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2008 | Buch

Finanzaufsicht in Deutschland und Großbritannien

Die BaFin und die FSA im Spannungsfeld der Politik

verfasst von: Lotte Frach

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Auszug
Kurz vor der Jahrtausendwende hätte ein Vergleich der nationalen Finanzaufsichten in der Europäischen Union (EU) noch große Unterschiede offenbart. Die historisch gewachsenen nationalen Regulierungsstrukturen wiesen meist eine Vielzahl an Aufsichtsorganen auf. Inzwischen sind jedoch Deutschland, Finnland, Österreich und einige andere Staaten dem Beispiel der skandinavischen Länder und Großbritanniens gefolgt und haben eine Allfinanzaufsicht eingeführt. Eine Allfinanzaufsicht liegt vor, wenn ein Aufsichtsorgan mindestens zwei der drei Finanzmarktsektoren (Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor) beaufsichtigt.1 Das Modell der Allfinanzaufsicht ist unter den EU-Mitgliedsstaaten inzwischen eindeutig dominierend.2 Auch weltweit kann das Konzept der Allfinanzaufsicht seit Ende der 1990er Jahre auf einen regelrechten Siegeszug zurückblicken: Wichtige Finanzstandorte wie Japan, Großbritannien, Deutschland und Australien haben eine Allfinanzaufsicht eingeführt, andere wie die Schweiz planen eine solche zu errichten. In Lateinamerika und in der Karibik sind ebenfalls integrierte Finanzaufsichtsstrukturen verbreitet, so z.B. in Kolumbien, Nicaragua und Uruguay.3
1. Die künftige Organisation der nationalen Finanzmarktregulierung: Sektorale oder integrierte Aufsicht?
Auszug
Politikwissenschaftler sind sich einig, dass die sogenannte „Globalisierung“ den Nationalstaat vor neue Herausforderungen stellt.1 Jedoch ist umstritten, ob die Internationalisierung vieler Wirtschaftszweige tatsächlich seine Handlungsfähigkeit unterminiert. Es stellt sich die Frage, wie Nationalstaaten auf diese Entwicklung angemessen reagieren können und ob noch immer eine politische Gestaltung ihrer Wirtschaftspolitik nach einzelstaatlichen Prämissen und Traditionen möglich ist. In der Literatur werden zwei Richtungen vertreten — Konvergenz und Divergenz.
2. Das „Aufsichtsunternehmen“ FSA: Resultat umfassender Reformen am Finanzplatz London
Auszug
Unbestritten ist London der wichtigste Finanzplatz Europas98 und zweifelsohne ist es neben New York und Tokio eines der globalen Finanzzentren. Wird nach dem Kriterium der Größe, also der Marktkapitalisierung, geurteilt, liegt London weltweit nur auf dem dritten Platz, weit abgeschlagen hinter New York und auch noch deutlich hinter Tokio. Doch während die anderen beiden Finanzzentren ihre Bedeutung aus ihrer starken inländischen Volkswirtschaft ziehen und vorrangig den einheimischen Markt bedienen, dominiert London im internationalen Finanzgeschäft.99 So hatten im März 2004 287 ausländische Banken in London eine Niederlassung — soviel wie an keinem anderen Finanzplatz. London ist der größte internationale Versicherungsmarkt mit einem Gross Premium Income in Höhe von 25 Milliarden Pfund in 2003. Auch fällt etwa die Hälfte des Handels mit ausländischen Aktien auf London zurück. Dreiviertel der Europäischen Hedge Fonds wählen London als Firmensitz und auch das Investmentbanking ist neben New York fast ausschließlich an der Themse zu finden.100
3. Die Behörde BaFin: Modifiziertes Modell einer Allfinanzaufsicht
Auszug
Der „Finanzplatz Deutschland“ ist kein Synonym für das als „Mainhattan“ bekannte Frankfurt am Main. Anders als in Großbritannien, wo sich die Finanzindustrie eigentlich ausschließlich in der Londoner City und den Londoner Docklands niedergelassen hat, gibt es in Deutschland neben Frankfurt noch weitere regionale Finanzplätze. München, zum Beispiel, ist ein wichtiger Standort für die Versicherungswirtschaft205 und die Stuttgarter Börse hat sich als Handelsplatz für Zertifikate und Optionsscheine einen Namen gemacht.206 Doch Deutschlands Finanzplatz Nummer 1 ist unbestritten Frankfurt am Main. Hier haben die Europäische Zentralbank, die Deutsche Bundesbank, das Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS) und die Frankfurter Wertpapierbörse als wichtigste deutsche Börse ihren Sitz. Zudem ist Frankfurt der führende Standort für einheimische und ausländische Banken in Deutschland. Im Ausland ist Frankfurt als „Tor“ zum Finanzmarkt der größten nationalen Volkswirtschaft Europas sichtbar und hat sich zu einem internationalen Finanzplatz gemausert. Die deutsche Finanzmarktpolitik bemühte sich im letzten Jahrzehnt zunehmend, Frankfurt die Vorreiterstellung im europäischen Finanzbinnenmarkt zu ermöglichen, doch ist London stets eine Nasenlänge voraus.207
4. Vergleich der institutionellen Gestaltung der BaFin und der FSA aus Sicht der Praktiker
Auszug
Die Aufsichtsbehörde BaFin muss mit der Bundesbank, einigen Aufsichtsbehörden auf Länderebene, und anderen Aufsichtsorganen kooperieren. Die privatrechtliche FSA ist in ihrer Regulierungstätigkeit kaum zur Kooperation mit anderen Aufsichtsorganen gezwungen. Sie hat auch weitergehende Regulierungskompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten als die BaFin. So sind ihre legislativen Befugnisse weitreichender und sie kann auch privatrechtliche Strafen etwa im Falle von Insiderhandel und Marktmissbrauch verhängen.
5. Die BaFin und die FSA im Machtgeflecht der staatlichen Akteure
Auszug
Die BaFin und die Deutsche Bundesbank kooperieren in der Bankenaufsicht. Da die BaFin als eine bundesunmittelbare Anstalt keinen eigenen Unterbau in Form von Mittel- und Unterbehörden haben darf (Art. 87 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz), hat die Zusammenarbeit mit der Bundesbank und deren Hauptverwaltungen Vorteile: Auf diese Weise kann doch eine gewisse lokale Präsenz gegenüber den Kreditinstituten gezeigt werden.390 Schließlich sind im Gegensatz zu Großbritannien die deutschen Bankinstitute über die Fläche verteilt und sitzen nicht alle in Frankfurt. Gerade für die regelmäßigen Aufsichtsgespräche und Aufsichtsbesuche bei Banken ist diese räumliche Nähe vorteilhaft. Etwa 860 der 900 Mitarbeiter, die bei der Bundesbank im Bereich Bankenaufsicht arbeiten, sind daher in den Hauptverwaltungen tätig.391
6. Der Regulierer und die Regulierten: Interaktion der BaFin und der FSA mit den Marktteilnehmern
Auszug
Die Interaktion der BaFin mit den Marktteilnehmern soll hier aufgrund des begrenzten Umfangs der Studie an zwei der drei Finanzmarktsektoren - dem Banken- und Wertpapierwesen — erläutert werden. Die Arbeits- und Aufsichtskultur der drei sektoralen Säulen der BaFin haben sich noch nicht so weit angeglichen, dass wie bei der FSA eine sektorübergreifende Analyse sinnvoll wäre.
7. Fazit: Die BaFin und die FSA im Vergleich. Bestätigung der Konvergenzthese?
Auszug
Sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland bestand vor der Errichtung der Allfinanzaufsicht Unzufriedenheit mit der damaligen Aufsichtsorganisation. Ohne den Anlass eines Finanzskandals nahmen beide Länder eine Reform ihrer Aufsichtsorganisation in eine Allfinanzaufsicht vor. Die FSA und die BaFin üben beide die Aufsicht über alle drei Finanzsektoren aus. Damit sind die Zuständigkeiten der beiden, abgesehen von der Börsenaufsicht, sehr ähnlich zugeschnitten. Konvergente Entwicklungen in der nationalen Aufsichtsorganisation, also im Polity-Bereich, sind erkennbar.
Backmatter
Metadaten
Titel
Finanzaufsicht in Deutschland und Großbritannien
verfasst von
Lotte Frach
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90847-2
Print ISBN
978-3-531-15673-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90847-2