Die Mehrheit der Finanzdienstleister ist in der neuen Realität angekommen. Einer weltweiten Umfrage der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) zufolge haben neun von zehn Kreditinstituten und Versicherer sich zwar damit abgefunden, dass sie Marktanteile an Fintechs verlieren werden. Doch sie erkennen auch die Chance, durch den Schulterschluss mit jungen Technologieunternehmen zu profitieren: In Deutschland arbeiten bereits sieben von zehn Banken und Versicherungsunternehmen mit Fintechs. Einen Grund nennt Jörg Sandrock, Partner bei Strategy&, Teil des PwC-Netzwerks: "Fintechs schaffen digitale Ökosysteme, die die Nutzung enormer Datenmengen ermöglichen und neue, vertrauensvolle Kundenbeziehungen aufbauen. Finanzdienstleister sind dabei, dieses enorme Potenzial zu nutzen und davon zu profitieren." 77 Prozent aller etablierten Unternehmen wollen in Zukunft deutlich mehr Gewicht auf Innovation legen. Im Versicherungsbereich nutzen Fintechs zum Beispiel wiederum "simpel und intuitiv Versicherungsprodukte und Services mit perfekter Qualität in den Kern-Features", zitiert Bernhard Rudolf, Chefredakteur Versicherungsmagazin, in seinem Beitrag "Was Versicherer von Fintechs lernen können" (Ausgabe 2/2017, Seite 26) Dr. Jan Malmendier, Leiter Betriebsorganisation der Allianz Deutschland für die Strategie der Insurtechs.
Nicht nur der Zahlungsverkehr ist Gewinner
Nicht nur der Payment-Sektor ist Gewinner der disruptiven Marktveränderungen. Zahlen des Fintech-Reports 2017 von PwC belegen, dass in den vergangenen zwei Jahren weltweit eine Milliarde US-Dollar in Fintechs investiert wurde, bei denen künstliche Intelligenz im Fokus der Entwicklung steht. 450 Millionen US-Dollar flossen 2016 in Finanz-Start-ups, die sich auf Blockchain-Technologie spezialisiert haben. Um das Kundenerlebnis ihrer Abnehmer zu verbessern, engagieren sich Finanzdienstleister vor allem bei der Integration neuer Technologien in ihre bestehenden Systeme. Zu diesen gehören laut PwC etwa Data und Analytics oder verschiedene mobile Technologien.
Darüber hinaus glauben
- 60 Prozent aller Finanzdienstleister, dass ihre Kunden bei Personal Finance-Themen auf Fintechs vertrauen,
- 56 Prozent tun dies bei Ratenkrediten,
- 49 Prozent bei Sparprodukten sowie
- jeweils 38 Prozent bei Versicherungs- und Anlagethemen.
Aufgeholt haben die jungen Innovationstreiber ihrerseits bei der ungeliebten Regulierung: Bereits 230 Start-ups konzentrieren sich als Regtechs laut PwC auf die Unterstützung von etablierten Banken und Versicherern in diesem Bereich und bei Compliance.
Matthias Kröner, Vorstand der Fidor-Bank und Springer-Autor des Buchkapitels "Best of Both Worlds: Banken vs. FinTech?", glaubt, dass sowohl Fintechs von Banken lernen können als auch umgekehrt. Gerade bei intelligenten Technologien sei bei den Banken noch nicht angekommen, dass diese nicht nur der Kostensenkung oder Prozessoptimierung dienen, sondern vielmehr direkt dem Nutzen des Kunden. Den Geldhäusern bescheinigt Kröner: Wer unter ihnen sich den "neuen technologischen Möglichkeiten im Windschatten der Digitalisierung" verschließe, werde vom Markt verschwinden.
Gründer rücken immer näher an Geldhäuser heran
Auch die Gründer nähern sich vor allem den Kreditinstituten immer stärker an. Das zeigt eine Bilanz von Bankmagazin: Demnach zeigen sich nicht nur deutsche Kreditinstitute gegenüber Kooperationen mit den Start-ups zunehmend aufgeschlossen. Auch alle so genannten "Fintechs des Monats", die die Fachzeitschrift im Laufe von 2016 vorgestellt hat, konnten sich am Markt etablieren. Unter den erfolgreichen Start-ups waren beispielsweise international tätige Unternehmen wie das südafrikanische Unternehmen Entersekt mit einer Applikation zur Authentifizierung von Finanztransaktionen. In Deutschland arbeitet es mit der Sparkassen-Gruppe zusammen. Oder die Online-Plattform Zinspilot und Bilendo, das seit Anfang 2017 ein Tool für automatisierte Mahnverfahren anbietet, sowie der Robo Advisor Whitebox.
Mehr zu Trends und Entwicklungen bei Fintechs bietet die dritte Konferenz für Finanztechnologie von Bankmagazin und dem Center for Financial Studies der Goethe-Universität in Frankfurt am Main am 13. September 2017. Unter den Top-Referenten ist auch Victor Tiberius, Autor des Auftaktbands der neuen Springer-Buchreihe Edition Bankmagazin. Mehr zum Buch erfahren Sie hier.