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19.09.2022 | Finanzcontrolling | Infografik | Online-Artikel

Zahlungsmoral in Deutschland schwindet

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Die Zahl der Unternehmen, die ihren Kunden Zahlungsfristen einräumen, ist rückläufig. Das ermittelte eine aktuelle Coface-Umfrage. Zugleich verzeichneten viele Betriebe und Branchen in den vergangenen zwölf Monaten eine nachlassende Zahlungsmoral ihrer Kunden. Ausnahmen gibt es nur wenige.

Laut dem aktuellen "Germany Corporate Payment Survey 2022" des Kreditversicherers Coface haben 71 Prozent der im Juli und August befragten 1.070 Unternehmen ihren Kunden in den vergangenen zwölf Monaten Zahlungsziele eingeräumt. Im Vorjahr waren es noch 74 Prozent. Das liegt vor allem an Betrieben, die vorwiegend Inlandsgeschäft betreiben. Von diesen bieten nur noch 68 Prozent ihren Käufern oder Auftraggebern eine Frist an, innerhalb der eine Rechnung beglichen werden muss. Unter den exportorientierten Firmen sind es hingegen 81 Prozent. "Man möchte ausschließen, dass die Rechnung den Kunden schneller erreicht als die Ware", erläutert Coface-Volkswirtin Christiane von Berg.

"Die Unternehmen bleiben wachsam und versuchen nach wie vor, möglichst früh an ihr Geld zu kommen", konstatiert die Ökonomin. Dabei nutzen deutsche Unternehmen in der Regel kurze Zahlungsfristen. So fordern im laufenden Geschäftsjahr 90 Prozent der Befragten ihr Geld innerhalb von 60 Tagen. Die durchschnittliche Lieferantenkredit-Laufzeit beträgt wie bereits im Vorjahr 33 Tage. Zum Vergleich: In China betrug die Zahlungsfrist bei der letzten Befragung im Schnitt 77 Tage.

Zahlungsziele variieren branchenbedingt deutlich

"Gerade die Papier- und Verpackungsindustrie hat als ohnehin energieintensive Branche auch mit gestiegenen Rohstoffpreisen, beispielweise für Holz, Kartonagen oder Altpapier zu kämpfen, wie die Insolvenz des Toilettenpapierherstellers Hakle verdeutlicht. Hier möchte man jetzt offenbar die eigene Liquidität früher sicherstellen", so von Berg. Die Branche kürzte die Zahlungsfrist - wie übringens auch der Groß- und Einzelhandel - um sechs Tage. 

Deutlich mehr Zeit können sich Kunden von Unternehmen aus dem Bereich Agrar- und Lebensmittel lassen. Hier verlängerte sich die Zahlungsfrist um mehr als eine Woche auf 36,2 Tage. Die mit Abstand großzügigste deutsche Branche ist der in die Auswertung erstmals analysierte Finanzsektor mit 67 Tagen.

Zahlungsmoral bei Pharma und Chemie am schwächsten

Die Zahlungsmoral von Kunden deutscher Firmen hat sich 2022 wieder verschlechtert. Im Vorjahr meldeten nur 59 Prozent der Befragten Zahlungsverzögerungen - nach 68 Prozent im Jahr 2020. Aktuell geben 65 Prozent an, in den vergangenen zwölf Monaten betroffen gewesen zu sein. Das gilt immerhin für zehn der 13 untersuchten Branchen. Nur Betriebe der Textil- und Bekleidunsindustrie sowie die Holzbranche melden rückläufige Zahlen. Bei ersterer sind 61 Prozent (minus neun Prozent), bei letzterer 57 Prozent (minus ein Prozent) betroffen. 

"Dennoch ist die Zahlungsmoral insgesamt weitaus besser als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. 2019 berichteten noch 82 Prozent der befragten Unternehmen von Zahlungsverzögerungen", betont von Berg. Aktuell klagen im Pharma-Chemie-Sektor 76 Prozent der Unternehmen über mangelde Zahlungsdisziplin. Das ist ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zu 2021 und damit der Spitzenplatz im Ranking. 

Unternehmen blicken pessimistisch in die Zukunft

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Perspektive waren die Unternehmen noch nie so pessimistisch: Für das kommende Jahr gehen 38 Prozent der Umfrageteilnehmer von einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage aus. Nur 14 Prozent äußerten sich optimistisch. Das ist ein Minus von 24 Prozent. Die restlichen Unternehmen haben derzeit noch eine neutrale Haltung. 

Doch muss die deutsche Wirtschaft nach der mehr als zwei Jahre andauernden Corona-Krise nun auch die massiven wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs bewältigen, die Deutschland in eine Rezession führt. So haben immerhin 30 Prozent der Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten staatliche Corona-Hilfen in Anspruch genommen. 2021 waren es 48 Prozent. Sie nutzten am häufigsten das Kurzarbeitergeld (75 Prozent). Im Vergleich zu 2021 wurden zudem mehr KfW-Kredite nachgefragt (29 Prozent, plus 7,8 Prozent) und auch die Überbrückungshilfen des Bundes wurden deutlich häufiger genutzt. 

"Im Falle der KfW-Darlehen gibt es maximal zwei tilgungsfreie Jahre, bevor das Unternehmen mit der Rückzahlung des Darlehens beginnen muss. Das bedeutet, dass für viele Unternehmen die Rückzahlungszeit jetzt beginnt, wo die wirtschaftlichen Aussichten sehr pessimistisch sind. Dies könnte zu einem spürbaren Anstieg der Zahlungsverzögerungen im Jahr 2023 führen", betont Volkswirtin von Berg.

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