Das mobile Internet und andere Technologien haben einen Prozess losgetreten, der die Art und Weise, wie Menschen künftig ihre Finanzen managen, nachhaltig verändern wird. Fintechs bieten smarte Lösungen für unterbediente Kundenbedürfnisse, eine bessere Customer- und User-Experience bei bekannten Produkten oder niedrigere Preise für bestimmte Dienstleistungen. Damit ernten die Neuen viel Beifall. Sie genießen in der Öffentlichkeit ein Image irgendwo zwischen "Daniel Düsentrieb", "Robin Hood" und "neues Apple". In den Medien werden sie als elementare Bedrohung für die bestehende Bankenlandschaft präsentiert.
Warum der Wandel nicht so dramatisch ist
Aber ist diese Sichtweise eigentlich richtig? Sind die Veränderungen im Finanzmarkt wirklich so dramatisch? Und wird die Finanzbranche durch den aktuellen technologischen Wandel tatsächlich genauso fundamental umgewälzt, wie vergleichsweise die Musikindustrie durch Spotify?
Drei Kernthesen, warum dies nicht zwangsläufig so kommen muss:
These 1: Fintechs sind nicht wirklich disruptiv. Sie haben bislang kein aus Kundensicht elementar neues Angebot geschaffen. Oft geht es um reinen Service und ein besseres Kundenerlebnis rund um bekannte Produkte. Das kostenlose Girokonto mit Kreditkarte gab es schon. Neue Geschäftsmodelle wie Peer-to-Peer-Lending sind zwar innovativ, aber am Ende erhält der Kunde einen Kredit, wie er ihn auch von einer etablierten Bank bekommen hätte.
These 2: Fintech-Innovationen sind leicht kopierbar: Die jungen Start-ups schaffen neue transparente, informative und effiziente Anwendungen und optimieren so den Kundennutzen. Doch diese Innovationen können von anderen Anbietern leicht kopiert und dann im eigenen Gewand am Markt angeboten werden.
These 3: Fintechs haben keine starken, vertrauensvollen Marken. Die Masse der heutigen Kunden möchte ihre Finanzen nicht unbekannten Start-ups anvertrauen, von denen sie nicht einmal wissen, wer genau dahintersteckt und wie lange die Newcomer sich überhaupt am Markt behaupten können.
Wie aber reagieren die Großbanken auf die aktuellen Veränderungen am Markt? Die traditionellen Geldinstitute kaufen erfolgversprechende Fintechs, stellen ihnen Kapital zur Verfügung oder kooperieren eng mit Ihnen. Denn die kleinen Unternehmen können flexibler agieren, enwickeln schneller und günstiger einen ersten innovativen Prototyp, als dies einer trägen Großorganisation möglich ist. Ein noch nicht vollständig ausgereifter Beta-Start, das Lernen durch Fehler ist hier möglich, ohne einen massiven und teuren Imageschaden an einer etablierten komplexen Finanzmarke zu riskieren. Sobald aber klar ist, wohin die Reise geht und man verstanden hat, was technisch möglich und kundenseitig gewollt ist, werden Banken die neuen Konzepte, die bessere Customer Experience oder das neue Geschäftsmodell einfach assimilieren. Sie übernehmen die Innovationen unter eigenem Label. Das Fintech war der kreative Ideengeber und das Testlabor, doch als Unternehmen könnte es irgendwann nicht mehr existieren.
Was die Finanzbranche Fintechs verdankt
Den Fintechs ist es zu verdanken, dass wieder Dynamik in einen etwas eingeschlafenen Wirtschaftssektor gekommen ist. Die Kunden profitieren davon. Die etablierten Großbanken brauchen sich vor der "Daniel Düsentrieb"-Seite der jungen Finanztechnologieunternehmen aber nicht zu fürchten, wenn sie die neuen Konzepte rechtzeitig aufnehmen und für sich nutzbar machen. Potenzielle Gefahr für die Platzhirsche droht jedoch aus einer ganz anderen Richtung: Mit den Digital Natives der Generationen Y und Z entsteht ein neuer Kundentyp, für den Virtualität normal ist und den behäbige Großbanken eher abschrecken.
Wenn einzelne Fintechs es schaffen, das ihnen heute zugemessene Potenzial zu pflegen und mit modernen Mitteln eine nachhaltige Marke aufzubauen, dann könnte eine Dynamik entstehen, die ihnen eine dauerhafte Existenzgrundlage verschafft. Dann entstünde tatsächlich erstmals außerhalb etablierter Strukturen eine über das moderne Nutzererlebnis hinausgehende, ganz neue Kategorie von Finanzdienstleistern.