber schnittstellenarmen Versorgung nichts übrig geblieben ist. Inzwischen sollen durch das MVZ Interessen an flexibler und verantwortungsarmer Tätigkeit von Nachwuchsärzten bedient werden, also nur noch mittelbar dem Versorgungsgedanken Rechnung getragen werden. Anders als beim Freiberufler, dessen Leistungsfähigkeit natürliche Grenzen gesetzt sind, stellt sich beim MVZ grundsätzlich nie die Frage nach einer Praxisnachfolge. Für Nachwuchsärzte, die in die Selbständigkeit streben, wird der Zugang zu Praxen dadurch zu einem schwerer verwirklichbaren Ziel. Inzwischen sind 2156 MVZ zugelassen, in denen 12.976 Ärzte im Anstellungsverhältnis tätig sind. 60 % sind nicht in der Trägerschaft von Ärzten (Stand 31.12.2015). Die Frage der noch denkbaren Freiberuflichkeit kündigt sich in hochinvestiven Leistungsbereichen der fachärztlichen Leistungserbringung wie Radiologie, Strahlenheilkunde oder Labormedizin an, bei denen die Zulassungen zunehmend in MVZ gebunden und klassische Praxisnachbesetzungen im Rahmen von Ausschreibungsverfahren selten geworden sind. Diese Entwicklung findet sich bereits deutlich beschleunigt in den Bereichen wieder, bei denen der Zugang zur Leistungserbringung durch zusätzliche kontingentierte Entscheidungen über die Zulassung hinaus beschränkt ist. Setzt sich der Trend fort, wird ein Hinzutreten freiberuflich tätiger Ärzte mittelfristig in diesen Bereichen unter den derzeitigen Prämissen nicht mehr möglich sein. Der vorliegende Beitrag soll diese Entwicklung anhand des Beispiels der Genehmigung zur Erbringung von Leistungen der künstlichen Befruchtung (§ 121a SGB V) bewerten.

Roland Flasbarth
Die Ökonomisierung der Medizin: Was darf ein Menschenleben kosten?

Es scheint ein Zug der Zeit zu sein. Alles wird messbar gemacht, verglichen, unter Kosten‐Nutzen‐Aspekten betrachtet, gesteuert, gelenkt und gesichert. Aus der Betriebswirtschaft bekannte Instrumente werden eingesetzt, um Kostenstellen transparent zu machen, die Eigenverantwortung der Kostenverursacher zu erhöhen, die Leistungserbringung zu optimieren und die Kundenakzeptanz zu erhöhen. All das wird unter der schillernden Bezeichnung „Ökonomisierung“ zusammengefasst. Nahezu jeder Lebensbereich ist betroffen. Es geht um die Ökonomisierung des Öffentlichen, der Verwaltung, der Polizei, der Bundeswehr, der Hochschulen. Letztere sollen geradezu entfesselt werden, um ungeahnte Ressourcen freizusetzen. Die Justiz ist nicht ausgenommen, wenngleich die Ergebnisse sparsam sind. Selbst die Kirche wird dem Diktat der Ökonomie unterworfen. Die Ökonomisierung ist allumfassend; die Rede ist von einem „ökonomisierten“ Staat. Betriebswirtschaftliche „Plastikwörter“ kennzeichnen das Geschehen. Aus der sog. „freien Wirtschaft“ sattsam bekannte Folterinstrumente werden installiert und aktiviert. Hierzu rechnen Neue Steuerungsmodelle (NSM), Kosten‐ und Leistungsrechnung (KLR), Benchmarking, Berichtswesen, Ziel‐ und Leistungsvereinbarungen, Controlling, Outputsteuerung, Budgetierung, Qualitätssicherung und ‐verbesserung, Evaluation, Zielvereinbarung oder Kontraktmanagement. Auch die Medizin wird zunehmend durch ökonomische Maximen bestimmt. Es wird gesteuert und budgetiert, rationalisiert und rationiert. All das läuft letztlich auf die Frage hinaus: Was darf ein Menschenleben kosten?

Hermann Frehse
Ärzteausbildung und Medical Schools

Die Frage nach den Möglichkeiten einer Ausbildung zum Arzt oder zur Ärztin wird aktuell in erster Linie vor dem Hintergrund diskutiert, dass die Bewerberzahl um einen Studienplatz in der Humanmedizin erheblich über dem Studienangebot deutscher Hochschulen liegt. Ein Abitur, das unter der Note von 1,1 liegt, bietet heute kaum eine Chance zur direkten Zulassung zum Medizinstudium allein über die Abiturnote. Viele Bewerber, die im Inland nicht zum Zuge kommen, weichen auf das (europäische) Ausland aus. Zuletzt bieten aber auch Medical Schools im Inland Alternativen an. Im folgenden Beitrag sollen die Fragen der Wissenschaftlichkeit solcher Ausbildungen, deren Legitimation auch im Vergleich zu den Vorgaben des europäischen Rechts und die rechtlichen Fragen im Zusammenhang dieser Angebote in den Blick genommen werden.

Heinz Haage
Juristenausbildung und Medizin- und Gesundheitsrecht

Franz‐Josef Dahm ist der Medizin‐/Gesundheits‐Rechts‐Wissenschafts‐Praktiker par excellence. Er integriert in seiner Arbeit Rechts‐ und Lebenswissenschaften und beider Praxis und er arbeitet zudem projektorientiert, schwerpunktübergreifend und generalistisch. Der Verfasser hat diese Worte mit Bedacht gewählt, um einen historischen Vergleich einer erfolgreichen und gescheiterten Reform der Juristenausbildung in den 70er‐Jahren des letzten Jahrhunderts mit Entwicklungen der Anforderungen an den Medizinrechtswissenschaftler und ‐praktiker bis heute skizzenhaft anknüpfen zu können. Wäre F‐JD damals Lernender des Rechts in einer einstufigen Juristenausbildung gewesen, hätte er vielleicht alles das schon gelernt, was ihn sein Arbeitsleben und seine Klugheit gelehrt haben. F‐JD schätzt ironische Verbindungen.

Dieter Hart
Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Entscheidung am Lebensende

Während im Zivilrecht um die Frage gerungen wird, wie dem Willen des Patienten in einer Situation, in der er selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist, noch zur Geltung verholfen werden kann, wird im ärztlichen Berufsrecht und im Strafrecht gestritten, ob dem Arzt Beihilfe zum Suizid des noch entscheidungs- und handlungsfähigen Patienten erlaubt sein soll. Unter dem Eindruck medienwirksamer Aktivitäten von Sterbehilfeorganisationen und Sterbehelfern hat die Mehrzahl der Ärzteparlamente für ein Verbot der ärztlichen Hilfe zur Selbsttötung votiert. Der Vorsitzende der Bundesärztekammer hat erklärt, die Beihilfe zum Suizid sei keine ärztliche Tätigkeit – was zur Folge hätte, dass ein Verbot die Berufsausübungsfreiheit des Arztes nicht tangiert. Unter Bezugnahme auf diese Ansicht hat der Gesetzgeber im November 2015 das „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ erlassen. Ein Verbot des ärztlich assistierten Suizids impliziert jedoch, dass die informierte Entscheidung eines Patienten gegen palliativ-medizinische Maßnahmen jedenfalls in den Fällen, in welchen die Not des Patienten die Wahlmöglichkeit faktisch auf die Alternative zwischen Einwilligung in palliativ-medizinische Maßnahmen einerseits und Selbsttötung andererseits reduziert, nicht respektiert bzw. der Patient allein gelassen wird.

Nicola Heinemann
Die rechtliche Einordnung der Transplantationsrichtlinien der Bundesärztekammer

Die Transplantationsrichtlinien der Bundesärztekammer selbst sind keine hoheitlichen Normen. Erst über die Berufsordnungen der Ärztekammern erhalten die in diesen Richtlinien getroffenen Feststellungen des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse eine verbindliche Wirkung. Außerdem gehen sie in den öffentlich‐rechtlichen Koordinationsstellenvertrag und in den öffentlich‐rechtlichen Vermittlungsstellenvertrag mit Bindungswirkung für Entnahmekrankenhäuser und Transplantationszentren ein. Die von der Bundesärztekammer zum anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse getroffenen Feststellungen können richtig oder falsch sein. Ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen liegen jedoch im Transplantationsgesetz (TPG) und können nur im Zusammenhang mit diesem verfassungsrechtlich gewürdigt werden.

Rainer Hess
Das Gendiagnostikgesetz – Bilanz und Ausblick

Ausgehend von der Gesetzeshistorie befasst sich der Beitrag ausführlich mit dem Anwendungsbereich des GenDG, der über maßgebliche Begriffsbestimmungen im Gesetz sowohl erweitert als auch eingeengt wird. Die Autoren gehen auf die Richtlinienkompetenz der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) gemäß § 23 GenDG ein und setzen sich mit wesentlichen Richtlinien, die den medizinischen Bereich betreffen, auseinander. Dabei werden sowohl die Kompetenzzuweisung an das RKI als auch die vielfältigen inhaltlichen Vorgaben an Ärztinnen und Ärzte, z. B. zur Qualifikation und Aufklärung, kritisiert. Mit Blick auf die komplexen Regelungen zur Beratung, Aufklärung und Qualifikation werden sowohl die spezifischen Inhalte aus den einschlägigen Richtlinien der GEKO als auch die Weiterentwicklungen über die Weiterbildungsordnungen der (Landes-)Ärztekammern thematisiert. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit den vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen im Verhältnis zur Präimplantationsdiagnostik. Aufgezeigt werden in diesem Kontext auch die damit verbundenen Folgerungen für die nicht-invasive vorgeburtliche Diagnostik.

Marlis Hübner, Wiebke Pühler
Die Rolle der GKV bei Arzt-Patient-Streitigkeiten – Überlegungen zu einer „Materialisierung“ des § 66 SGB V

Die Krankenkassen sollen die Versicherten nach § 66 SGB V bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern unterstützen. Die durch das Patientenrechtegesetz v. 20.2.2013, BGBI. S. 277, von einer Kann- in eine Soll-Vorschrift überführte Norm bewirkt eine rechtsdogmatisch wie rechtspraktisch bedeutsame Verknüpfung verschiedener Rechtsgebiete. Es handelt sich um eine Regelung auf der Schnittstelle von Sozialversicherungsrecht, Zivilprozessrecht und zivilem Haftungsrecht mit Bezügen zum privaten Versicherungsrecht. § 66 SGB V hat seit seinem erstmaligen Inkrafttreten im Jahre 1989 keine größere praktische Aufmerksamkeit gewonnen und war nur in wenigen Fällen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Dies könnte sich nach der Neufassung ändern, die Vorschrift rückt zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses.

Christian Katzenmeier, Christoph Jansen
Die Datenschutzgrundverordnung in der medizinrechtlichen Praxis – Was ändert sich 2018?

Am 25.5.2016 ist die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Sie tritt am 25.5.2018 europaweit in Kraft und wird das bisher in Deutschland geltende Datenschutzrecht umfassend und grundlegend verändern. Das bislang geltende Bundesdatenschutzgesetz tritt außer Kraft und wird durch die neue Verordnung ersetzt. Dies wird auch erhebliche Auswirkungen auf niedergelassene Ärzte und Zahnärzte und ihre Praxisabläufe haben. Nur wer sich frühzeitig auf die Änderungen einstellt, kann gestalten.

Robert Kazemi
Das Aufklärungsgespräch bei der Lebendorganspende aus haftungsrechtlicher Sicht

Die freiwillige Entscheidung, ein eigenes Organ zu Lebzeiten zu spenden, ist Ausdruck der Autonomie eines jeden. Für den Organempfänger stellt eine Lebendorganspende angesichts der Wartezeiten auf ein Transplantat regelmäßig einen Segen dar. Doch was bedeutet die Lebendorganspende für den Spender? Nüchtern betrachtet, handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, der wie jede Operation mit Risiken behaftet ist, für den keine medizinische Indikation besteht und von dem der Spender in medizinischer Hinsicht nicht profitieren wird. Vielmehr bestehen durch die Entnahme eines Organs oder eines Teils des Organs langfristige gesundheitliche Risiken für den Spender. Doch der Entschluss zur Lebendspende folgt gerade nicht einer rein sachlichen Betrachtung, sondern entspringt der Beziehung zwischen Spender und Empfänger. Aufgrund ihrer Komplexität und der Bedeutung der Spende sowohl für den Empfänger als auch für den Spender ist die Entscheidungsfindung störanfällig. Um sicherzustellen, dass die Entscheidung zur Lebendspende freiwillig und nicht aufgrund von Druck oder gar aus monetären Gründen erfolgt, sowie zum Schutz des Lebens und der Gesundheit des Spenders, hat der Gesetzgeber bei der Normierung der Lebendorganspende im TPG der Aufklärung des Spenders besondere Bedeutung beigemessen und sie an strenge Formvorschrift geknüpft. In Haftungsprozessen, die Lebendorganspenden zum Gegenstand haben, wird daher regelmäßig diskutiert, welche Folgen ein Verstoß gegen diese Form- und Verfahrensvorschriften hat. Hiermit soll sich dieser Beitrag beschäftigen.

Kathrin Kubella
Das MVZ nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

Franz‐Josef Dahm vollendet sein 70. Lebensjahr. Mit diesem Beitrag sagt der Verfasser ihm Dank vor allem für den jahrzehntelangen freundschaftlich‐kollegialen Umgang und Austausch. Dank gilt Franz‐Josef Dahm aber auch für die unzähligen Stunden, die er über viele Jahre hinweg für die Schriftleitung der MedR und als Herausgeber des Heidelberger Kommentars, einem Standardwerk des Medizinrechts, aufgewendet hat. Beide einstmals von Rieger maßgeblich geprägten Werke haben in Dahm einen würdigen (Mit‐)Nachfolger gefunden.Dahm ist ein Urgestein des Medizinrechts, fachlich breit aufgestellt, wie es in jüngerer Zeit kaum mehr jemanden gibt. Er ist Generalist und Spezialist. Das Gebiet Medizinrecht hat Dahm in Praxis und Theorie und zudem durch engagierte Tätigkeit unter anderem zum Beispiel im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht maßgeblich mitgestaltet. Dahm wusste und weiß immer, wo die aktuellen Brennpunkte sind. Er hat es stets verstanden, die Themen der Praxis wissenschaftlich und aktuell aufzubereiten. Die Vielzahl seiner Veröffentlichungen legt hierzu beredtes Zeugnis ab.Dahms Bild von der ärztlichen Berufsausübung ist ohne Zweifel wertkonservativ. Profitorientierte Massenmedizin ist ihm ein Gräuel. Zu MVZ hat er sich vielfach – oftmals mit kritischem Unterton – geäußert. Dieser Beitrag greift das MVZ‐Thema mit folgenden durch das Inkrafttreten des GKV‐VSG vorgegebenen Schwerpunkten auf: Fachgebietsgleiches MVZ,Erleichterungen für „Überweisungs‐MVZ“,Mindestanzahl von in MVZ tätigen Ärzten,„Hybrid‐Modelle“: Gesellschafter und Angestellter.

Karl-Heinz Möller
Sicherstellung „durch“ Qualität

Das Gesundheitswesen ist „publifiziert“. Manche sprechen von „Indienstnahme des Vertragsarztes“, andere sprechen vom Gewährleistungsstaat. Dieser reguliert bis in die Kernbereiche von Therapie, Diagnostik, Dokumentation und ärztlicher Kooperation hinein und steuert mit dem Instrument der Qualitätssicherung auch die Versorgung.

Hermann Plagemann
Rechtsformprobleme beim Betrieb Medizinischer Versorgungszentren

Die Mentalität und die Einstellung der Ärzte des Jahres 2016 zu ihrem Beruf unterscheiden sich deutlich von den Einstellungen früherer Ärztegenerationen. Das noch in den 80er‐Jahren leitende Interesse junger Ärzte an der Gründung einer eigenen Praxis ist spätestens nach der Jahrtausendwende nicht mehr das primäre Ziel der Mehrheit der Mediziner. Die ärztliche Berufsausübung soll bei vielen Ärzten einen sicher wichtigen, aber nicht den beherrschenden Einfluss auf ihr Leben haben. Das Leben neben dem Beruf gewinnt an Bedeutung. Gefördert wurde diese Entwicklung nicht nur durch das „Schlechtreden“ des Arztberufs durch viele Standesorganisationen der Ärzte, sondern auch durch Entscheidungen des Gesetzgebers, unterschiedliche Varianten der Berufsausübung zur Verfügung zu stellen: Ärzte können heute ihren Beruf als freiberufliche Selbstständige, als Angestellte oder auch als nur unternehmerisch engagierte Investoren ausüben.

Reinhold Preißler
Versandhandel – Heimversorgung – Dispensierrecht aus dem Lagerraum

Im April des Jahres 2015 hat des OVG NRW eine sehr detailliert vorbereitete Entscheidung zum Apothekenrecht getroffen, die nur ein Jahr später in ihren wesentlichen Aussagen vom BVerwG bestätigt worden ist. Sie basiert auf dem Anliegen einer öffentlichen Apotheke, bei erheblichem Einsatz in der Versorgung von Heimen eine extensive Auslegung des Apothekenrechts einfordern zu dürfen. Im konkreten Fall wurden 15 Heimverträge geschlossen. Dabei ist offen geblieben, ob 15 gesonderte Einrichtungen versorgt werden oder ob für eine geringere Zahl von Heimen auf Grund besonderer Konstellationen mehrere Verträge notwendig waren. Nicht nur der zusätzliche Raumbedarf sollte außerhalb der ursprünglich genehmigten Apothekenbetriebsräume gedeckt werden, auch der Tätigkeitsumfang bis hin zur Abgabe von Arzneimitteln und die entsprechende Beratung sollten aus ausgelagerten Lagerräumen ermöglicht werden und von der aktuellen Gesetzeslage umfasst sein.

Dorothea Prütting
Die „immer-so“-Rechtsprechung – Eine kritische Würdigung aus prozessrechtlicher Perspektive

Die Körperverletzungsdoktrin der Rechtsprechung führte konsequent zu der Erkenntnis, dass ärztliche Interventionen grundsätzlich als rechtfertigungsbedürftige Übergriffe auf Körper und Gesundheit des Patienten anzusehen sein sollen. Zentrales Rechtfertigungsmoment ist somit die Einwilligung, welche auf Basis hinreichender Aufklärung über Risiken, Verlauf und Alternativen „im Großen und Ganzen“ dem Patienten zu verdeutlichen hat, worauf er sich einlässt. Ausgehend hiervon trat im praktischen Arzthaftungsrechtsstreit neben den Behandlungsfehlervorwurf die Aufklärungsrüge. Zu beobachten war der Umstand, dass der Vorwurf mangelhafter Aufklärung vielfach als juristische Waffe eingesetzt worden ist, um im Falle fehlender Nachweisbarkeit eines behaupteten ärztlichen Fehlverhaltens bei der Behandlung eine zweite, eigenständige Angriffslinie zu haben. Dies brachte der klagenden Patientenseite bald den Vorwurf eines missbräuchlichen Vorgehens ein, so dass nach einem Weg der Bekämpfung dieser Handhabe gesucht wurde. Die Rechtsprechung fand entsprechenden Widerstand in ihren Entscheidungen zum „Immer‐so“‐Beweis, welcher der Beweisnot des Arztes Abhilfe verschaffen sollte und dies in vielen Judikaten erreichen konnte. Diese in der Praxis weithin anerkannte Rechtsprechung muss jedoch zu zwei zentralen Fragen führen, die bislang kaum zufriedenstellend beantwortet werden konnten und von denen eine im Folgenden kritisch gewürdigt werden soll. So ist vom materiellen Schutzmoment her zu fragen, ob die ärztliche Beweisnot tatsächlich derart erheblich ist, wie dies behauptet wird, und ob es ärztlicherseits vielleicht zumutbar sein könnte, besagte Beweisnot durch gewisse präventive Maßnahmen zu begrenzen. Dieser Problemkomplex bedürfte vorab einer aktuellen empirischen Untersuchung, welche an dieser Stelle nicht geleistet werden kann, so dass von einer Erörterung abgesehen wird. Vom prozessualen Standpunkt aus hätte es seit Anbeginn der „Immer‐so“‐Rechtsprechung einer dogmatischen Einfassung bedurft, um sich vor dem Hintergrund von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit der methodischen Frage zu stellen, welchem Regelwerk mit der Anerkennung dieses Instituts gefolgt wird. Die nachfolgenden Ausführungen sind darum bemüht, anhand einer kritischen Würdigung dazu anzuregen, die bislang anerkannte Rechtsprechung wenigstens zu relativieren und Anstrengungen im Hinblick auf ein prozessual stabiles Fundament zu unternehmen. Die bislang herrschende Ansicht zur ärztlichen Beweisnot und zur Nutzung derselben als prozessuale Angriffslinie seitens der Patienten wird für diese Betrachtung als zutreffend unterstellt.

Jens Prütting
Rechtliche Brennpunkte in der Reproduktionsmedizin

Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, jede Regelung im Detail vorzugeben. Vielmehr kann er den nichtstaatlichen Satzungsgeber ermächtigen, im Rahmen abgeleiteter Kompetenz den Normrahmen durch eigene Regelungen auszufüllen. Ein weiteres Konfliktfeld besteht darin, dass das Recht der Fortpflanzungsmedizin mittlerweile in die Kompetenz des Bundes fällt (Art. 74 Nr. 26 GG), während das Recht der Berufsausübung nach wie vor in den Kompetenzbereich der Länder gehört. Mit anderen Worten gilt der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ nur für den Kern der Fortpflanzungsmedizin, nicht aber für Regelungen der Berufsausübung, für die dem Landesgesetzgeber die alleinige Kompetenz zusteht. Erst recht sind strafrechtliche Normen wie z. B. das Embryonenschutzgesetz nicht geeignet, abschließend berufsrechtliche Regelungen zu ersetzen. Diese unterschiedlichen Ebenen dürfen nicht vermischt werden. Die vor der MBO‐Novelle 2011 in D Nr. 15 MBO enthaltene Verweisung auf die Richtlinien ist ebenso wie D 14 MBO, der für Fragen der Forschung an Embryonen, totipotenten Zellen und das Problem der Präimplantationsdiagnostik eine Rolle spielte, ersatzlos gestrichen worden. Offenbar wurde diesbezüglich ein eigenständiger berufsrechtlicher Regelungsbedarf nicht mehr gesehen. Diese Regelungen sind heute durch das Embryonenschutzgesetz weitgehend überlagert.

Rudolf Ratzel
Der Bundesmantelvertrag als Herzstück untergesetzlicher Normsetzung im Vertragsarztrecht

Das Vertragsarztrecht ist wie kein anderes Rechtsgebiet durch sog. „untergesetzliche Normen“ gekennzeichnet. Es sind jedoch nicht die klassischen untergesetzlichen Normen wie Rechtsverordnungen, Erlasse oder Satzungen, die das Recht der vertragsärztlichen Versorgung prägen, sondern Kollektivverträge. Diese finden keine unmittelbare Erwähnung im Rechtsquellenkanon des Grundgesetzes und sie weisen ein für die Normsetzung eher untypisches Merkmal auf: Normgeber ist nicht eine einzige juristische Person, sondern i. d. R. mindestens zwei, die aufgrund einer formalgesetzlichen Ermächtigung in gemeinsamer Verantwortung als Selbstverwaltungsaufgabe Rechtsnormen erlassen.

Thomas Rompf
Das Fehlen einer „Veränderung“ als Voraussetzung für die Genehmigungsfreiheit des Inverkehrbringens von in Apotheken abgefüllten Arzneimitteln mit Gemeinschaftsgenehmigung

Gegenstand des Beitrags ist die Rolle der Apotheken beim Inverkehrbringen von Arzneimitteln anhand der Frage, ob es Apotheken gestattet ist, zentral zugelassene Arzneimittel, die sie aufgrund entsprechender ärztlicher Verschreibungen in Fertigspritzen abgefüllt haben, ohne erneute Gemeinschaftsgenehmigung in den Verkehr zu bringen. Diese Frage stellt sich vor allem bei der Behandlung der sogenannten altersbedingten Makuladegeneration (AMD), einer Erkrankung, an der allein in Deutschland rund zwei Millionen Menschen leiden.

Valentin Saalfrank
Qualitätsanforderungen in Form von Vorgaben für Verbundstrukturen in der Krankenhausplanung

Die Frage der Qualität und Qualitätsvorgaben im Krankenhaussektor gewinnt zunehmend an Bedeutung. Obgleich die Thematik bereits seit Jahren gesetzlich fest verankert ist, ist in den letzten Jahren das Thema zunehmend in den Fokus gerückt. In diesem Kontext sind auch landesrechtliche Anforderungen an Verbundstrukturen zu sehen, die als Voraussetzung für einen Versorgungsauftrag formuliert werden. Dieser Ansatz mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen, da ein Wissenstransfer zugunsten der Patienten erreicht werden soll. Werden Verbundstrukturen jedoch als Voraussetzung für den Versorgungsauftrag verlangt, sind eine Reihe von rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Ob diese bisher erfüllt sind – oder auch nur erfüllt werden können – erscheint zumindest fraglich.

Kerrin Schillhorn
Explikation im Gesundheitswesen – Priorisierung, Rationierung, Kostendruck und Standard: Herausforderungen und Möglichkeiten solidarischer Gesundheitsversorgung

Seit Jahrzehnten werden vielfältige Steuerungsmechanismen eingesetzt, um die Ausgaben der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung zu begrenzen und damit ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Diese Steuerungen wirken in verschiedenartiger Weise und führen zum Teil auch zu Über-, Unter- und Fehlversorgungen im komplexen System. In einigen anderen Ländern entstand bereits in den 1990er-Jahren die Idee, mittels sog. Priorisierung einen abstrakten Schlüssel zu entwickeln, um nur knapp zur Verfügung stehende Ressourcen so auf die Bedarfsgüter zu verteilen, dass sie möglichst effizient eingesetzt werden und der größtmögliche Nutzen aus ihnen entsteht. In diesem Beitrag wird dieser Ansatz beschrieben und beleuchtet, ob seine Prinzipien auch für andere Gesundheitssysteme, insb. das System der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung, fruchtbar gemacht werden können.

Björn Schmitz-Luhn
Entscheidungsfindung innerhalb der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung

Nach § 75 Abs. 2 S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen (KBVen) ebenso wie die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen (K(Z)ÄVen) die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Das geschieht ganz maßgeblich in den Vertragsverhandlungen mit den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen. Dabei haben die KBVen insbesondere im Blick, dass die Verträge nicht nur einen Beitrag zur ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse leisten sondern auch zur angemessenen Vergütung der ärztlichen Leistungen führen (§ 72 Abs. 2 SGB V).

Karsten Scholz
Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen – Reformen nach dem Antikorruptionsgesetz

Klar, kundig, korrekt, effektiv – diese Merkmale zeichnen den Jubilar dieser Festschrift aus. Dem Gesetzgeber im Gesundheitswesen ordnet er diese Merkmale nicht gleichermaßen zu. Dieser habe oft seine (vollmundig) angekündigten legislatorischen Ziele nicht oder nur teilweise erreicht. Nach der Reform ist – auch nach Dahms Auffassung – oft vor der Reform. Zu kritisieren ist nach seiner Auffassung u. a. auch, dass die Normgeber auf Bundes‐ und Landesebene die Konsequenzen/Nebenwirkungen ihrer Regeln oft nicht ausreichend bedacht haben, Fehler gemacht und Lücken gelassen haben. Manche Gesetze seien sogar rechtswidrig, widersprüchlich oder regeln Gleiches ungleich. Speziell die Ärzteschaft werde auch zunehmend mit aufwändigem, kaum nachvollziehbarem Bürokratieaufwand überzogen. Wer – wie der Jubilar – Durchblick im Gesundheitswesen hat, auch die Einflüsse von Interessengruppen kennt, ist daher oft als unabhängiger Berater gefragt, zumal er sein Wissen und seine Erfahrungen auch in zahlreichen Veröffentlichungen zugänglich dokumentiert. Auch ärztliches Fehlverhalten in den verschiedensten Variationen und die Beschlüsse zur Gegensteuerung sowie die Rechtsprechung dazu sind ihm zutiefst vertraut. Auch zu der überraschenden Entscheidung des BGH vom 16.8.2016 – 4 StR 163/16 – (= GesR 2017, 785 0 medstra 2017, 38 m. Anm. Kusnik/Mandera = MedR 2017, Heft 3, Vermögensbetreuungspflicht der Vertragsärzte gegenüber Krankenkassen) wird er sich sicherlich äußern, nachdem er den BGH schon scharf kritisiert hat wegen seiner Ansicht, ein „Verbot der Zuweisung gegen Entgelt“ gehöre nicht zu den „wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts“ (MedR 2016, 974). Auch zu den „Offenbarungen“ der TK und anderer Krankenkassen zu sog. „Betreuungsstrukturverträgen“ wird er (kritisch) Stellung nehmen.

Gernot Steinhilper
Ein Heilberuf im Wandel: aus Ausbildung wird Weiterbildung – legislativer Änderungsbedarf

Mit dem Psychotherapeutengesetz vom 16.6.1998 wurden die (damals) neuen Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeuten geschaffen. Das Gesetz regelt den Berufszugang, den Titelschutz dieser Berufe und die Einbeziehung der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung. Verabschiedet wurde dieses Gesetz nach einem 20(!)‐jährigen „Gesetzgebungsverfahren“, bedenkt man, dass bereits 1978 ein erster Gesetzesentwurf zu einem Psychotherapeutengesetz eingebracht wurde, der jedoch über das Referentenstadium nicht hinauskam. Eine Reform des Psychotherapeutengesetzes gilt schon seit einigen Jahren als „überfällig“. Die im Psychotherapeutengesetz normierten Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeuten sind aufgrund des sogenannten Bologna‐Prozesses veraltet, führen zu rechtlichen Unsicherheiten und einer bundesweit unterschiedlichen Zulassungspraxis zur Psychotherapieausbildung. Im Zusammenhang notwendiger Änderungen des Psychotherapeutengesetzes wird eine „Ausbildungsreform“ weitgehend übereinstimmend außerdem jedenfalls insoweit für notwendig erachtet, als die finanziellen Rahmenbedingungen der Ausbildung geändert und die „Psychotherapeuten in Ausbildung“ für ihre praktische Tätigkeit angemessen vergütet werden müssen.

Martin Stellpflug
Qualitätsvorgaben für den stationären Sektor – Relevanz für Krankenhausplanung, Krankenhausaufsicht und Kassenverbände

Im Dezember 2014 hat eine Bund‐Länder‐Arbeitsgruppe ein Eckpunkte‐Papier zur Reform des stationären Sektors vorgelegt. Die Bundesregierung hat auf dieser Grundlage im Juni 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhaus‐Strukturgesetz – KHSG) präsentiert. Nach Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens sind die Neuregelungen unter dem Leitmotiv „Qualität als Grundlage für eine künftige Krankenhausversorgung“ zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Dabei ist das Thema „Qualität“ für das Krankenhausrecht der Länder und die Krankenhausplanung in den Ländern nicht neu. Schon in den letzten Jahren war es zunehmend ein Ziel der Landeskrankenhausplanung, die Qualität der Krankenhausversorgung über definierte Strukturvorgaben zu steuern. Einige Länder konkretisierten auf diese Weise die Anforderungen an die „Leistungsfähigkeit“ stationärer Einrichtungen (vgl. § 1 Abs. 1 KHG), teilweise konnten sie auch auf eine Ausformung des Qualitätsbegriffs aus den Landeskrankenhausgesetzen (vgl. etwa § 13 Abs. 1 KHGG NRW) rekurrieren. Soweit Krankenhauspläne der Länder strukturelle Qualitätsvorgaben enthielten, bezog sich dies beispielsweise auf die schnellere Identifizierung und bessere Einstufung altersspezifischer Erkrankungen oder auf personelle Vorgaben. Andere Länder haben in diesem Zusammenhang auch vollinhaltlich auf die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‐BA) verwiesen und diese zum Gegenstand der eigenen Planung gemacht.

Frank Stollmann
Arztvergütung und private Zusatzleistungen im Zeitenwandel

Während der Jubilar sein siebzigstes Lebensjahr vollendet hat, muss das berufsständische Konzept „Individueller Gesundheitsleistungen“ (IGeL) noch für heranwachsend gelten, durchläuft es doch gerade erst das zwanzigste Jahr seit seiner erstmaligen medialen Inszenierung. Bereits lange bevor davon die Rede war, hat Franz‐Josef Dahm sich neben seinem sozialrechtlichen Schwerpunkt den Rechtsfragen privat zu finanzierender Zusatzleistungen zugewendet und sich anhaltend bis in jüngste Zeit immer wieder mit unterschiedlichen Facetten der Problematik befasst. Davon angeregt, geht dieser Beitrag auf Entwicklung, Gestalt und Perspektiven der Arztvergütung als Hintergrund auch des Phänomens privater Zusatzleistungen ein.

Tobias Voigt
Liberalisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit – mehr Freiheit oder nur mehr Freiheit für den Missbrauch?

Der Beitrag befasst sich mit den Veränderungen der Regeln über die vertragsärztlichen Versorgung in den letzten Jahren, die einer Liberalisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit dienen sollen. Behandelt werden die Veränderungen bei der Bildung von Berufsausübungsgemeinschaften, die Erleichterungen bei der Eröffnung von Zweigpraxen und die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Untersucht werden jeweils die Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahren, die Umsetzung durch die Rechtsprechung sowie die Veränderungen in der Praxis. Die Perspektive ist jeweils darauf gerichtet, ob sich für die Versorgung der Versicherten relevante Verbesserungen ergeben haben.

Ulrich Wenner
Backmatter
Metadaten
Titel
Festschrift für Franz-Josef Dahm
herausgegeben von
Christian Katzenmeier
Rudolf Ratzel
Copyright-Jahr
2017
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-54115-9
Print ISBN
978-3-662-54114-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-54115-9