Christian Rieck ist Professor für Finance an der Frankfurt University of Applied Sciences und forscht zur Zukunft der Finanzbranche.
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Um zu verstehen, weshalb das so ist, betrachten wir die etwas vereinfachte Situation, in der sich ein Investor aus der Finanzbranche befindet. Um sie zu erläutern, arbeite ich hier mit fiktiven Zahlen. Dabei geht es nicht um konkrete Werte, sondern nur um das Prinzip dahinter.
Die Ausgangslage
Unser Fintech-Investor hat zwei Möglichkeiten: Er kann sein Investitionsbudget mehr oder weniger klassisch einsetzen und bekommt dann verhältnismäßig sicher einen Gewinn von 1 (beispielsweise eine Million oder eine Milliarde, ganz nach persönlichem Geschmack). Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn man eine App entwickelt, die ins bestehende Geschäft passt, alles etwas besser macht als bisher, aber nicht das Geschäft revolutioniert.
Möglichkeit 2: Der Investor investiert in einen radikal neuen Ansatz, der im besten Fall das Geschäftsmodell der gesamten Finanzbranche umkrempelt und der dann das neue Fintech-Microsoft werden kann. Sagen wir, hierbei verliert er entweder seine Investition in Höhe von 2 oder er bekommt einen Gewinn von 1.000, falls er auf die richtige Idee gesetzt hat.
Das Konzept und seine Probleme
Unser Investor überlegt sich nun folgendes: Selbst wenn die Fintech-Idee eine sehr kleine Wahrscheinlichkeit hat erfolgreich zu werden, sollte er es versuchen, weil der potenzielle Maximalgewinn so hoch ist. In unserem Zahlenbeispiel genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit von etwa 0,2 Prozent, damit sich die ganze Sache lohnt. Und schon ist die Investition getätigt.
Aber es gibt ein Problem. Denn genau die gleiche Überlegung machen die meisten anderen Investoren auch – und investieren ebenfalls. Je mehr dies aber tun, desto geringer sind die Erfolgsaussichten jedes einzelnen Projekts. Denn die Monopolauszahlung nach Art von Microsoft entsteht ja dadurch, dass eines der neuen Unternehmen riesig werden kann und dann fast den gesamten Markt einnimmt. Da dies aus logischen Gründen nur einem Unternehmen gelingen kann, müssen zwangsläufig immer mehr scheitern, je mehr es versuchen.
Wagemut wird belohnt
Soll man es deshalb lieber gleich bleibenlassen? Keineswegs. Denn je weniger es versuchen, desto mehr lohnt es sich für die Wagemutigen. Es wird sich hier ein Gleichgewicht einstellen, in dem es so viele versuchen, dass es sich gerade noch lohnt.
Natürlich ist mein Modell ein wenig zu einfach: Es tut so, als gäbe es nur den allumfassenden Erfolg oder den Total-Flop. In der Realität gibt es viele Graustufen dazwischen und viele Möglichkeiten, erfolgreich zu sein. Aber das Prinzip bleibt bestehen: Im Gleichgewicht lohnen sich Fintech-Investitionen nicht mehr als andere, klassische Investitionen; und die Floprate wird erheblich sein.
Ich bin sicher, dass wir aus diesem Grund demnächst immer öfter von gescheiterten Fintechs hören werden. Und es wird sich die Interpretation aufdrängen, Fintech sei eine große Blase. Das ist aber nicht der Fall. Sondern Fintech wird in seiner Gesamtheit die Bankenwelt auf den Kopf stellen – es werden aber wenige Fintechs sein, denen das gelingt, und wir wissen am Anfang nicht, wer dies ist. Daher werden hier riesige Investitionssummen versenkt werden. Doch verrückterweise ist es vernünftig, genau das zu tun.
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