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2019 | Buch

Flucht und Migration in Europa

Neue Herausforderungen für Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften

herausgegeben von: Dr. Oliver Hidalgo, Prof. Dr. Gert Pickel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Politik und Religion

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Über dieses Buch

Dieser Band beschäftigt sich mit dem neuen Bereich der Verbindung zwischen Fluchtbewegungen, Geflüchteten und Religion. Dies impliziert Fragen, ob Religion eine Integrationsressource in den Aufnahmegesellschaften darstellt oder sich als Hemmnis für eine erfolgreiche Integration erweist. Dabei kommt politischen wie religiösen Institutionen eine große Bedeutung zu. Diese wird im Buch aus unterschiedlichen Perspektiven und unter Nutzung neuen empirischen Materials beleuchtet.
Der InhaltAuswirkungen der Flüchtlingskrise auf das Verhältnis von Politik und Religion ● Demokratien in Bewegung ● Religiös-kulturelle Aspekte sozialer Integration ● Die Wahrnehmung des Weltjugendtags 2016 in deutschen Medien ● CDU und CSU zwischen Macht und Werten ● Konfliktpartnerschaft zwischen konfessionellen Wohlfahrtsverbänden und dem Staat ● Muslimische Gemeinden in der Flüchtlingsarbeit ● Muslimische Verbände in der Flüchtlingsarbeit als „Kulturdolmetscher“● Konfliktfeld Flüchtlingspolitik ● Religiöse Hintergründe der Flüchtlingshilfe ● PEGIDA und der „religiöse Musikalitätsmangel“ ● Der Flüchtling als Muslim? ● Migration und Entwicklung von Wertorientierungen unter Berücksichtigung der Religion
Die HerausgeberDr. Oliver Hidalgo ist Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Regensburg.Dr. Gert Pickel ist Professor für Religions- und Kirchensoziologie an der Universität Leipzig.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Neue Herausforderungen für Religion und Religionspolitik durch Flucht- und Migrationsbewegungen?
Zusammenfassung
Die Flucht- und Migrationsbewegungen nach Deutschland und Europa, die spätestens seit 2015 die öffentliche Debatte beherrschen, haben nach einem anfänglichen Fokus auf die Probleme des ,Krisenmanagements‘ und dessen normative Grundlagen mittlerweile längst grundsätzlichere politische Fragenstellungen aufgeworfen bzw. zum Teil auch wiederbelebt: Darf oder muss ein demokratischer Staat Grenzen so definieren, dass Mitgliedschaft und Zugehörigkeit zu einem Volk zu einer exklusiven Qualität werden (Walzer 2006, Kap. 2), welche nicht nur die Bevorzugung der ,eigenen‘ Bürger rechtfertigt und das Gemeinwesen von unzumutbaren ,grenzenlosen‘ Verpflichtungen befreit (Blake 2014a und 2014b), sondern insgesamt die territoriale Integrität und Autorität des Staates als institutionalisierten Agenten kollektiver Selbstbestimmung wahrt (Miller 2007; Nida-Rümelin 2017) bis hin zur Verteidigung einer (relativ) homogenen kollektiven Identität (Miller 2016)? Oder zeichnet sich eine Demokratie umgekehrt durch generelle Offenheit, Freizügigkeit und Pluralität aus, an welchen nicht nur die Bevölkerung eines bestimmten Landes bzw. eines Staatenbundes, sondern – im Sinne einer „Ethik“ (Carens 2013) sowie eines universalen „Menschenrechts“ auf Immigration (Owen 2014; Oberman 2016) bzw.
Oliver Hidalgo, Gert Pickel
Das Verhältnis von Politik und Religion auf dem Prüfstand?
Mittelbare Auswirkungen der ,Flüchtlingskrise‘ auf eine Grundfrage im demokratischen Verfassungsstaat
Zusammenfassung
Im Hinblick auf die Relevanz des religiösen Themas für eine politiktheoretische Einschätzung der Flucht- und Migrationsbewegungen, die aktuell eine hohe Anzahl von Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern in das ,christlich-säkulare‘ Europa führen, entwickelt der Beitrag eine zweigliedrige Argumentationslinie: Zunächst wird skizziert, warum das Verhältnis von Politik und Religion unverändert ein Schlüsselproblem im Verständnis des demokratischen Verfassungsstaates westlicher Provenienz darstellt. Hierauf aufbauend wird erläutert und vertieft, weshalb die ,Flüchtlingskrise‘ als eine Art Trigger anzusehen ist, dass dieses zwischenzeitlich vernachlässigte oder sogar ignorierte Problem derzeit wieder verstärkt auf die politische Agenda drängt. Einerseits geschieht dies im Fahrwasser der etablierten Diskussion über die ,Wiederkehr des Religiösen‘, andererseits jedoch auch losgelöst davon als neues Stadium der allgemein schwierigen Beziehung zwischen Religion und Politik unter den von der modernen Demokratie geschaffenen Voraussetzungen.
Oliver Hidalgo
Demokratien in Bewegung
Bonnie Honig und Julia Kristeva über die Ährenleserin Ruth
Zusammenfassung
In den gegenwärtigen Debatten um die Grenzen der Demokratie wird implizit und explizit über die Frage gestritten, wieviel Fremdheit und Diversität moderne Demokratien tragen können. Diese Fragen rühren an dem Fundament moderner Demokratien, an ihrem Selbstverständnis und der(diskursiven) Regulation von Inklusion und Exklusion. Anhand der biblischen Figur der Ährenleserin Ruth wird sich der Beitrag mit dem Verhältnis von Fremdheit und demokratischer Ordnung auseinandersetzen. Mit Cynthia Ozick, Julia Kristeva und Bonnie Honig werden drei unterschiedliche Zugänge zum Thema diskutiert: Während Ozick und Kristeva die Fremdheit in der Assimilation oder der Selbstbestätigung der Ordnung verschwinden lassen, beharrt Honig auf dem notwendigen Bestehen der Fremdheit in demokratischen Ordnungen. Fremdheit steht bei ihr für das demokratische Paradox, das moderne Demokratien seit ihrer Gründung begleitet.
Julia Schulze Wessel
Keine Integration ohne Religion
Religiös-kulturelle Aspekte sozialer Integration im Gefolge der „Flüchtlingskrise“ der Jahre 2015/2016 in Deutschland
Zusammenfassung
Der Beitrag vertritt die These, dass soziale Integration ohne die Berücksichtigung von Religion in der deutschen Gegenwartsgesellschaft nicht gelingen kann. Der Beitrag verweist auf die Grenzen älterer individualistischer Theorien zur sozialen Integration und greift auf ein kultursensitives Konzept von Integration zurück, wie es John W. Berry entworfen hat. Auf der Basis einer breiten, entsprechend des Stands der Forschung freilich heterogenen empirischen Basis wird die Rolle religiös-kultureller Aspekte für die Konstitutionsbedingungen und Dynamiken sozialer Integration im Gefolge der massiven Zuwanderung von Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 für Deutschland analysiert. Es zeigt sich, dass Religion auf allen drei Ebenen des Sozialen Teil des Integrationsgeschehens ist, dass es allgemein um die Integrationsbereitschaft und –bemühungen besser bestellt ist, als dies in der öffentlich-medialen Wahrnehmung oftmals erscheint, und dass Religion trotz aller Ambivalenzen insgesamt mehr Hilfe als Konfliktursache ist.
Antonius Liedhegener
Papst Franziskus und die Flüchtlinge
Die Wahrnehmung des Weltjugendtags 2016 in deutschen Medien
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht den Migrationsdiskurs des modernen Papsttums und dessen mediale Resonanz in Deutschland während des Höhepunkts der Europäischen Flüchtlingskrise. Ausgangspunkt ist die These, dass die migrationsfreundliche Soziallehre von Papst Franziskus durch eine veränderte Kommunikationsstrategie und durch eine mediale Überrepräsentation verstärkt wurde (1.). Hierbei widmet sich der Beitrag dem Flüchtlingsdiskurs Papst Franziskus (2.). Unter Rückgriff auf Dokumente vorangegangener Pontifikate wird die migrationsfreundliche Position Papst Franziskus im Kontext des bisherigen kirchlichen Migrationsdiskurses untersucht (2.1). Anhand päpstlicher Ansprachen und Auslandsaufenthalte skizziert der Beitrag die Kommunikationsstrategien Jorge Mario Bergoglios (2.2). Die Tragweite der medialen Rezeption wird am Beispiel des 31. Weltjugendtages im polnischen Krakau diskutiert (3). Unter Verwendung einer hermeneutischen Begriffsanalyse wird gezeigt, wie die Online-Berichterstattung das Großereignis des Weltjugendtages verstärkt im Kontext einer päpstlichen Flüchtlingspolitik inszeniert (3.1). Hieran schließen sich eine Zitations- (3.2) und Sprechaktanalyse (3.3) an.
Mariano Barbato, Johannes Löffler
Die gespaltene Union zwischen Macht und Werten
Die Flüchtlingskrise als Zerreißprobe für CDU und CSU?
Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert, inwiefern die Flüchtlingspolitik der CDU und CSU als Bestätigung von deren programmatischer Orientierung an christlichen Werten gesehen werden kann oder ob es bezüglich der Migrations- und Flüchtlingspolitik einen tiefgehenden Konflikt zwischen den Unionsparteien gibt. Aufbauend auf einer Analyse der normativen Fundierung der Unionsparteien im christlichen Wertsystem wird zunächst untersucht, inwiefern die CDU und CSU heute überhaupt noch als christliche Parteien zu sehen sind und ob sich die Positionen der CDU und CSU in der Flüchtlingskrise als (un-)vereinbar erwiesen haben bzw. inwiefern man beide Sichtweisen mit der Grundperspektive der Kirchen in der Flüchtlingsfrage zusammenzubringen kann. Dabei wird der These gefolgt, dass bei den Unionsparteien normative Werte zunehmend hinter politisches Interesse und Machtanspruch zurücktreten, die Flüchtlingspolitik der Parteien nicht wesentlich normativ geprägt ist und deswegen von keinem normativen Bruch in der Flüchtlingsfrage gesprochen werden kann. Anschließend an diese These wird argumentiert, dass ein möglicher Bruch der Unionsparteien auf Konflikte über Machtperspektiven und politisches Interesse zurückzuführen ist und darauf, dass beide Parteien das Verhältnis zwischen (christlicher) Religion und Politik verschieden interpretieren.
Christoph Handwerker
Konfliktpartnerschaft zwischen konfessionellen Wohlfahrtsverbänden und Staat in der Krise des Migrationsstaates 2015/2016
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag untersucht die Flüchtlingspolitik und materielle Flüchtlingshilfe der beiden christlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie während der Krise des Migrationsstaates 2015/2016 auf Basis ihrer Stellungnahmen zu den Asylpaketen I, II sowie zum Integrationsgesetz. Die Autoren bezeichnen die korporatistischen Arrangements von Verbänden und Staat in diesem Politikfeld als Konfliktpartnerschaft, da sowohl der Modus der Kooperation als auch der des Konflikts praktiziert werden. Die kirchliche Flüchtlingshilfe wurzelt im christlichen Verständnis solidarischer Hilfe, in der subsidiären Funktion im Sozialstaat und im organisatorischen Eigeninteresse beider Verbände. Die Konflikthaftigkeit der Partnerschaft zwischen Staat und christlichen Verbänden zeigte sich nicht nur in den Gesetzgebungsprozessen seit 2015, die die Einwanderung regeln, sondern auch in den Bereichen der kirchlichen Willkommenskultur, der Flüchtlingsberatung und vor allem beim Kirchenasyl
Wolfgang Schroeder, Lukas Kiepe
Muslimische Gemeinden in der Flüchtlingsarbeit
Zusammenfassung
Seit den 1990er Jahren wird verstärkt über die Frage diskutiert, wie die freien Wohlfahrtsverbände stärker ihre Angebote auf die Bedürfnisse der Klientel mit Migrationshintergrund ausrichten können. In diesem Zusammenhang begann eine Diskussion bei den Verbänden um die interkulturelle Öffnung sowohl für Mitarbeiter als auch für die Klientel mit Migrationshintergrund. Im Kontext der Klientel geht es vor allem um das Thema der kultursensiblen Angebote. Während der Begriff „Kultur“ im Vordergrund stand, sollte Religion eher eine untergeordnete Rolle einnehmen. Das ist insofern nicht verwunderlich, da in der gesamten Integrationsdebatte seit den 1970er Jahren eher ethnische und kulturelle „Eigenheiten“ der unterschiedlichen Migrantengruppen im Fokus von Maßnahmen standen. Seit den 2000er Jahren hat die Politik allerdings die Bedeutung der Dimension „Religion“ für die Migranten erkannt und seitdem mehrere Initiativen wie beispielsweise die stärkere Kooperation mit den muslimischen Gemeinden, die Organisation der Deutschen Islam Konferenz oder die Gründung der Institute für Islamische Theologie initiiert.
Rauf Ceylan, Samy Charchira
Kulturdolmetscher, Integrationslotsen, Förderer des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Muslimische Verbände in der „Flüchtlingskrise“
Zusammenfassung
„Wir brauchen Kulturdolmetscher.“ Im Oktober 2015 appellierte Sigmar Gabriel an die Muslime in Deutschland in der Integration von Flüchtlingen aktiv zu werden. Migrantenorganisationen wurden jedoch lange Zeit als integrationshemmend bezeichnet. Insbesondere den muslimischen Verbänden wurde lange, und wird teilweise heute noch, vorgeworfen eine Parallelgesellschaft zu bilden. Die sogenannte „Flüchtlingskrise“ scheint allerdings ein Anlass für die Politik zu sein, diese Annahmen nun zu verwerfen. Sie tragen die Bitte, bzw. die Aufforderung an die muslimischen Verbände heran, eine Brückenfunktion in der Integration von Flüchtlingen einzunehmen. Anspruch dieses Beitrags ist es zu ergründen, wie die muslimischen Verbände die Veränderung des politischen Kontextes wahrnehmen und inwiefern sich dadurch ihre Arbeit innerhalb der deutschen Zivilgesellschaft gegebenenfalls verändert hat.
Julia Henn
Flüchtlingspolitik als Konfliktfeld?
Spannungslinien zwischen staatlichen und kirchlichen Akteuren
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht Spannungen zwischen kirchlichen und staatlichen Akteuren in der Flüchtlingspolitik, die seit dem Jahr 2015 sichtbar wurden. Zu diesem Zweck werden die Argumentationsstrukturen und -motivationen kirchlicher Akteure bei ihrer Kritik an der staatlichen Flüchtlingspolitik analysiert. Die hierbei deutlich werdende Dominanz religiös-moralischer Argumentationen wird durch die sozialethische Fragestellung der Öffentlichen Theologie aufgearbeitet. Hierbei wird erörtert, inwiefern sich das kirchliche Engagement in der Flüchtlingspolitik aus theologischen Begründungen verstanden wissen kann. In einem weiteren Schritt wird überlegt, ob die religiös-moralische Argumentation kirchlicher Akteure aus politikwissenschaftlicher Sicht dem Gegenstandsbereich der Flüchtlingspolitik gerecht wird. In einem abschließenden Ausblick werden die Überlegungen zusammengeführt und in Bezug auf innerreligiöse Diskurse sowie auf die Verständigung zwischen staatlichen und kirchlichen Akteuren ausgewertet.
Hanna Fülling
Religiöse Hintergründe der Flüchtlingshilfe
Zusammenfassung
Die jüngere Fluchtmigration hat augenscheinlich die Zivilgesellschaft aktiviert. Einer fremdenfeindlichen Mobilisierung, die mitunter als die „schmutzige Seite der Zivilgesellschaft“ bezeichnet worden ist (Geiges et al 2015), steht ein beeindruckendes Engagement im Bereich der Flüchtlingshilfe gegenüber. Der vorliegende Beitrag ist der Frage gewidmet, welche Rolle Religionsgemeinschaften und religiöse Orientierungen in diesem Zusammenhang spielen.
Nagel Alexander-Kenneth, Yasemin El-Menouar
Der „Flüchtling“ als Muslim – und unerwünschter Mitbürger?
Zusammenfassung
Kaum etwas hat in den letzten Jahren die Öffentlichkeit so bewegt, wie die sogenannte „Flüchtlingskrise“. Sie hat zu einer Polarisierung in der deutschen Gesellschaft geführt, welche sich an den Einstellungen zu Geflüchteten scheidet. Die im Artikel analysierten Umfragen zeigen eine große Verbreitung einer Skepsis gegenüber Geflüchteten, die allerdings nicht mit einer rigiden Ausgrenzungshaltung gleichzusetzen ist. Die Zuschreibung der Zugehörigkeit von Geflüchteten zum Islam erweist sich dabei als ein wesentlicher Faktor für kritische und ablehnende Einstellungen ihnen gegenüber. Vor allem der Übertrag einer potentiellen (terroristischen) Gefährlichkeit, einer besonders starken kulturellen Unterschiedlichkeit zur Aufnahmegesellschaft und einer starken Fremdheit von Angehörigen des Islam auf die Geflüchteten, wirken sich ungünstig auf die Einstellungen gegenüber Geflüchteten – und damit auch deren Integrationschancen – aus. Dies besitzt politische Folgen. Zum einen drückt sich die Existenz von signifikanten sozialen Gruppen in der deutschen Gesellschaft mit ungünstigen Einstellungen gegenüber Geflüchteten in einer Verschärfung der politischen Debatte, über den Umgang mit ihnen aus. Zum anderen äußert sich die Polarisierung auf der Ebene der politischen Kultur der Bundesrepublik auch in einer Veränderung auf Seiten des Parteiensystems. So erklären negative Einstellungen gegenüber (muslimischen) Geflüchteten in großem Maße den mittlerweile andauernden Wahlerfolg der AfD in Deutschland, wie auch anderer politischer Parteien mit rechtspopulistischer Ausrichtung.
Gert Pickel, Susanne Pickel
PEGIDA und der „religiöse Musikalitätsmangel“
Zum Erfolg einer (zweifelhaften) These
Zusammenfassung
Unter den Erklärungsversuchen zu den Ursachen des Erfolgs der Dresdner Protestbewegung der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) erweckt eine These besondere Aufmerksamkeit. Danach ließe sich die Ursache für die Proteste in einem „religiösen Musikalitätsmangel“ finden, der sich darin ausdrücke, dass die areligiöse ostdeutsche Gesellschaft auf eine selbstbewusste Religion treffe. Dieser These tritt der vorliegende Beitrag entgegen. Zunächst wird die Verwendung der offenkundig an Max Weber angelehnten Semantik des religiösen Musikalitätsmangels kritisch hinterfragt und anschließend auch mit Blick auf die empirischen Befunde zu PEGIDA in Zweifel gezogen. Abschließend geht der Beitrag der Frage nach, inwiefern PEGIDA als ein zivilreligiös aufgeladenes Protestphänomen verstanden werden kann, für dessen Verständnis jedoch eine analytische Sprache benötigt wird, die sich jenseits des Dualismus von konfessionell/nicht konfessionell, religiös/nicht religiös bewegt. Der Beitrag kann zeigen, dass das Handeln der PEGIDA-Demonstranten nicht allein in der Zuordnung zu einer der Seiten der Unterscheidung von religiös/nicht religiös aufgeht und damit als Erklärung der Protestbewegung deutlich zu kurz greift.
Stefanie Hammer, Steven Schäller
Migration und die Entwicklung von Wertorientierungen
Zusammenfassung
Ausgehend von der Frage, ob sich MigrantInnen im Hinblick auf Wertorientierungen in die Mehrheitsgesellschaft „integrieren“ oder in sogenannten „Parallelwelten“ leben geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, wie sich bei MigrantInnen türkischer und südeuropäischer Herkunft Wertvorstellungen im Vergleich zur autochthonen Bevölkerung im Längsschnitt entwickeln. Darüber hinaus wird untersucht, welche Merkmale in welcher Weise die Wertentwicklung bei MigrantInnen beeinflussen. Die Analysen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigen, dass sich die untersuchten Werte bei MigrantInnen und Autochthonen in fast allen Fällen in die gleiche Richtung entwickeln, wenngleich von unterschiedlichem Ausgangsniveau ausgehend. Wir können somit festhalten, dass bei den hier untersuchten Merkmalen insgesamt eher eine Annäherung der verschiedenen Bevölkerungsteile stattfindet und keine Separierung oder Etablierung von „Parallelgesellschaften“.
Anja Mays, Verena Hambauer
Backmatter
Metadaten
Titel
Flucht und Migration in Europa
herausgegeben von
Dr. Oliver Hidalgo
Prof. Dr. Gert Pickel
Copyright-Jahr
2019
Electronic ISBN
978-3-658-23309-9
Print ISBN
978-3-658-23308-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-23309-9