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2019 | Buch

Flüchtigkeiten

Sozialwissenschaftliche Debatten

herausgegeben von: Prof. Dr. Birgit  Blättel-Mink, Mag. Torsten Noack, Prof. Dr. Corinna Onnen, Dr. Katrin Späte, Dr. Rita Stein-Redent

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Sozialwissenschaften und Berufspraxis

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Über dieses Buch

Die Willkommenskultur des Jahres 2015 in Deutschland ist umgeschlagen in eine Abschiebepolitik der Bundesregierung mit Hilfe der (Um-)Definition sicherer Herkunftsländer. Wie lässt sich dieser Politikwandel verstehen und geht er auch mit einem Gesinnungswandel in der Bevölkerung einher? Welche Gründe für und welche gegen die Aufnahme von Flüchtigen gibt es bzw. werden in den Debatten angeführt? Dieser Band versammelt Analysen zum gesellschaftlichen Diskurs im Umgang mit Flüchtlingen, zu Fragen der Arbeitsmarktintegration und zur Praxis der Beratung von Flüchtlingen. Neben wissenschaftlichen Analysen stehen reflektierende Beiträge aus der Praxis der Migrationspolitik.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Flüchtigkeiten. Sozialwissenschaftliche Einblicke in die Praxis der Integration von Flüchtlingen: Zur Einleitung
Zusammenfassung
Entstehung, Funktionalität, Reproduktion und Stabilität sozialer Systeme und der daraus abgeleiteten sozialen Handlungen sind klassische soziologische Themenstellungen. Diese erfahren heute in einer immer globaler und komplexer werdenden Welt eine Neuinterpretation, auch weil sich Charakter und Qualität des Sozialen sichtbar verändert haben und weiter verändern werden.
Corinna Onnen, Rita Stein-Redent, Birgit Blättel-Mink, Torsten Noack, Katrin Späte
Fluchtmigration und Arbeitsmarktintegration
Zusammenfassung
In der Vergangenheit haben Migrationswellen zur Unterschichtung des deutschen Arbeitsmarktes beigetragen. Die jüngste Fluchtmigration übersteigt die Größenordnung der bisherigen Zuwanderung und so stellt sich die Frage, inwieweit eine Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Anhand der Kategorien des Forschungsstandes zu Bedingungen gelungener Arbeitsmarktintegration wird untersucht, in welcher Weise der deutsche Arbeitsmarkt die Zuwanderer aufnehmen kann und aktuell aufnimmt. Im Grundsatz bestehen gute Chancen, durch eine aktive Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Aufnahmepolitik ein hohes Niveau der Arbeitsmarktintegration zu erreichen. Der Beitrag skizziert die hierfür notwendigen Maßnahmen. Allerdings sind in den letzten zwei Jahren auch erhebliche Probleme deutlich geworden, die besonders notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen in geeigneter Weise einzuleiten. Dies erhöht die Gefahr, dass sich Flüchtlinge in untere prekäre Segmente am Arbeitsmarkt eingliedern, was dauerhaft mit mangelnden Teilhabechancen der Migranten sowie mit fiskalischen Kosten verbunden ist.
Olaf Struck
Die diskursive Verhandlung von ‚Willkommenskultur‘ in Deutschland am Beispiel „Willkommen bei den Hartmanns“
Zusammenfassung
Der Beitrag greift die Thematik der Flucht und Migration auf und untersucht die Verhandlung von „Willkommenskultur“ und die darin enthaltenen Subjektpositionen anhand des Filmbeispiels „Willkommen bei den Hartmanns“ (2016). Das Phänomen „Willkommenskultur“ wird durch eine rassismuskritische Forschungsperspektive betrachtet: Wie äußert sich (Alltags-)Rassismus in der „Willkommenskultur“? Der diskursanalytische Zugang zur Filmanalyse verweist auf die Verschränkung von Film und gesellschaftlicher Wirklichkeit. In dem empirischen Teil werden vier Subjektpositionen in der „Willkommenskultur“ auf der Grundlage der Filmanalyse herausgearbeitet: „Flüchtling“, „Helfer*innen“, „Skeptiker*innen“ sowie „rassistische Positionierungen“.
David Stiller
Eskalation und Dialog. Konturen eines friedlichen Miteinanders
Zusammenfassung
In einem Einwanderungsland wie Deutschland kommt es in Folge der Zuwanderung zur Ausbildung neuer Konfliktlinien und auch ein insgesamt höheres Konfliktpotenzial zeichnet sich ab. Die Zunahme von Konflikten, die als Folge gesellschaftlichen Fortschritts gedeutet werden kann, erfordert eine neue Streitkultur, um gesellschaftlichen Desintegrationsdynamiken entgegenzuwirken und Gewaltausbrüchen Vorschub zu leisten. Dabei bildet vor allem Dialog den möglichen Weg zu einer solchen und kann in Krisensituationen moderierend und beruhigend wirken und eine Streitkultur auf Grundlage demokratischer Normen etablieren. Um die Potenziale von Dialog als Mittel der Krisenintervention zu untersuchen, wird eine Krise in der ostsächsischen Stadt Bautzen im Jahr 2016 nachgezeichnet, die sich im Zuge der Fluchtzuwanderung ereignet hat und Dialog als Mittel der Krisenintervention diskutiert.
Helge Döring, Sebastian Kurtenbach
Konfliktdynamiken im langen Sommer der Migration. Das Beispiel Frankfurt am Main
Zusammenfassung
Im Spannungsfeld zwischen bedingungslosem Willkommen-Heißen sowie einer Politik der partiell offenen Grenzen einerseits und konservativ-chauvinistischen Diskursinterventionen und repressiven Reaktionen andererseits lässt sich entlang des Flüchtlingsdiskurses ein Deutungskampf um die diskursive sowie materielle Form und Verfasstheit gegenwärtiger Grenzregime erkennen (vgl. Georgi 2016, S. 185). Der vorliegende Beitrag stellt die Ergebnisse eines einjährigen empirischen Forschungsprojektes dar und untersucht aus diskurstheoretischer und historisch-materialistischer Perspektive, inwiefern und entlang welcher Konflikte sich eine Verschiebung in der hegemonialen Kräfteformation von einer bedingungslosen Willkommenskultur zu einer konditionalen Willkommenskultur zwischen Sommer 2015 und Sommer 2017 in Frankfurt am Main erkennen lässt. Nach einer kurzen Darstellung der theoretischen und methodischen Grundlagen werden auf Basis der empirischen Datengrundlage (FAZ, FNP, FR) die lokalen Konfliktdynamiken, Akteur*innen und Diskursstrategien rekonstruiert und hegemonietheoretisch eingeordnet. Der Artikel schließt mit einem Ausblick über aktuelle Entwicklungen und Handlungsspielräume in Frankfurt.
Ann-Christine Lill, Janis Schneider, Sam Schneider
Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit: Neue Chancen für die kommunale Integrationspolitik? Überlegungen anhand des Projektes Samo.fa und des lokalen Verbundes VMDO
Zusammenfassung
In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Wahrnehmung von Migrantenorganisationen (MOen) in der Integrationspolitik stark verändert. Während Politik und Regelinstitutionen sie lange Zeit kaum als relevante Akteure betrachteten, werden sie spätestens seit dem Zuwanderungsgesetz 2005 systematischer in integrationspolitische Prozesse einbezogen. Nach 2015 engagierten sich zahlreiche MOen in der Flüchtlingsarbeit und kooperierten stärker als zuvor mit Kommunen und anderen Akteuren. Dieser Beitrag zielt darauf vor dem Hintergrund der starken Fluchtzuwanderung im Herbst 2015 zu diskutieren, ob diese besondere historische Situation ein window of opportunity für Migrantenorganisationen darstellt, sich stärker als relevante Akteure in der Integrationspolitik zu platzieren und ob das starke Engagement von Migrant*innen in der Flüchtlingsarbeit nachhaltige Effekte auf Kooperationsformen in der Integrationspolitik hat. Diese Fragen werden anhand von zwei Praxisbeispielen beantwortet. Praxisbeispiel 1 ist das bundesweite Projekt Samo.fa, das ausschließlich von Migrantenorganisationen getragen wird und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit stärkt. Praxisbeispiel 2 ist der „Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine in Dortmund e. V.“, der sich stark in der Flüchtlingsarbeit engagiert.
Kirsten Hoesch, Gesa Harbig
Duale Ausbildung Geflüchteter – Potenzial für Integration und Fachkräftesicherung? Die Bedeutung von betrieblichen Nachwuchsproblemen und Digitalisierung
Zusammenfassung
Die duale Ausbildung wird für die Integration Geflüchteter in Erwerbstätigkeit von verschiedenen Akteuren als vielversprechende Strategie diskutiert. Eine zentrale Rolle kommt dabei Betrieben zu, die mit Besetzungsproblemen für ihre angebotenen Ausbildungsstellen konfrontiert sind. Sind Ausbildungsbetriebe mit unbesetzten Ausbildungsstellen eher bereit das potenziell höhere Investitionsrisiko einzugehen und die höheren Kosten der Ausbildung Geflüchteter zu tragen, als Betriebe ohne unbesetzte Ausbildungsstellen? Und in welchem Zusammenhang steht die Ausbildung Geflüchteter mit der betrieblichen Intensität der Technologienutzung, die Sprachbarrieren verringern und/oder die Komplexität der Arbeit steigern könnte? Die durchgeführte multivariate Panelanalyse des BIBB-Betriebspanels zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung erweitert den bisherigen Forschungsstand: Die höhere Wahrscheinlichkeit von Ausbildungsverhältnissen zwischen Geflüchteten und Betrieben mit Besetzungsproblemen spricht dafür, dass Betriebe in der zusätzlichen Bewerbergruppe ein Potenzial für schwer zu besetzende Ausbildungsstellen erkennen, und Geflüchtete die höheren Zugangschancen in Betrieben mit Besetzungsproblemen wahrnehmen. Für die digitalen Technologien zeigen sich die erwarteten, technologiespezifischen, fördernden und hindernden Zusammenhänge.
Kathrin Weis
Die Integration von Flüchtlingen in kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – Fallbeispiele aus der Praxis
Zusammenfassung
Unsere Gesellschaft steht vor der Aufgabe, Flüchtlinge, die in Deutschland eine neue Heimat suchen, bestmöglich zu integrieren – auch in den Arbeitsmarkt. Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit der Integration von Flüchtlingen in kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Wir gehen der Frage nach, warum sich KMU dafür entscheiden, Flüchtlinge in ihr Unternehmen zu integrieren, welche Chancen sie darin sehen, welche Herausforderungen die Integration mit sich bringt und was aus Sicht der Unternehmensleitung Erfolgsfaktoren einer gelungenen Integration sind. Die Ergebnisse zeigen: eine gelungene Integration wird durch ein Zusammenspiel aus dem individuellen Engagement der Flüchtlinge, der Akzeptanz und Unterstützung von Geschäftsführung und Belegschaft sowie klaren, verlässlichen institutionellen Rahmenbedingungen ermöglicht.
Theresa Köhler, Kerstin Ettl
Modellprojekt LeLA: Integration integrativ – Reflexionen aus der Projekt-Praxis
Zusammenfassung
Drei regional bedeutende Bildungsträger haben für das Integrationsprojekt „LeLA – Leben-Lernen-Arbeiten“ eine Kooperation gegründet, um ihre jeweiligen Stärken zu bündeln. Das Projekt verbindet und verzahnt Sprachunterricht mit Elementen beruflicher und sozialer Integration (www.​lela-uelzen.​de [abgerufen am 11.01.2019]). Diese Konzeption war ein wesentlicher Faktor für eine Förderung als Modellprojekt durch den Europäischen Sozialfonds (ESF). Der Beitrag beschreibt die Tätigkeiten der Mitarbeitenden sowie ihre Erfahrung aus zwei Jahren erfolgreicher Integrationsarbeit mit Geflüchteten sowie Migrantinnen und Migranten. Anhand praktischer Beispiele werden Querschnittsaspekte wie Gender, Mobilität oder Qualifizierung illustriert und diskutiert. Abschließend werden Erfolgsfaktoren einer gelingenden Integrationsarbeit herausgearbeitet, die insbesondere im integrierten, kooperativen Ansatz des Projektes begründet liegen.
André Pohlmann
Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Lehrkräften am Beispiel eines Zertifikatskurses der Universität Wien
Zusammenfassung
Hochschulen stehen verstärkt in der Verantwortung, Bildungsmaßnahmen zu entwickeln, die dazu beitragen, auf gesellschaftspolitische Problemlagen zu reagieren. Menschen mit Fluchterfahrung sind seit 2015 zu neuen Zielgruppen der universitären Weiterbildung geworden: Hier werden Weiterbildungsmaßnahmen für Personen entwickelt, welche bereits ein Erststudium abgeschlossen sowie Berufserfahrung in ihrem Heimatland gesammelt haben. Der vorliegende Beitrag zeigt am Beispiel des Zertifikatskurses „Bildungswissenschaftliche Grundlagen für Lehrkräfte mit Fluchthintergrund“ der Universität Wien, wie die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Lehrkräften in den Arbeitsmarkt „Schule“ gelingen kann.
Katharina Resch, Gertraud Kremsner, Michelle Proyer, Camilla Pellech, Regina Studener-Kuras, Gottfried Biewer
Willkommenskultur in der Abschiebepolitik – Arbeitsmarktberatung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge
Zusammenfassung
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es einen Streit darüber, ob man Zuwanderung nutzen und gestalten oder ob man sie begrenzen und abwehren soll. Vor 2015/2016 wurden die Argumente zuletzt bei der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes 2005 ausgetauscht. Das Gesetz eröffnete für einen Teil von Flüchtlingen die Möglichkeit dauerhaft in Deutschland zu bleiben, wenn sie sich ohne Sozialleistungen aus existenzsichernder Arbeit erhalten können. Der Beitrag stellt das ESF-Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit Zugang zum Arbeitsmarkt vor und zeigt, wie die Beratung konkret vorging, um Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Schwierigkeiten lagen in rechtlichen Zugangsbeschränkungen zu Beschäftigung und in fehlenden Angeboten für Sprachkurse und berufliche Bildung. Damit die Teilnehmenden ihre Ziele erreichen konnten, war die Kooperationsbereitschaft von Arbeitgebern, Bildungsträgern und Behörden erforderlich. Spannungen entstanden für die Beratung dort, wo die Teilnehmenden die Kooperationsbereitschaft nicht mit komplementärem Verhalten beantworteten.
Doris Beer
Metadaten
Titel
Flüchtigkeiten
herausgegeben von
Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink
Mag. Torsten Noack
Prof. Dr. Corinna Onnen
Dr. Katrin Späte
Dr. Rita Stein-Redent
Copyright-Jahr
2019
Electronic ISBN
978-3-658-27216-6
Print ISBN
978-3-658-27215-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-27216-6