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27.11.2019 | Finanzcontrolling | Schwerpunkt | Online-Artikel

Zahlungsmoral in Deutschland wird 2020 sinken

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Noch steht es gut um die Zahlungsmoral in Deutschland, zeigt die BDIU-Umfrage für den Herbst 2019. Als Folge der schwachen Konjunktur prognostizieren die Inkassounternehmen für das kommende Jahr aber eine Trendwende.

Aktuell kommen deutsche Verbraucher und Unternehmen ihren Zahlungsverpflichtungen nach, vermeldet der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU). In seiner Herbst-Befragung haben 55 Prozent der Inkassounternehmen geantwortet, dass Rechnungen derzeit genauso gut wie im vergangenen Jahr bezahlt werden. Vor allem die Verbraucher zeigen sich der Erhebung zufolge als zahlungskräftig und konsumfreudig. Deren Zahlverhalten habe sich sogar leicht verbessert, wie 23 Prozent der Inkassodienstleister melden. Für gewerbliche Schuldner bestätigen das nur 18 Prozent.

Für die Zukunft erwartet mit 59 Prozent jedoch eine Mehrheit der Inkassounternehmen eine Verschlechterung der Zahlungsmoral. Das wäre das erste Mal in zehn Jahren. Die Gründe sind vor allem schlechte Wirtschaftsdaten, Exporthemmnissen, etwa durch den Brexit, und neuen Gesetzesregulierungen zugunsten von Schuldnern.

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Sicherung gegen Forderungsausfälle

Lieferantenkredite stellen in jedem einzelnen Fall, aber auch in Summe, für die Lieferanten ein Risiko dar, es besteht das Risiko, die kreditierten Beträge nicht zurückzuerhalten. Ausfallrisiken, die der Lieferant – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst tragen kann oder tragen will, bedürfen der Absicherung, damit die Existenz des Unternehmens gewährleistet bleibt. 

Online-Handel leidet unter jungen Schuldnern

Wie die Befragung zeigt, lauern die Zahlungsprobleme im Detail: Junge Konsumenten zwischen 18 und 24 Jahren stehen zunehmend bei Online-Händlern und Telekommunikationsdienstleistern in der Kreide, geben 89 beziehungsweise 80 Prozent der Inkassounternehmen an. Ältere Menschen haben hingegen eher bei Banken und Kreditinstituten Schulden. 

Die größte Schwierigkeiten mit schlechter Zahlungsmoral hat aktuell der Online-Handel, zeigt die Umfrage. 54 Prozent der Inkassounternehmen berichten, dass E-Commerce-Kunden es mit ihren Rechnungen besonders locker nehmen. Ebenfalls betroffen sind

  • Energieversorger (38 Prozent),
  • Vermieter (37  Prozent),
  • das Handwerk (36 Prozent),
  • Fitnessstudios (34 Prozent), 
  • Dienstleistungsbranche allgemein (28 Prozent), 
  • Gesundheitswesen (27 Prozent), 
  • Telekommunikationsanbieter (27 Prozent) 
  • und Baugewerbe (19 Prozent). 

Viele Verbraucher warten auf schnellere Restschuldbefreiung

Gaben die Inkassounternehmen noch vor einigen Jahren die Arbeitslosigkeit als größtes Zahlungshindernis der Verbraucher an, so nennen heute 73 Prozent ein sorgloses und unüberlegtes Konsumverhalten als Ursache für eine laxe Zahlungsmoral. Zweithäufigster Grund, Rechnungen nicht zu begleichen, ist die Überschuldung, sagen 60 Prozent der Befragten.

Dennoch nehme die Zahl der Privatinsolvenzen aktuell weiter ab. Für dieses Jahr erwartet der BDIU 66.000 Verfahren nach rund 67.600 im Jahr 2018. Durch den hohen Überschuldungsgrad könnten die Zahlen jedoch auch anders aussehen. "Es gibt einen großen Rückstau bei den Beratungsstellen", berichtet BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd. Der Grund: Justizministerin Christine Lambrecht will die Verfahrenslaufzeiten zur Restschuldbefreiung von jetzt sechs auf künftig drei Jahre halbieren. Auf dieses neue Gesetz hofften viele Überschuldete und warteten deshalb mit einem Insolvenzantrag.

Nichtzahler schwächen Unternehmen

Gewerbliche Schuldner haben vor allem dann eine schlechte Zahlungsmoral, wenn sie von Nichtzahlungen ihrer eigenen Kunden betroffen sind, sagen 72 Prozent der befragten Inkassounternehmen. Die eigene Überschuldung oder Insolvenz fallen hingegen kaum ins Gewicht. Nur 30 Prozent der Befragten beobachten diese als Grund für ausbleibende Zahlungen bei Unternehmen (2018: 39 Prozent). Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen bleibt insgesamt niedrig. Sie wird sich bis Jahresende bei rund 19.500 Fällen etwa auf dem Vorjahresniveau einpendeln, glaubt der BDIU.

Um sich selbst besser vor Zahlungsausfällen zu schützen, brauchen Unternehmen ein geeignetes Risikomanagement. So ziehen immer mehr Mittelständler ein Outsourcing ihres Forderungsmanagements in Betracht. Dies bestehe darin, bestimmte Leistungen bei einem Anbieter, der diese wirtschaftlicher und effizienter ausführt, einzukaufen und die entsprechenden Aufgaben nicht mehr selbst durchzuführen, erläutert Thomas Schneider im Buchkapitel "Forderungsmanagement im Mittelstand – Outsourcing als sinnvolle Lösung zur Fokussierung auf die eigene Kernkompetenz" (Seite 311 f.)  

Für Unternehmen stellt der Aspekt der Kostenreduktion häufig ein Motiv zur Verschlankung der eigenen Unternehmensstrukturen dar und es erfolgt zugleich eine Konzentration auf die Kernkompetenzen des eigenen Unternehmens. Neben der Nutzung von Kostensenkungseffekten wird aber auch die Qualität der eingekauften Leistung, aufgrund der Spezialisierung des externen Anbieters, steigen", nennt der Springer-Autor die Vorteile der Auslagerung des Forderungsmanagements. 

Wurde bisher das Outsourcing von Dienstleistungen hauptsächlich als ein Instrument zur Kostensenkung gesehen, so werde es heute zunehmend auch zur Restrukturierung von Geschäftsaktivitäten und zur Neupositionierung am Markt genutzt. Dies steigere zusätzlich die Flexibilität von Unternehmen.

Zahlungsmoral der Öffentlichen Hand besonders schlecht

Doch trotz aller Absicherung gegen Forderungsausfällen bleibt es problematisch, wenn der Staat als Schuldner seine Rechnungen nicht begleicht. So geben 89 Prozent der Inkassodienstleister an, dass das Zahlungsverhalten öffentlicher Auftraggeber sehr unzufriedenstellend ist. "Die Einnahmen durch Steuern und Abgaben sind gut, das Geld ist also da. Teilweise fehlt schlicht das Personal in den Behörden, um Aufträge abzunehmen und Rechnungen freizugeben. Es kann aber nicht sein, dass Handwerker oder Baubetriebe ein halbes Jahr oder länger auf das Geld aus öffentlichen Aufträgen warten müssen, gleichzeitig aber die Finanzämter sofort die Vorsteuer aus diesen Verträgen kassieren“, kritisiert BDIU-Chefin Pedd. Manchen Auftragnehmer treibe dies sogar in die Insolvenz. Das sei ein Skandal.

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