Der jüngste World Retail Banking Report 2017 von der Unternehmensberatung Capgemini und der internationalen Netzwerkorganisation von Banken und Versicherungsunternehmen, Efma, zeigt, dass die Zusammenarbeit im Open Banking von Geldhäusern und anderen Finanzpartnern, beispielsweise Fintechs, für beide Seiten ein Gewinn sein kann. Die zugrunde liegenden Programmierschnittstellen, so genannte Application Programming Interfaces (API), können maßgeblich für den Erfolg künftiger Kundeninteraktionen der Banken als Finanzintermediäre werden. Auf Basis von API in der Bankarchitektur könnten die erfolgreichsten Geldinstitute "neue Ertragspotenziale generieren und mehr Informationen erhalten, während sie gleichzeitig das Kundenerlebnis verbessern", sagt Vincent Bastid, Generalsekretär der Efma. Das Zusammenspiel bei API-Modellen zeigt die nachstehende Grafik.
Bastid beobachtet, dass einige frühe Nutzer von API bereits proaktiv agieren und ihre Systeme und Datenbestände im Open Banking für Drittanbieter öffnen und neue Umsatzerlöse generieren. Kreditinstitute nutzen API bereits für die Informationsverarbeitung zwischen ihren internen IT-Systemen. Mithilfe branchenübergreifender Plattformstrategien in Kooperation mit Start-ups in der Finanztechnologie könnten sie aus dem Ertragsengpass des Retailbankings herauskommen, glauben Branchenexperten.
Banken als Produktlieferant, Fintechs als Vertriebspartner
Laut der Studie sehen 53,8 Prozent der Fintechs und 43 Prozent der Kreditinstitute im Open Banking eine Zukunft für solche Plattformen und sich ergänzende Dienstleistungen. Dabei profitieren beide Seiten vor allem, wenn sie ihr jeweiliges Know-how einbringen. Laut Capgemini bereiten APIs den Weg für Banken zu digital verknüpften Ökosystemen, in denen sie die Führung übernehmen müssen, um im Markt in der Schlüsselrolle zu bleiben. An den Willen zur Zusammenarbeit glauben 91,3 Prozent der Führungskräfte aus 126 befragten Kreditinstituten und mehr als drei Viertel der Fintechs.
Doch welche Rolle nehmen die Kreditinstitute und Fintechs jeweils ein? Banken könnten künftig vor allem Produkte und Services anbieten, sie punkten mit Ressourcen und Erfahrung in der Kundenbeziehung. Die agilen, kundenzentrierten Start-ups könnten hingegen vorwiegend den Vertrieb über ihre neuen, offenen Plattformen übernehmen. Ansätze zeigen sich vor allem im Kreditgeschäft, im Zahlungsverkehr und bei der Authentifizierung. Wobei für Banken zwar sinkende Vertriebskosten, eventuell aber ein Verlust ihrer Markensichtbarkeit die Konsequenz sein könnte. Das sehen etwas weniger als die Hälfte der Fintechs, aber nur 28,8 Prozent der Banken so.
Verdienen können Banken bei API-Modellen aus Sicht der befragten Bankentscheider beispielsweise über indirekte Anteile an Ertragserlösen, direkte Transaktionsgebühren, Lizenz- oder Servicegebühren.
Viele Unternehmen am Markt verstehen, dass Open Banking die neue Realität ist. Aber sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen."
Klaus-Georg Meyer, Leiter Business & Technology Consulting, Capgemini
Geldinstitute müssen allerdings ihre eigene Rolle im Open Banking erst noch finden, so die Experten von Capgemini. Auch Professor Leif Erik Wollenweber und Jim Ruble, Mitautoren des Springer-Buchs "Banking & Innovation 2017", verweisen in ihrem Kapitel "Chancen und Sackgassen des klassischen Retailbankings" darauf, dass Kreditinstitute einen Richtungswechsel vornehmen müssen. Sie müssten Kundenzentrierung konsequent in Produkt-, Vertriebs- und Prozessgestaltung umsetzen. Doch "nach wie vor werden Konsumenten vornehmlich als Objekt der Deckungsbeitragsrechnung betrachtet", zitieren sie Axel Liebetrau und den Herausgeber des Buchs, Martin Seidel. Das Innovationsstreben nach neuen digitalen Angeboten ende meist recht jäh "am Zaun der Vorgaben der bankinternen Prozesse und IT-Strukturen", so Wollenweber/Ruble. Nach dem "Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur" gehört vor allem der Ausbau der Netzwerkfähigkeit und Virtualität von Banken sowie die nötige Transformationskompetenz der Geldhäuser dazu, damit neue digitale Banking- und kundenzentrierte Plattformmodelle gelingen.