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01.02.2017 | Fintechs | Kolumne | Online-Artikel

"Traditionelle Banken und Sparkassen stehen am Scheideweg"

verfasst von: Frank Schwab

3:30 Min. Lesedauer

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Viele sind der Meinung, dass Geldautomaten eine der größten, technisch getriebenen Innovationen im Retail-Banking der letzten Jahrzehnte sind. Fintech-Experte Frank Schwab sieht da eher die Internetbanken, die sich ab 1995 entwickelt und inzwischen fest im Markt etabliert haben. 

Allein die ING-Diba konnte seit dem Jahr 2002 etwa sieben Millionen neue Bankkunden gewinnen, das eigene Kreditvolumen von 4,6 auf 98 Milliarden Euro steigern und im Jahr 2015 einen Gewinn von über einer Milliarde Euro erzielen. Dieses Geschäft hat die ING-DiBa den bisher aufs Filialgeschäft konzentrierten, traditionellen Banken und Sparkassen abgerungen. Erfolgstreiber waren unter anderem 

  • die Konzentration auf wenige Produkte, 
  • höchstmögliche Prozessautomatisierung und 
  • herausragend wahrgenommener Kundenservice. 

Teambank, DKB, GLS Bank und Comdirect sind weitere Erfolgsbeispiele der ersten Internet-Welle im Retail-Banking in Deutschland, genauso wie die "Autobanken"  von BMW, Mercedes und VW.

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Aber, nicht alle internetbasierten Geschäftsmodelle im Retailbanking der ersten Welle waren erfolgreich. Online-Broker wie Consors, Maxblue und die DAB Bank konnten beispielsweise kein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell etablieren. Gründe dafür sind meines Erachtens wesentliche Fehler in der Preisgestaltung. Die Online-Broker hatten vor allem Preisdumping betrieben, statt sich über Kundenservice und Benutzerfreundlichkeit gegenüber den traditionellen Anbietern zu differenzieren.

Die zweite Internet-Welle kommt

Heute können wir die zweite Internet Welle hautnah miterleben. Täglich erreichen uns Meldungen zu Fintech-Neugründungen, -Investitionen und -Kooperationen mit jungen Finanztechnologieunternehmen. Mehr als 400 Fintechs haben sich in den vergangenen vier Jahren in Deutschland gegründet und bieten sehr gezielt den traditionellen Banken und Sparkassen überlegene Produkte mit überlegener Benutzerfreundlichkeit und deutlich besseren Kostenstrukturen an.

Das Crowdfinance-Unternehmen Kapilendo konnte beispielsweise für den Berliner Fussball Erstligisten Hertha BSC eine 1-Millionen-Euro-Finanzierung in neun Minuten und 23 Sekunden an einem Samstagnachmittag erfolgreich durchführen. Die Kryptowährung Bitcoin pendelt sich bei einem Kurs von über 800 Euro ein und war im Jahr 2016 die Währung mit dem weltweit größten Wertzuwachs. Mit N26 und O2/Fidor Bank etablieren sich zurzeit mindestens zwei reinrassige Mobile-Banking-Anbieter, die neue Maßstäbe hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit setzen. Zur gleichen Zeit versprechen die Robo-Berater Cashboard und Niiio höchste Transparenz, Einfachheit und niedrige Preise bei der Geldanlage. Und bisher kaum beachtet revolutionieren die hoch spezialisierten FinTechs Mambu, Solaris Bank und Fidor mit Cloud, API und Plattformen dem modernen Bankgeschäft zugrundeliegende Basistechnologien. 

Das ist insofern interessant, weil Deutschland in diesem sehr speziellen Segment inzwischen ganz heimlich die weltweite Innovationsführerschaft übernommen hat. In keinem anderen Land und keinem anderen Finanzzentrum gibt es ein solch breit gefächertes Angebot, das bereits vielfach Anwendung findet.

Alles nur Hype?

Fintech – alles nur Hype? – nein, allein in 2016 wurden weltweit mehr als 36 Milliarden US-Dollar in Fintechs investiert. Die Bankenindustrie befindet sich jetzt in dem seit vielen Jahren erwarteten massiven Umbruch, denn die Rahmenbedingungen haben sich inzwischen grundlegend verändert. Neue Technologien sind reif, das Kundenverhalten hat sich verändert und die steigenden regulatorischen Anforderungen, wie auch die Zinsentwicklung, werden sich auf absehbare Zeit auf neuen Niveaus halten.

Die Fintechs haben sich darauf im Vergleich zu den etablierten Bankdienstleistern bereits eingestellt. Das sieht man beispielsweise an den folgenden KPIs: So erzielen einige Fintechs erzielen IT-Kosten pro Nutzer pro Jahr von weniger als zehn Euro und Neukundengewinnungskosten zwischen acht und 25 Euro. Damit bewegen sich einige der Start-ups bald auf Augenhöhe zu den großen Social-Media- und E-Commerce-Playern wie Facebook und E-Bay. Dagegen haben viele traditionelle Banken und Sparkassen noch IT-Nutzerkosten pro Jahr und Neukundengewinnungskosten von jeweils höher als 100 Euro. Derartige Kostenstrukturen sind inzwischen nicht mehr wettbewerbsfähig.

Deshalb stehen die traditionellen Banken und Sparkassen am Scheideweg. Entweder passen sie sich sehr schnell der neuen Realität an und erneuern radikal ihre Produkte, Prozesse, IT und Kostenstrukturen oder sie werden sich zu Nischenanbietern, reinen Infrastrukturanbietern, wie die Telekommunikationsunternehmen entwickeln. Oder ganz vom Markt verschwinden. 

Fazit: Erfolgreich im Retail Banking wird derjenige Finanzdienstleistungsanbieter sein, der neue Produkte mit höchster Benutzerfreundlichkeit und zusätzlichem Kundennutzen mit neuen, hocheffizienten IT- und Prozess-Strukturen anbietet.

Weitere Kolumnen von Frank Schwab:
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